Kompetenzen wahrnehmen, nachweisen und anerkennen: Infos für Bildungsberater*innen
Für Beraterinnen und Berater stellen wir auf dieser Seite eine ergänzende Infosammlung rund um das Thema Kompetenzwahrnehmung, -feststellung und die Validierung von Kompetenzen zur Verfügung.
Inhalt
Begrifflichkeiten und Kompetenzkategorien im Überblick
Bildungsinteressierte werden beim Thema Kompetenzen mit einer großen Anzahl an unterschiedlichen Begriffen konfrontiert. Umso wichtiger ist es als Bildungsberater*in den Überblick zu behalten. Während im Bildungsbereich von Kompetenzen gesprochen wird, wird im beruflichen Kontext verstärkt der Begriff Skills verwendet. Dabei beziehen sich Hard Skills auf fachliches Wissen, das wir im formalen Bildungssystem gelernt haben. Soft Skills fassen Persönlichkeits- und Methodenkompetenzen sowie Sozial-Kommunikative Kompetenzen zusammen.
Soft Skills ist nicht der einzige Begriff, der versucht Fähigkeiten und Fertigkeiten abseits des Fachwissens zusammenzufassen. Es gibt eine Vielfalt an Begriffen, die Ähnliches meinen und sich inhaltlich überschneiden, wie zum Beispiel Schlüsselkompetenzen, Life Skills, überfachliche Kompetenzen oder transversale Kompetenzen. Einige Begriffe werden in bildungspolitischen Rahmenkonzepten und Kompetenzkatalogen, zum Beispiel von EU oder OECD, beschrieben. Für Berater*innen können diese Konzepte relevante Anhaltspunkte für die Bildungs- und Berufsberatung sein.
- Schlüsselkompetenzen der EU
- Schlüsselkompetenzen der OECD
- Transversale Kompetenzen des Kompetenzrahmens ESCO
Schlüsselkompetenzen der EU
Die Europäische Kommission definiert als Schlüsselkompetenzen Kenntnisse, Fertigkeiten und Einstellungen, die für die persönliche Entfaltung und Entwicklung, für Vermittelbarkeit, soziale Inklusion und aktive Bürgerschaft erforderlich sind.
Dazu zählt die Europäische Kommission:
- Lese- und Schreibkompetenz
- Mehrsprachigkeit
- Mathematische, wissenschaftliche und technische Fähigkeiten
- Digitale und technologiebasierte Kompetenzen
- Soziale Kompetenz und Fähigkeit, neue Kompetenzen zu erwerben
- Aktive Bürgerschaft
- Unternehmerische Kompetenz
- Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit
Insbesondere für Erwachsene gibt der Rat der EU eine Empfehlung zu Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen.
Schlüsselkompetenzen der OECD
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) unterteilt Schlüsselkompetenzen in folgende vier Hauptkategorien:
- Interaktive Anwendung von Medien und Mitteln
- Interagieren in heterogenen Gruppen
- Autonomes Handeln
- Zusätzliche transformative Kompetenzen für 2030
Mit der PIAAC-Studie (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) untersucht die OECD Kompetenzen und Fähigkeiten von Erwachsenen in über 40 Ländern.
Transversale Kompetenzen des Kompetenzrahmens ESCO
ESCO (European Skills, Competences and Occupations) ist Teil der Strategie Europa 2020. Dieser Kompetenzrahmen beschreibt Transversale Kompetenzen als erlernte und nachgewiesene Fähigkeiten, die notwendig oder wertvoll für effektives Handeln in Arbeit, Lernen oder Lebensaktivität sind.
Die Hauptkategorien sind laut ESCO:
- Grundfähigkeiten
- Denkfähigkeiten
- Selbstmanagementfähigkeiten
- soziale und kommunikative Fähigkeiten
- körperliche und manuelle Fähigkeiten
- Alltagskompetenzen
Das EU-Projekt TRANSVAL-EU hat sich mit der Validierung transversaler Kompetenzen beschäftigt. Entwickelt wurde unter anderem eine Datenbank zu Anerkennungsmethoden für transversale Kompetenzen.
Validierung und Anerkennung von Kompetenzen
Die Validierung ist ein Instrument, um informell und non-formal Gelerntes zu erfassen, zu überprüfen und zu einem Abschluss zusammen zu führen. Dabei geht es nicht darum, wo oder auf welchem Weg Kompetenzen erworben wurden. Es zählt, dass sie vorhanden sind und überprüft werden können.
Vom Europäischen Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (Cedefop) wurden dazu Europäische Leitlinien für die Validierung des nicht formalen und informellen Lernens (PDF) veröffentlicht.
In den Europäischen Leitlinien werden 4 idealtypische Phasen unterschieden, die sich allerdings auch überschneiden können:
- Identifizierung: Jede Person bringt unterschiedliche Lernergebnisse mit, die in unterschiedlichen Lebensbereichen erworben wurden. In der Phase der Identifizierung stehen Bewusstmachung und Bewusstwerdung der persönlichen Stärken und Fähigkeiten im Mittelpunkt.
- Dokumentation: Das identifizierte Können und Wissen wird mit Nachweisen und Belegen dokumentiert. Ein Instrument dafür ist ein Portfolio.
- Bewertung / Überprüfung: In einem nächsten Schritt werden die festgestellten Kompetenzen mit bzw. an einem bereits vorhandenen Standard, wie zum Beispiel einem Curriculum oder Qualifikationsprofil, verglichen und gemessen.
- Zertifizierung: Mit der Zertifizierung wird das identifizierte, dokumentierte und bewertete Lernen beurteilt und in der Regel wird eine formale Qualifikation verliehen, wie zum Beispiel ein Zertifikat.
2017 wurde die Österreichische Validierungsstrategie (PDF) veröffentlicht.
Methoden, Tools & Initiativen zur Kompetenzfeststellung und -anerkennung
Bildungsinteressierte finden unter Stärken und Kompetenzen erkennen sowie Können & Wissen nachweisen Möglichkeiten und Angebote, wie sie ihre Stärken entdecken und dokumentieren können. Bildungsberater*innen finden im Folgenden eine erweiterte Sammlung an Methoden und Initiativen, um ihre Klient*innen dabei zu unterstützen.
Initiativen und Maßnahmen zur Kompetenzfeststellung und -validierung in Österreich
- Bildungsberatung Österreich
- Beratungsformat Kompetenz+Beratung
- Mehrsprachige Anerkennungsberatung für im Ausland erworbene Qualifikationen
- Ausbildung zum außerordentlichen Lehrabschluss
- Berufsabschluss durch Anerkennung von informellen und non-formalen Kompetenzen
- Zertifizierung für Erwachsenenbildner*innen
Bildungsberatung Österreich
Die österreichweite Initiative Bildungsberatung Österreich bietet anbieterneutrale Information und Beratung zu Fragen rund um Bildung und Beruf für Erwachsene. Ein wesentlicher Schwerpunkt sind ressourcen- bzw. kompetenzorientierte Beratungsangebote.
Beratungsformat Kompetenz+Beratung
Die Kompetenz+Beratung ist ein standardisiertes Beratungsformat der Initiative Bildungsberatung Österreich, zur Kompetenzvalidierung und der Unterstützung der Teilnehmenden bei ihrer Kompetenzentwicklung. Zum Leitfaden zur Kompetenz+Beratung (PDF) gibt es eine auf dem Format aufbauende Ergänzung zu Kompetenz+Beratung (PDF) zu Durchführung und Methodik für Praktiker*innen der Bildungsberatung Österreich.
Mehrsprachige Anerkennungsberatung für im Ausland erworbene Qualifikationen
Die AST-Anlaufstellen für Personen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen bieten in ganz Österreich spezialisierte mehrsprachige Anerkennungsberatung zu beruflichen Anerkennungsmöglichkeiten und zur Nutzung der mitgebrachten Qualifikationen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt an.
Ausbildung zum außerordentlichen Lehrabschluss
Die AMS-Maßnahme Kompetenz mit System ermöglicht eine stufenweise Ausbildung zum außerordentlichen Lehrabschluss.
Berufsabschluss durch Anerkennung von informellen und non-formalen Kompetenzen
Mit der Initiative Du kannst was! kann man durch die Anerkennung von informell oder non-formal erworbenen Kompetenzen einen Berufsabschluss erlangen.
Zertifizierung für Erwachsenenbildner*innen
Für Erwachsenenbildner*innen gibt es in Österreich die Zertifizierungs- und Kompetenzanerkennungsstelle - Weiterbildungsakademie Österreich (wba). Sie validiert Kompetenzen und ermöglicht Abschlüsse auf zwei Stufen.
Wenn Sie wissen was Sie gerne tun und was Ihnen leichtfällt, finden Sie Ihre Wege und Ziele. Im Video finden Sie 4 Tipps wie Sie Ihre Stärken und Kompetenzen herausfinden.
Tools und Methoden zum Thema Stärken und Kompetenzen
Methoden Datenbank des AMS Österreich
Das AMS Österreich stellt eine umfassende Sammlung an Tools zur Kompetenzerfassung und Entscheidungsfindung zur Verfügung. Dabei können Berater*innen und Trainer*innen auch gezielt Übungen in unterschiedlichen Settings, wie zum Beispiel Einzelarbeit, Gruppenarbeit oder Plenum, auswählen.
DigiCards – Digitale Kompetenzkarten
Kompetenzkarten sind eine etablierte Methode im Werkzeugkoffer von Bildungsberater*innen und Erwachsenenbildner*innen. Mit den DigiCards kann man diese online nutzen.
Validating Integration Competences of refugees
Dieses Tool richtet sich vor allem an Geflüchtete und hat zum Ziel, die Validierung von Integrationskompetenz zu ermöglichen.
ProfilPASS
Der ProfilPASS ist eine etablierte Methode, die dabei unterstützt, die eigenen Stärken zu entdecken und zu nutzen. ProfilPASS-Berater*innen haben die Möglichkeit die Ergebnisse entsprechend zu bestätigen. Den ProfilPASS gibt es für unterschiedliche Zielgruppen und er wurde entsprechend angepasst.
MEIN.Profil
Diese Methode wurde zur Erfassung und Reflexion individueller Fähigkeiten entwickelt, die speziell junge Erwachsene mit Lernschwierigkeiten unterstützt. Diese kann eingesetzt werden, um gezielt Stärken zu erkennen und Entwicklungswege zu planen.
Weitere Methoden zur Kompetenzwahrnehmung und -feststellung finden Sie in der Serie: Methoden der Erwachsenenbildung.
Kompetenzfeststellung in der Basisbildung
Für Trainer*innen, die in der Basisbildung arbeiten, gibt das Validierung - Kompetenzportfolio eine konkrete Anleitung, um Teilnehmende dabei zu begleiten, sich ihrer Kompetenzen bewusst zu werden.
Aus dem Projekt „Basisbildung neu denken“ ist eine Methodensammlung für Basisbildner*innen entstanden. Arbeitsblätter sowie ein niederschwelliges Kompetenzfeststellungsverfahren können kostenfrei heruntergeladen werden.
Nachrichtenserie Erwachsenenbildung im Europäischen Jahr der Kompetenzen
Die Europäische Kommission rief 2023 das "Europäische Jahr der Kompetenzen" aus. Auf erwachsenenbildung.at gibt es eine Nachrichtenserie dazu. Sie bündelt Beiträge, die sich dem EU-Jahr und aktuellen Fragen rund um Kompetenzen für die Zukunft gewidmet haben.
Kompetenzmodelle und Referenzrahmen für Kompetenzen
Für Kompetenzen gibt es Referenzrahmen oder Kompetenzmodelle, die von einzelnen Staaten oder der EU festgelegt werden. Sie beschreiben einzelne Kompetenzen und stufen sie ein. Damit können Bildungsberater*innen Klient*innen gezielt auf Fähigkeiten und Qualifikationen in bestimmten Berufen hinweisen. Die Möglichkeit der Klassifikation von Kompetenzen macht vor allem non-formale und informelle Kompetenzen international verständlich und vergleichbar.
- ESCO: Klassifikation für Fähigkeiten, Qualifikationen und Berufe
- EQR: Europäischer Qualifikationsrahmen für Abschlüsse und Qualifikationen
- NQR: Nationaler Qualifikationsrahmen für Abschlüsse und Qualifikationen
- Nationaler Referenzrahmen für Digitale Kompetenzen
- Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen
Magazin erwachsenenbildung.at mit Beiträgen zum Thema Kompetenzen
- Arbeitsmarktorientierte Erwachsenenbildung. Im Spannungsfeld von Verwertbarkeit und Emanzipation (Ausgabe 38, Oktober 2019)
- Validierung und Anerkennung von Kompetenzen. Konzepte, Erfahrungen, Herausforderungen (Ausgabe 37, Juli 2019)
- Bildungszugänge und Bildungsaufstiege. Mechanismen und Rahmenbedingungen (Ausgabe 34, Juni 2018)
- Kompetenzen von Erwachsenen. Zu wenig Resonanz auf PIAAC? (Ausgabe 23, Oktober 2014)
- Das Versprechen sozialer Durchlässigkeit. Zweiter Bildungsweg und Abschlussorientierte Erwachsenenbildung (Ausgabe 21, Februar 20214)
- Aspekte betrieblicher Weiterbildung. Zugänge – Ressourcen – Beispiele (Ausgabe 17, November 2012)
- Nationaler Qualifikationsrahmen. „Castle in the Cyberspace“ oder Förderung der Erwachsenenbildung (Ausgabe 14, November 2011)
- Guidance und Kompetenzbilanzierung. Konzepte, Beispiele Einschätzungen (Ausgabe 9, Februar 2010)
Zum Nachlesen: Buchrezensionen zu Kompetenzen auf erwachsenenbildung.at
Aktuelles zu Kompetenzen
Menschen brauchen Anerkennung, Kompetenz braucht Anerkennung
Der Kompetenz-Begriff ist allgegenwärtig, die Validierung von Kompetenzen dennoch nur ein Nischen-Thema. Ein Plädoyer für einen breiten Einsatz von Validierungsverfahren.Soft Skills gewinnen in europäischen Unternehmen an Bedeutung
Die Eurobarometer-Umfrage zum Arbeitskräftemangel in der EU zeigt, welche Herausforderungen und Lösungen die Unternehmen sehen und welche Kompetenzen gefragt sind.Kompetent im Bildungsehrenamt!
Was kann ich gut? Welche Kompetenzen habe ich? Bei „kompetenz+beratung“-Workshops des BhW Niederösterreich zeigte sich: Auch im Bildungsehrenamt stecken viele Kompetenzen.Kompetenzen nutzbar machen: Toolkit für BeraterInnen
Das Projekt SCOUT widmet sich der Kompetenzerfassung zugewanderter Personen und liefert einen Methodenkoffer mit vielseitigen Tipps für Beratende.Wie das Anerkennen von Kompetenzen gelingt
In Österreich gibt es einige Good Practice Beispiele, um Kompetenzen zu validieren, die außerhalb von Schule oder Universität erworben worden sind.ESCO-Klassifikation für Fähigkeiten, Qualifikationen und Berufe online
Die mehrsprachige Klassifikation der EU-Kommission soll mithilfe einer gemeinsamen Terminologie die europaweite berufliche Mobilität fördern.