Genderintegrität

Surur Abdul-Hussain (2014)

Genderintegrität ist ein sehr junger Begriff, der von Hilarion Petzold erstmals 1990 in den Diskurs eingebracht wurde. Seither hat Petzold zusammen mit Ilse Orth diesen Begriff differenziert und mit aktuellen Theorieansätzen vernetzt und angereichert. Genderintegrität ist ein zentraler Aspekt für die ethische Orientierung in jeder Form gendersensibler Arbeit, so auch für die gendersensible Erwachsenenbildung.

 

Definition Integrität

"Integrität bedeutet nicht nur die Erhaltung der Identität von Menschen, Gruppen, ökologischen Gegebenheiten, sondern schließt immer auch ihre Entwicklung und Entfaltung ein. Auch wo Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt werden, ist Integrität bedroht", so Petzold 1978.

Definition Genderintegrität

Genderintegrität

  • betrifft die Würde von Menschen in ihrer Genderidentität und den Respekt vor ihnen, eine Zusicherung, für Unverletzbarkeit und Schutz gegenüber allen Genderidentitäten des Spektrums einzutreten
  • sowie für die jeweiligen Genderbeziehungen zueinander und in ihrer wechselseitigen Bezogenheit. Auch diese Bezogenheit verlangt Integrität.
  • Ohne eine diskursive Wechselseitigkeit, ohne eine kooperative und kokreative Zusammenarbeit der Gender in ihrer Verschiedenheit und Verbundenheit bei diesem Thema können Genderbewusstheit, Gendergerechtigkeit, Gender Mainstreaming und eine gendersensible Kultur nicht realisiert, entwickelt und gepflegt werden.
  • Um "Genderintegrität" zu verstehen, um sie zu gestalten, um sie ko-respondierend und ko-operierend zu realisieren und nachhaltig zu sichern, braucht es alle Gender, ihr Engagement und ihre Ko-kreativität. (Petzold/Orth 2012)

 

Das Wesentliche an dieser Definition ist, dass sie alle Genderidentitäten in ihrer Vielfalt und Bezogenheit zueinander einschließt und damit jede Frau, jeden Mann und jede transidente, queere oder intersexuelle Person in ihrer/seiner Identität anerkennt, respektiert und würdigt. Dieser Aspekt ist deshalb so zentral, weil es in vielen Bildungssituationen zu Genderintegritätsverletzungen aufgrund von stereotypen Zuschreibungen, Abwertungen von Genderidentitäten und Gruppenzuteilungen kommt - so auch in Genderkompetenztrainings und Gender-Mainstreaming-Prozessen. Gendersensible Erwachsenenbildung hat somit die zentrale Aufgabe, die Genderintegrität aller Teilnehmer_innen zu wahren, zu würdigen und anzuerkennen. Gleichzeitig ist es Voraussetzung, bei Genderintegritätsverletzungen so schnell wie möglich zu intervenieren und eine wertschätzende Kommunikations- und Gruppenkultur aufzubauen.

Quellen

  • Petzold, Hilarion G. (1978): Das Ko-respondenzmodell in der integrativen Agogik. In: Integrative Therapie 1, S. 21-58.
  • Petzold, Hilarion G./Orth, Ilse (2012): "Genderintegrität" als neues Leitparadigma für Supervision und Coaching in vielfältigen Kontexten - ein ko-reflexiver Beitrag zu "Genderkompetenz". In: Abdul-Hussain, Surur (2012): Genderkompetenz in Supervision und Coaching. Mit einem Beitrag von Ilse Orth und Hilarion G. Petzold zu "Genderintegrität". Wiesbaden: Springer VS Verlag, S. 195-298.

 

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