MitarbeiterInnen schulen

Beatrix Eder-Gregor, Eva-Maria Speta (2018)

Wie unter Barrierefreiheit in der Praxis aus unterschiedlichen Perspektiven herausgearbeitet wurde, sind die Möglichkeiten für Bildungseinrichtungen, Barrierefreiheit umzusetzen, sehr vielfältig. Ein weiterer - mindestens ebenso wichtiger Punkt - ist der Umgang der MitarbeiterInnen mit behinderten Menschen. Ein barrierefreies Gebäude und der Einsatz von Hilfsmitteln unterschiedlicher Art sind wichtige Aspekte der Umsetzung, eine offene Haltung gegenüber behinderten Menschen muss sich aber auch im Verhalten der MitarbeiterInnen widerspiegeln. Barrierefreiheit muss auch gelebt werden.


Einer der wichtigsten Tipps im diesem Zusammenhang lautet, keine Scheu zu haben, Ängste und Unsicherheiten offen und direkt anzusprechen. Menschen mit Behinderungen sind die ExpertInnen in eigener Sache, sie wissen selbst am besten, ob bzw. welche Hilfe sie benötigen. Wenn man unsicher ist, ob und wie man helfen kann, ist es am besten, einfach nachzufragen. Gemeinsam erarbeitete Lösungen sind oft die besten.


Über diesen relativ allgemein gehaltenen Tipp hinaus, ist es empfehlenswert, sich regelmäßig mit den aktuellen Begriffen und Formulierungen zu beschäftigen. Was das betrifft ist das Thema Barrierefreiheit relativ schnelllebig und es ist wichtig, laufend am aktuellen Stand zu bleiben. Dabei können auch Sensibilisierungsworkshops zum Thema helfen. Das Thema ist zu groß und zu umfangreich, als dass man sich durch Einlesen mit der gesamten Materie vertraut machen kann. Darüber hinaus ist es, wenn es um den Umgang mit behinderten Menschen geht, auch wichtig, Kontakt mit ihnen zu haben. Nur so lässt sich im Laufe der Zeit eine gewisse Selbstverständlichkeit im Umgang mit behinderten Menschen herstellen.

 

Grundkompetenzen der ErwachsenenbildnerInnen

Neben spezifischen Informationen zum Umgang mit behinderten Menschen und einem sensiblen Sprachgebrauch, erfordert die inklusive Erwachsenenbildung von den ErwachsenenbildnerInnen bestimmte Grundkompetenzen. Fachorganisationen von Menschen mit Behinderungen weisen mit Nachdruck auf folgende sechs Grundkompetenzen hin:

  • Fachkompetenz: inklusive Erwachsenenbildung macht es - mehr noch als die allgemeine Erwachsenenbildung - notwendig, dass die ErwachsenenbildnerInnen in der Lage sind, ihr Fachwissen inhaltlich strukturiert und gut verständlich anzubieten. Darüber hinaus brauchen sie ein Grundwissen zu den unterschiedlichen Bedarfen behinderter Menschen (siehe Barrierefreiheit in der Bildungseinrichtung und Inklusive Kurs- und Seminarmodelle).
  • Methodenkompetenz: die Methodenkompetenz umfasst all jene Fähigkeiten, die das Lehren und die Organisation von Veranstaltungen betreffen. Geplante Inhalte werden den individuellen und zielgruppenspezifischen Bedürfnissen gemäß gestaltet und umgesetzt.
  • Sozialkompetenz: Der/die ErwachsenenbildnerIn respektiert und unterstützt die TeilnehmerInnen ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend. Der Umgang miteinander ist durch Achtung, Respekt, Offenheit und Wertschätzung geprägt.
  • Reflexive Kompetenz: Die eigene Reflexionsbereitschaft ist in der inklusiven Erwachsenenbildung wesentlich. Durch Feedback-Runden, laufendes Nachfragen und schriftliche Evaulierungen können Meinungen und Wünsche aller TeilnehmerInnen abgefragt und Verbesserungsmöglichkeiten dementsprechend umgesetzt werden.
  • Gesellschaftliche Kompetenz: die Überwindung von Barrieren (in den Köpfen) findet u.a. durch eine aktive Auseinandersetzung mit den Themen, "Behinderungen, Diskriminierung, Gleichstellung" und dgl. statt.
  • Personale Kompetenz: der/die ErwachsenenbildnerIn geht mit Kritik konstruktiv um und besitzt die Bereitschaft, offen für Neues zu sein und mit den TeilnehmerInnen zu lernen. Humor, Begeisterungsfähigkeit, das Interesse am Menschen und Flexibilität sind entscheidende Fähigkeiten in der inklusiven Erwachsenenbildung.

Diese Aufzählung ist als eine Zusammenfassung der Mindestanforderung aus Sicht der Betroffenen zu verstehen. Umfassendere Kompetenzmodelle der Erwachsenenbildung - wie das Qualifikationsprofil der wba oder auch die Key Competences for Adult Learning Professionals - beinhalten weitaus mehr Kriterien als die hier angeführten. Es geht aber in diesem Abschnitt nicht darum, die Grundkompetenzen von ErwachsenenbildnerInnen vollständig darzustellen, es soll überblicksartig herausgearbeitet werden, welche Grundkompetenzen - in Abgrenzung zum spezifischen Fachwissen über Menschen mit Behinderungen - für eine inklusive Erwachsenenbildung von Bedeutung sind.

Tipps für einen wertschätzenden Sprachgebrauch

Zusätzlich zu den Grundkompetenzen der ErwachsenenbildnerInnen erfordert der Umgang mit behinderten Menschen im besonderen Maße einen wertschätzenden Umgang miteinander. Es ist den betroffenen Menschen bewusst, dass nicht von Behinderungen betroffene Menschen nicht alles zum Thema wissen können und Fehler passieren. Wenn für die Betroffenen spürbar ist, dass im Gegenüber die grundsätzliche Haltung stimmt, dann wird das positiv gewertet und diskriminierendes Verhalten, das aus Unwissenheit resultiert, wird weniger schwerwiegend beurteilt. In einer solchen Atmosphäre ist es eher möglich, von- und miteinander zu lernen.


Zu einem wertschätzenden Umgang gehört in diesem Fall auch die Auseinandersetzung mit dem jeweils aktuellen Sprachgebrauch. In diesem Bereich ist das Thema Barrierefreiheit relativ schnelllebig. Begriffe verändern sich laufend, Formulierungen sind zu einem gewissen Zeitpunkt erwünscht und später negativ besetzt. Ein Beispiel dafür ist die begriffliche Veränderung von der Integration zur Inklusion weiter zur Barrierefreiheit, wie sie unter Paradigmatische Umbrüche ab den 1970er Jahren dargestellt wurde.


Ein paar - zurzeit gültige - Hinweise zu einem wertschätzenden Sprachgebrauch werden im Anschluss dargestellt. Die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sie soll vielmehr in Form von Beispielen ein Gespür für die Sache vermitteln.

Menschen mit Behinderungen

Es zeugt von Wertschätzung gegenüber behinderten Menschen, wenn man, wenn man über sie spricht, das Mensch-Sein in der Vordergrund stellt. Spricht man von "den Behinderten" oder "den Gehörlosen" etc. reduziert das die Menschen auf ihre Behinderung. Diese stellt aber nur einen einzelnen Teil der gesamten Persönlichkeit des jeweiligen Menschen dar, gleichzeitig machen ihn noch viele andere Eigenschaften aus. Formulierungen wie, "Menschen mit Behinderungen", "behinderte Menschen" und ähnliches werden daher bevorzugt.

Menschen mit Lernschwierigkeiten/kognitiver Behinderung

Ähnliches gilt auch für die Gruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten. Sie sind diejenigen, die früher häufig als "geistig behinderte Menschen" bezeichnet wurden. Diese Formulierung wird heute von vielen Betroffenen diskriminierend aufgefasst. Der Wunsch, sie nicht mehr zu verwenden und stattdessen von "Menschen mit Lernschwierigkeiten" zu sprechen, kommt direkt aus der Zielgruppe der Betroffenen. Wenn es solche dezidierten Wünsche gibt, so ist es ein Zeichen von Respekt, diese zu berücksichtigen und den eigenen Sprachgebrauch entsprechend anzupassen.

Gehörlose Menschen

Gehörlose Menschen wurden früher als "taubstumm" bezeichnet. Diese Formulierung wird heute diskriminierend aufgefasst. Der Zielgruppe ist es wichtig, dass anerkannt wird, dass sie zwar im medizinischen Sinne "taub" sind, also nicht hören können, dass sie aber keinesfalls "stumm" sind. Sie haben eine Sprache, die Gebärdensprache. Deshalb sollte von dieser alten Begrifflichkeit Abstand genommen werden und als Zeichen des Respekts von "gehörlosen Menschen" gesprochen werden.

Kein falsches Mitleid

Generell ist es empfehlenswert, auf Formulierungen zu verzichten, die eine mitleidige Grundhaltung transportieren. Das gehören zum Beispiel Formulierungen, wie "an einer Behinderung leiden". Gerade wenn die Behinderung von Geburt an gegeben ist, "leiden" die Betroffenen selten darunter. Für sie ist es der Normalzustand, sie haben kein Leben ohne die Behinderung kennengelernt und wissen gar nicht, wie es anders sein könnte. Eine solche Formulierung stülpt dem behinderten Menschen die eigene Wahrnehmung - dass es schrecklich sein muss, eine Behinderung zu haben - unreflektiert über. Selbstverständlich gibt es auch Menschen, die unter ihrer Behinderung leiden, insbesondere, wenn sie mit einem Unfall oder einer Erkrankung einhergegangen ist, In solchen Fällen dauert es zumeist ein bisschen, bis sich die Menschen an ihre neue Lebenssituation gewöhnt haben. Aber auch dann sollte ihnen nicht von vornherein die eigene Bewertung der Situation aufgedrängt werden. Jeder Mensch geht mit seiner/ihrer Behinderung anders um und es ist ein Zeichen des Respekts, auf die individuelle Einschätzung der jeweiligen Person zu reagieren anstatt eigene Vorurteile walten zu lassen.

Vorsicht mit eigenen Vorurteilen

Ähnliches gilt für die Formulierung, "an den Rollstuhl gefesselt". Auch in dieser Formulierung spigelt sich die eigene Einschätzung wider, dass es schrecklich sein muss, im Rollstuhl zu sitzen. Für die meisten mobilitätseingeschränkten Personen stellt der Rollstuhl aber den Inbegriff von Mobilität dar. Er ist das Hilfsmittel, mit dem sie (vorausgesetzt die Umgebung ist entsprechend gestaltet) selbstständig von A nach B kommen. Sie empfinden den Rollstuhl daher meistens als Befreiung und nicht als Einschränkung.


Diese Beispiele sollen einen ersten Eindruck davon vermitteln, worum es bei einem sensiblen Sprachgebrauch geht. Weitere Hinweise dieser Art können auch im Buch der Begriffe nachgelesen werden. Es muss dabei allerdings beachtet werden, dass sich auch darin enthaltene Empfehlungen möglicherweise schon verändert haben oder verändern werden. Das Thema kann in Anbetracht der Lebendigkeit und Veränderung von Sprache niemals als abgeschlossen betrachtet werden. Wie auch schon in anderen Zusammenhängen festgehalten, ist es empfehlenswert, eng mit den Betroffenen selbst zusammenzuarbeiten und sich laufend rückzuversichern, was aktuell erwünscht oder nicht erwünscht ist.

Ansprechpersonen finden

Es gibt in allen österreichischen Bundesländern Organisationen und Vereine, die Informations- und Sensibilisierungsangebote zu den verschiedenen Behinderungsformen und den damit einhergehenden Bedarfen bzw. zum Thema Barrierefreiheit im Allgemeinen anbieten. Eine Übersicht über die verschiedenen Anbieter finden Sie nach Bundesländern geordnet unter Informationsmaterial, Quellen und Kontakte.