Berufliche Anforderungen

Daniela Holzer, Christoph Straka (2017)

Die beruflichen Anforderungen in der Wissenschaft sind insgesamt von hohen Leistungsanforderungen, teilweise prekären Arbeitsbedingungen und einem hohen Engagement der forschenden Personen geprägt. Noch immer herrscht das Bild von „Wissenschaft als Berufung“ vor und die Sozialisation im Berufsfeld reproduziert diese Vorstellung weiterhin. Begrenzte langfristige Möglichkeiten und zuweilen höchst prekäre und belastende Arbeitssituationen rufen aber auch kritische Stimmen gegen die Vereinnahmung durch die Berufstätigkeit hervor.

 

Aufgaben

Die wissenschaftliche Berufstätigkeit im universitären und außeruniversitären Bereich unterscheidet sich hinsichtlich der Rahmenbedingungen, der Ausrichtung oder der Aufgabenverteilung. An den Universitäten ist Forschung einer der zentralen Aufgabenbereiche. Beim drittmittelfinanzierten Personal ist Forschung beinahe ausschließlich die Haupttätigkeit, allerdings projektbezogen spezifisch festgelegt. Bei universitätsfinanziertem Personal kommen hingegen die universitäre Lehre und die Mitwirkung bei Verwaltungsaufgaben hinzu, dafür ist die Forschung von großer inhaltlicher und methodischer Freiheit geprägt. Außeruniversitäre Forschungstätigkeit ist ähnlich den universitären Drittmittelstellen stärker ausschließlich auf die explizit wissenschaftlichen Aufgaben fokussiert. Die inhaltliche und methodische Ausrichtung ist jedoch stärker von den entsprechenden Aufträgen und Fördermöglichkeiten bestimmt.

 

Was aber tun ForscherInnen eigentlich? Der Forschungsalltag besteht in jeder wissenschaftlichen Tätigkeit aus ähnlichen Aufgaben, um Frage- und Problemstellungen wissenschaftlich zu bearbeiten. Es wird intensive Fachlektüre betrieben, um den Forschungsstand und -diskurs zu einem Themenfeld zu erkunden und um Erkenntnisse zu versammeln, die zur eigenen Forschung beitragen. In empirischen Forschungsvorhaben werden die erforderlichen Methoden ausgearbeitet, Fragebögen und Interviews konstruiert, Erhebungen durchgeführt und ausgewertet. Ein großer Teil des Forschungsalltags ist die schriftliche Darstellung der Erkenntnisse in Berichten, Büchern und Artikeln und die Kommunikation mit anderen WissenschaftlerInnen, mit ExpertInnen aus der Praxis und Politik und mit der Öffentlichkeit in Vorträgen, Diskussionsveranstaltungen, auf Konferenzen und Seminaren. Darüber hinaus ist insbesondere in der Erwachsenenbildung Forschung oft eng mit der Praxis verzahnt um beispielsweise gemeinsam Ergebnisse, Konzepte und Strategien zu entwickeln.

Beruf oder Berufung?

Die wissenschaftliche Berufstätigkeit ist in hohem Ausmaß davon geprägt, mehr Berufung als Beruf zu sein. Zumindest ist das vorherrschende Arbeitsethos jenes, dass WissenschaftlerInnen sich mit aller Leidenschaft und mit der gesamten Energie ihrem Forschungsinteresse widmen. Geformt ist dieses Bild nicht zuletzt dadurch, dass WissenschaftlerInnen eine gewisse Neugier, ein hohes persönliches Interesse und ein Drang nach Erkenntnis zugeschrieben wird und dies von zahlreichen Forschenden auch so gepflegt wird. Hinzu kommen allerdings hohe Leistungsanforderungen und Erwartungen durch Arbeit- und FördergeberInnen, die dazu beitragen, dass Forschung häufig weit über das vertraglich festgelegte Stundenausmaß hinausgeht.

 

Die Wahrnehmung der eigenen Tätigkeit als Berufung ermöglicht zum einen eine hohe Identifikation mit der beruflichen Tätigkeit und ein hohes Maß an Zufriedenheit zumindest mit bestimmten Aufgaben. Problematisch ist allerdings, dass die berufliche Tätigkeit weit in das Privatleben eindringt und hohe zeitliche und auch psychische Belastungen folgen können.

 

Die Forschungsgemeinschaft insgesamt und die WissenschaftlerInnen im Einzelnen tragen wesentlich zur Reproduktion dieses „Berufungs“bildes bei. Beispielsweise in der Form, dass ständige Leistungsbereitschaft hervorgehoben wird, arbeitsfreie Zeit hingegen zumindest verbal geringgeschätzt wird. Aber auch Wissenschaftsstrukturen befördern die vollständige Vereinnahmung durch den Beruf, indem entsprechende Leistungsanforderungen direkt formuliert oder indirekt gefördert werden.

Belastungsfaktoren

Wissenschaftliche Berufstätigkeit ist ebenso wie in den meisten anderen Berufsfeldern stetigen Veränderungen ausgesetzt und aktuelle Entwicklungen der Arbeitsverdichtung, der zunehmenden Leistungsbelastungen, der Flexibilisierung und der Vereinnahmung durch die Berufstätigkeit zeigen sich in allen Bereichen der Erwerbsarbeit.

 

Die Belastungsfaktoren äußern sich in der Wissenschaft und Forschung beispielsweise darin, dass der Publikationsdruck stetig zunimmt und die Einwerbung von Drittmitteln einen hohen Aufwand erfordert. Zudem wird Grundlagenforschung eher zurückgedrängt während lösungs- und anwendungsorientierte Forschungen zunehmen. Dadurch verändert sich auch die Forschungstätigkeit selbst, indem beispielsweise Erkenntnisse in immer kürzerer Zeit geliefert werden sollen. Strukturelle Maßnahmen wie regelmäßige Qualitätsmessungen, umfangreiche und zahlreiche Evaluierungen oder komplexe Verwaltungsstrukturen führen dazu, dass weniger Zeitanteil für Forschung übrig bleibt, dennoch aber hohe Ergebniserwartungen vorliegen.

 

Aus diesen und weiteren Belastungsfaktoren und Leistungsanforderungen ergeben sich Arbeitsbedingungen, die die wissenschaftliche Berufstätigkeit für bestimmte Personen unattraktiv machen oder sich sogar benachteiligend auswirken können. Beispielsweise sind Familie und Beruf aufgrund der Anforderungen, der Mobilitätserfordernisse und der hohen Unsicherheitsfaktoren sehr schwer zu vereinbaren. Aber auch Lebenskonzepte, in denen beispielsweise Stabilität oder Freizeitorientierung bevorzugt werden, lassen sich nur mit hohem persönlichen Einsatz mit einer wissenschaftlichen Berufstätigkeit vereinbaren.

 

Die Belastungsfaktoren sind zwar in Forschungszusammenhängen vielfach grundsätzlich vorhanden, sind aber je nach Arbeitsstätte unterschiedlich ausgeprägt. Zudem gibt es auch vereinzelt Bemühungen, diesen Faktoren entgegenzuwirken, beispielsweise von Seiten arbeitnehmerInnenorientierten Interessenvertretungen. Kritische Wissenschaftsforschung trägt ebenfalls dazu bei, diese Bedingungen sichtbar zu machen und in die Kritik zu nehmen. Und nicht zuletzt engagieren sich WissenschaftlerInnen selbst dahingehend, in ihrem eigenen Arbeitsumfeld auf Missstände aufmerksam zu machen. Dies alles erfordert jedoch eine reflexive Auseinandersetzung mit strukturellen Bedingungen, mit den Hintergründen für die Anforderungen, mit Macht- und Herrschaftsstrukturen, mit der Internalisierung von Leistungsvorstellungen, aber auch mit eigenen Vorstellungen und alternativen Entwürfen.

Weitere Informationen

Zitierhinweis: Dossier "Wissenschaft und Forschung in der Erwachsenenbildung", Text CC BY 4.0 Daniela Holzer, Karin Gugitscher und Christoph Straka (2017), auf www.erwachsenenbildung.at