Die kritische Bildungsforschung legt ihren Schwerpunkt auf die Betrachtung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und Auswirkungen. Lebenslanges Lernen wird kritisch beleuchtet und einem umfassenderen, emanzipatorischen Bildungsideal gegenübergestellt. Die kritische Bildungsforschung kritisiert anpassungsorientierte, affirmative Verständnisse von lebenslangem Lernen. Sie verweist auf unterschiedliche Instrumentalisierungen eines normativen Konzeptes von lebenslangem Lernen.
Kritisch hinterfragt wird die scheinbar unumgängliche Notwendigkeit lebenslangen Lernens und die enthaltene Forderung, dass sich Menschen an ökonomische Bedarfe anpassen müssen. KritikerInnen weisen auf die falsche Annahme hin, dass gesellschaftliche und ökonomische Veränderungen scheinbar "natürliche" und nicht beeinflussbare Prozesse sind. Lernen intendiere dabei keinen Akt der Befreiung, sondern einen Akt der Unterwerfung.
Lebenslanges Lernen als Investition in Humankapital
Unter dieser Perspektive wird kritisch beurteilt, dass lebenslanges Lernen vorwiegend auf die Herstellung von verwertbarem Humankapital orientiert ist. Im Mittelpunkt des lebenslangen Lernens stehe die Steigerung des Marktwerts durch Qualifikationen. Das Risiko, ob sich Investitionen lohnen oder nicht, trägt dabei das Individuum selbst. Kompetenzorientierung, flexible und modularisierte Lernarrangements oder die ökonomische Nutzbarmachung des gesamten Menschen werden als Humankapitalorientierung interpretiert. Kritisiert wird weiters, dass Wissen und Lernen Warenform angenommen habe und daher vor allem unter der Perspektive von Kauf und Verkauf gesehen werde.
Lebenslanges Lernen als Pädagogisierungsstrategie
Ein Kritikpunkt richtet sich auf die Pädagogisierung gesellschaftlicher Probleme. Sowohl in bildungspolitischen Dokumenten als auch in vielen Forschungen und bildungspraktischen Umsetzungen wird der Eindruck erweckt, Lernen sei einer der Hauptansatzpunkte, um Arbeitslosigkeit, Armut, Ausgrenzung, Wettbewerbsnachteile etc. zu bekämpfen. KritikerInnen verweisen darauf, dass solche Problemlagen nicht individualisiert und pädagogisch zu lösen sind, sondern auf politischer, ökonomischer, gemeinschaftlicher Ebene.
Lebenslanges Lernen wollen müssen
Kritische Analysen verweisen darauf, dass lebenslanges Lernen in den letzten Jahrzehnten vermehrt Zwangscharakter angenommen hat. Jede und jeder müsse lebenslang lernen. In jüngster Zeit sei sogar eine weitgehende Verinnerlichung dieses Zwangs erfolgt. Lebenslanges Lernen solle zu einem Bedürfnis werden, was auch bereits vielfach gelungen ist. Solche Verinnerlichungen von fremdbestimmten Zwängen werden als Strategie von Herrschaft und Macht analysiert.