Gender Mainstreaming in Organisationen
Gender Mainstreaming in Organisationen ist Organisationsentwicklung, weil Gender Mainstreaming auf alle Ebenen und Bereiche von Organisationen fokussiert. Die Verantwortung für die Umsetzung von Gender Mainstreaming liegt bei der Leitung (Top-down-Prinzip von Gender Mainstreaming). Der Veränderungsimpuls kann aber auch von engagierten Mitarbeiter_innen ausgehen, die sich für Geschlechterdemokratie einsetzen (bottom-up). Die konkrete Anwendung von Gender Mainstreaming ist situationsabhängig und richtet sich nach der jeweiligen Organisation. So gilt es, die Größe der Organisation, die regionale Verortung, historische Aspekte, die aktuelle Situation, Produkte und Dienstleistungen sowie die Organisationskultur zu berücksichtigen. Gender-Mainstreaming-Prozesse sind daher sehr vielfältig. Zur Orientierung können für die Konzeption und Planung idealtypische Modelle zur Implementierung von Gender Mainstreaming herangezogen werden. Im Folgenden werden verbreitete und bewährte Modelle vorgestellt.
- GeM-Spirale (Bergmann/Pimminger)
- Das Sechs-Schritte-Modell (Krell/Mückemberger/Tondorf)
- Idealtypischer Implementierungsverlauf (Bendl/Hanappi-Egger/Hofmann)
- Weitere Informationen
GeM-Spirale: Analyse - Ziele - Umsetzung - Evaluation (Bergmann/Pimminger)
Die sogenannte GeM-Spirale wurde von Nadja Bergmann und Irene Pimminger 2004 veröffentlicht. Sie folgt grundsätzlichen Organisationsentwicklungsschritten und hat sich in unterschiedlichsten Organisationen als Orientierungshilfe für Gender-Mainstreaming-Prozesse bewährt.
Angelehnt an die Idee eines permanenten Verbesserungsprozesses wird zuerst die Ausgangssituation (im eigenen Wirkungsbereich, in der eigenen Organisation) auf Genderaspekte untersucht. Im zweiten Schritt werden überprüfbare Geschlechterdemokratieziele formuliert. Im dritten Schritt werden konkrete Maßnahmen bzw. Projekte geplant, beschlossen und umgesetzt. Im vierten Schritt wird die Wirksamkeit der gesetzten Maßnahmen evaluiert. In der Folge sollen wiederum die Ist-Situation analysiert, Veränderungsziele formuliert, Umsetzungsschritte gesetzt und deren Wirksamkeit evaluiert werden usw.
Die konkrete Ausgestaltung der vier Phasen muss der jeweiligen Organisationssituation angepasst werden und kann daher vielgestaltig sein. Als Hilfestellung für die Umsetzung von Gender Mainstreaming in Institutionen, Programmen und Projekten nach der GeM-Spirale haben Bergmann und Pimminger eine Toolbox mit Checklisten und Hilfsfragen erstellt. Die Praxiserfahrungen zeigen, dass meist mehrere und zunehmend differenzierende und sich verbreiternde Durchgänge aus Analyse, Zielformulierung, Umsetzung und Evaluation sinnvoll und notwendig sind. Auf diese Weise können nachhaltige Verbesserungen in Richtung Geschlechterdemokratie in den Strukturen, den Dienstleistungen und in der Organisationskultur erreicht werden. Empfohlen werden die Installierung einer eigenen Gender-Mainstreaming-Struktur und ein kontinuierliches Vorgehen nach der GeM-Spirale.
Das Sechs-Schritte-Modell (Krell/Mückenberger/Tondorf)
Gertraude Krell, Ulrich Mückenberger und Karin Tondorf beziehen sich mit ihrem Sechs-Schritte-Modell (erstmals im Jahr 2000 publiziert) auf die Gender-Mainstreaming-Definition des Europarates. Danach sollen Entscheidungsprozesse (re)organisiert, verbessert, entwickelt und evaluiert werden. Ziel ist, dass die Auswirkungen von Entscheidungen auf Frauen und Männer antizipiert werden und damit Gleichstellung erreicht bzw. Diskriminierungen verhindert werden. Für diese Neugestaltung von Entscheidungen haben die drei Expert_innen ein Modell entwickelt, das diese Antizipation in einem eigenen Schritt in den Gender-Mainstreaming-Prozess integriert. Das Modell eignet sich besonders gut für die systematische und schrittweise Gestaltung politischer Prozesse, wie die Entwicklung von Gesetzen, Programmen oder Maßnahmen. Auch in diesem Modell wurden Anleihen bei der Organisationsentwicklung gemacht. Die folgende Abbildung zeigt die sechs Verfahrensschritte und die jeweiligen Leitfragen dazu.
Der erste Schritt in diesem Verfahren ist die Definition eines gleichstellungspolitischen Ziels. Dafür ist es notwendig, einen Überblick über den Ist-Zustand zu haben. Der Ist-Zustand sollte durch aussagekräftige geschlechterspezifische Daten belegt werden können.
Im zweiten Schritt geht es um die Analyse, wie es zu Diskriminierungen kommt und wer von Diskriminierungen betroffen ist. Diese Analyse setzt nähere Kenntnisse über Diskriminierungsmechanismen voraus, die gegebenenfalls für diesen Schritt erworben werden müssen.
Sobald die Ursachen identifiziert sind, können im dritten Schritt Optionen entwickelt werden.
Diese werden, und das ist der entscheidende vierte Schritt, auf ihre voraussichtlichen Auswirkungen auf die Geschlechter überprüft. Bei diesem "Vorab-Check" gilt es zu prüfen, inwieweit die Optionen dazu beitragen, die Gleichstellung zu fördern. Die Prüfkriterien sind maßgeschneidert für das jeweilige Vorhaben zu definieren.
Die erfolgversprechendsten Optionen werden anschließend im fünften Schritt umgesetzt.
Nach angemessener Zeit erfolgt die Kontrolle und Bewertung der Entscheidung, dies ist der sechste Schritt, wiederum auf der Basis einschlägiger Daten. Sind die Ziele nicht oder nur teilweise erreicht, stehen eine Ursachenanalyse und entsprechende Folgemaßnahmen an. Bedeutsam ist demnach ein Gleichstellungscontrolling.
Idealtypischer Implementierungsverlauf (Bendl/Hanappi-Egger/Hofmann)
Für die Implementierung von Gender- und Diversitätsmanagement haben Regine Bendl, Edeltraud Hanappi-Egger und Roswitha Hofmann ein sehr ausführliches und ausdifferenziertes idealtypisches Implementierungsmodell vorgelegt. Dieses Modell (veröffentlicht im Jahr 2012) eignet sich zur Orientierung für die Entwicklung, Planung und Konzeption von komplexen Gender-Mainstreaming-Prozessen. In der folgenden Abbildung ist der Prozess im Überblick dargestellt.
Auch diese drei Expertinnen betonen, dass für eine erfolgreiche Implementierung das Engagement und die laufende Unterstützung durch die oberste Leitung erforderlich sind. In größeren Organisationen übernimmt auch das mittlere Management Verantwortung.
Dieses Modell setzt bereits beim Erkennen des Veränderungsbedarfs an. Anstoß für die Veränderung können moralische, rechtliche, wirtschaftliche oder gesellschaftspolitische Faktoren sein.
Sobald ein Veränderungsbedarf identifiziert ist, beginnt genau genommen schon der Veränderungsprozess. Für eine nachhaltige Implementierung sind eine hohe Partizipation und ein starkes Commitment von zentraler Bedeutung. Die Autorinnen empfehlen daher, bereits zu Beginn des Prozesses den Veränderungsbedarf zu kommunizieren, Genderkompetenz bei allen Beteiligten zu erweitern und gegebenenfalls externe Expertise einzubeziehen.
Auf dieser Basis können eine fundierte Ist-Analyse und die Entwicklung von Zukunftsvorstellungen realisiert werden. Für die konkrete Umsetzung dieses Schrittes wird auch hier eine für die Organisation maßgeschneiderte Vorgehensweise und Methodenwahl empfohlen. In den Blick genommen werden sollten dabei genderbezogene Denk- und Handlungsmuster, formelle und informelle Strukturen wie auch Machtstrukturen und Mikropolitiken.
Auf Basis der Ist-Analyse und der Zukunftsszenarien können konkrete Ziele entwickelt werden. Dabei ist es wichtig, diese Ziele strategisch mit allgemeinen Organisationszielen und Funktionsbereichen zu verknüpfen. Mit den definierten kurz-, mittel- und langfristigen Gender-Mainstreaming-Zielen kann nun das organisationsspezifische Gender-Mainstreaming-Implementierungskonzept erarbeitet werden. Dieses Konzept sollte neben der Zielsetzung für die Umsetzung den Einsatz unterschiedlicher Instrumente, konkrete Maßnahmen und die Einbindung der Führung und der Belegschaft vorsehen.
Anschließend wird das Konzept umgesetzt. Häufig ist eine Phase der Bewusstseinsbildung nötig, um die Akzeptanz der Genderthemen und der damit verknüpften Maßnahmen zu unterstützen. Dabei werden die Führungskräfte und Mitarbeiter_innen dafür sensibilisiert, warum eine Auseinandersetzung mit Gender in der Organisation notwendig und sinnvoll ist. Bei den konkreten Maßnahmen ermöglicht die Einplanung von Mitarbeiter_innenpartizipation eine höhere Tragfähigkeit. Organisationen setzen daher häufig nicht nur auf Top-down-Maßnahmen, sondern auch auf Bottom-up-Initiativen.
Schließlich sieht auch dieser Implementierungsverlauf eine Evaluation der Maßnahmen vor. Dabei empfehlen die Autorinnen nicht nur, Evaluationen durchzuführen, sondern auch Monitoring- und Controllingstrukturen zu entwickeln, um mittel- und langfristig Verbesserungsprozesse in der Umsetzung von Gender Mainstreaming zu unterstützen.
Quellen
- Bendl, Regine/Hanappi-Egger, Edeltraud/Hofmann, Roswitha (Hg.) (2012): Diversität und Diversitätsmanagement. Wien: facultas.wuv.
- Bergmann, Nadja/Pimminger, Irene (2004): PraxisHandbuch Gender Mainstreaming. »Link
- Bergmann, Nadja/Pimmminger, Irene/Koordinationsstelle für Gender Mainstreaming im ESF(2004): ToolBox Gender Mainstreaming. »Link
- Hanappi-Egger, Edeltraud/Hofmann, Roswitha (2008): Wissen und Kompetenzentwicklung für Diversitätsmanagement. In: Kasper, Helmut/Mühlbacher, Jürgen: Wettbewerbsvorteile durch organisationales und individuelles Kompetenzmanagement. Linde international: Wien, S. 14-28.
- Hayes, John (2007): The theory and Practice of Change Management. 2. Auflage. Palgrave Macmillan: New York.
- Krell, Gertraud/Mückenberger, Ulrich/Tondorf, Karin (2011): Gender Mainstreaming: Chancengleichheit (nicht nur) für Politik und Verwaltung. In: Krell, Gertraude/Ortlieb, Renate/Sieben, Barbara (Hg.): Chancengleichheit durch Personalpolitik. Gleichstellung von Frauen und Männern in Unternehmen und Verwaltungen. Rechtliche Regelungen - Problemanalysen - Lösungen. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: Gabler Verlag.
- Lang, Ralf (2006): Gender-Kompetenz für das Change Management. Gender & Diversity als Erfolgsfaktor für organisationales Lernen. Bern: Haupt.
- Tondorf, Karin (2001): Gender Mainstreaming - verbindliches Leitprinzip für Politik und Verwaltung. In: WSI-Mitteilungen, 4, S. 271-277.