Internationale Perspektiven

Daniela Holzer (2017)

Erwachsenenbildungsforschung ist aufgrund der engen Verknüpfung mit erwachsenenbildungspraktischen und -politischen Kontexten häufig regional, national oder auf bestimmte internationale Räume (z.B. EU) begrenzt. Österreichische Erwachsenenbildungsforschung greift beispielsweise zahlreiche regionale, bundeslandbezogene oder nationale österreichische Entwicklungen auf. Traditionell stark ist die österreichische Erwachsenenbildungsforschung darüber hinaus mit der Forschung in Deutschland verbunden, die allein aufgrund ihrer Größenordnung, aber auch aufgrund von einigen Ähnlichkeiten mit Österreich zahlreiche relevante Forschungsergebnisse hervorbringt, die in Österreich aufgegriffen werden. Darüber hinaus ist über bildungspolitische Steuerungen und Förderpolitiken der EU der Europäische Raum ein relevanter Fokus.

In wissenschaftstheoretischen, erwachsenenbildungstheoretischen, methodischen, aber auch einigen thematischen Aspekten ist hingegen eine örtliche Eingrenzung weder sinnvoll noch gegeben und entsprechend sind internationale Perspektiven auszumachen.

 

Globale Entwicklungen und Perspektiven

Internationale Aspekte lassen sich in der Erwachsenenbildungsforschung bereits aus dem Grund nicht ausblenden, weil gesellschaftliche Entwicklungen nicht regional begrenzt sind, sondern – unter dem Schlagwort der „Globalisierung“ vertraut – in weltumspannenden Zusammenhängen stattfinden. Über den kapitalistischen Weltmarkt und wirtschaftliche und politische Verflechtungen verbunden, können regionale und nationale Entwicklungen niemals nur aus diesem Binnenraum heraus betrachtet werden, sondern sind immer in deren globalem Kontext zu betrachten und zu reflektieren. Diese Aspekte bleiben dennoch häufig ausgeblendet und globale Auswirkungen und Zusammenhänge von regionalen Politiken und Entscheidungen, z.B. in Österreich oder Europa, werden ignoriert. Dies zeigt sich beispielsweise an Diskussionen um die Wissensgesellschaft und veränderten Arbeitsmarktbedingungen. Die Zunahme im Dienstleistungssektor und der Rückgang an produzierenden Industrien sind nicht davon zu trennen, dass Produktion international ausgelagert wird.

 

In manchen bildungspolitischen Bereichen sind hingegen internationale Verknüpfungen zumindest in manchen Aspekten selbstverständlich. Beispielsweise spielen supranationale Organisationen wie die UNESCO oder die OECD eine Rolle für bildungspolitische Entwicklungen, was am Beispiel der Geschichte des „lebenslangen Lernens“ deutlich wird. Und auch in der Bildungsberichterstattung sind Studien aus diesen Organisationen eine Selbstverständlichkeit.

 

In einigen auch in der Erwachsenenbildungsforschung vertretenen wissenschaftstheoretischen und inhaltlichen Bereichen wird hingegen eine explizit globale Perspektive vertreten. Neben globalisierungskritischen Themenfeldern sind beispielsweise postkoloniale Theorien zu nennen, die sich kritisch mit Fragen der westlichen Dominanz auseinandersetzen.

Einflüsse aus anderen Weltregionen

Der wechselseitige wissenschaftliche Austausch zwischen Weltregionen ist je nach Themenfeld und oft abhängig von Interessen der einzelnen ForscherInnen unterschiedlich stark ausgeprägt. Beispielhaft wäre zu nennen, dass österreichische WissenschaftlerInnen ihr Forschungsinteresse auf ausgewählte Regionen außerhalb Europas richten.

 

Aber auch wissenschaftliche Entwicklungen außerhalb Europas werden, wenn auch nicht sehr ausgeprägt, in Österreich wahrgenommen. Beispielhaft wäre die starke Aufmerksamkeit, die Paolo Freires Arbeit in den 1970er-Jahren in der Wissenschaft und Praxis in Österreich fand. Ein weiterer, eher stärker ausgeprägter Austausch findet aktuell in der Erwachsenenbildungsforschung beispielsweise mit den USA und Kanada statt, was nicht zuletzt durch Austauschprogramme gefördert wird.

Grenzen und Potenziale

Grenzen für den internationalen Austausch stellen häufig sprachliche Barrieren dar. Während englischsprachige Regionen für die österreichische Erwachsenenbildungsforschung leicht zugänglich sind, sind andere Sprachregionen weitgehend verschlossen, wenn nicht die jeweiligen WissenschaftlerInnen über spezifische Sprachkenntnisse verfügen. Erwachsenenbildungsforschung ist in den meisten Ländern eigensprachlich orientiert, eine übergreifende Sprache, wie beispielsweise das Englische in den technischen oder naturwissenschaftlichen Disziplinen, ist nicht vorhanden. Der Austausch und der gegenseitige Einfluss sind daher vielfach von Übersetzungen abhängig. Selbst englischsprachige Forschungen werden bislang in Österreich noch nicht im möglichen Umfang wahrgenommen, solange sie nicht in deutschsprachiger Übersetzung vorliegen.

 

Die Ausweitung auf globale Perspektiven und internationalen Austausch birgt das Potenzial der Erweiterung des Blickes auf Diskurse und Erkenntnisse mit jeweils anderen historischen und gesellschaftlichen Hintergründen. Theoretische, methodische, aber auch inhaltliche Verbreiterungen und reflexive Prüfungen der eigenen Perspektive können für Weiterentwicklungen und Relativierungen relevant werden. Zudem bergen umfassendere Perspektiven das Potenzial, globale gesellschaftliche Zusammenhänge zu erkennen und für globale Problemstellungen zu sensibilisieren, z.B. dafür, inwiefern westlicher Wohlstand auf der Ausbeutung anderer Weltregionen beruht.

Weitere Informationen

Zitierhinweis: Dossier "Wissenschaft und Forschung in der Erwachsenenbildung", Text CC BY 4.0 Daniela Holzer, Karin Gugitscher und Christoph Straka (2017), auf www.erwachsenenbildung.at