Forschung zu Diversität und Diversitätsmanagement

Surur Abdul-Hussain und Roswitha Hofmann (2013)

Forschung zu Diversität und Diversitätsmanagement wird heute in vielen wissenschaftlichen Fächern multi-, inter- und transdisziplinär betrieben. So haben sich Forschungsfelder wie die Migrationsforschung, die Disability Studies, die Antisemitismusforschung, die Race-, Ethnic-, Black-, Postcolonial-, Gay-, Lesbian-, Queer- und Cultural Studies etabliert. Innerhalb dieser Forschungsbereiche wird auch intersektional, also Diversitätsdimensionen-übergreifend, geforscht.

 

Das zunehmend selbstbewusste Auftreten von sozialen Bewegungen, die demografischen Veränderungen und die Entwicklung der Gleichstellungsgesetzgebung haben den Bedarf an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Diversität und Diversitätsmanagement in den letzten Jahrzehnten erhöht. Dennoch ist die diversitätsbezogene Forschung im österreichischen Erwachsenenbildungsbereich über weite Strecken kaum ausgeprägt (im Unterschied zur diversitätsbezogenen Bildungsforschung im Grundschul- und Hochschulbereich).

 

Insgesamt besteht hinsichtlich Diversität und Diversitätsmanagement im Erwachsenenbildungsbereich noch großer Forschungsbedarf.

 

Forschungsfelder

Die sozialgeschichtlich orientierte historische Bildungsforschung zeigt eine lange Tradition (Born 2011). Sie beschäftigt sich auch mit Diversitäten im Erziehungs- und Bildungsbereich. Ausgehend von emanzipatorischen Bewegungen wie den Arbeiter_innen- und Frauenbewegungen werden In- und Exklusionsstrukturen und -prozesse aufgrund der sozialen Herkunft/Schicht und des Geschlechts erforscht.


Neuere gesellschaftliche Herausforderungen wie die Alterung der Gesellschaft, Migration und die Forderung nach Inklusion von Menschen mit Behinderungen führen zur Beschäftigung mit Alter, ethnischer Zugehörigkeit und Behinderung. So wird insbesondere zu Lernen im Alter und lebensbegleitendem Lernen (u.a. Cendon 2007), zu Migration und interkulturellem Lernen (Kimmelmann 2009) und barrierefreier Bildung (Babilon et al. 2007) geforscht.


Die Diversitätsdimensionen "sexuelle Orientierungen" und "Religion/Weltanschauung" werden - wie im allgemeinen Diversitätsmanagementdiskurs - in der Erwachsenenbildungsforschung immer noch stark vernachlässigt. Bislang fehlt es auch weitgehend an institutionell orientierter Forschung zu Diversitätsmanagement in der Erwachsenenbildung.


Neben den genannten Forschungslücken hat die Forschung zu Diversität und Diversitätsmanagement im Erwachsenenbildungsbereich noch viel Potenzial. Vor allem die Verknüpfung von Diversitätstheorien mit macht- und herrschaftskritischen Perspektiven eröffnet viele Möglichkeiten. Beispielhaft sind hier diskurstheoretische, dekonstruktivistische und queer-theoretische Zugänge zu nennen. In diesem Zusammenhang wäre es auch wichtig, kritische Ansätze zu Diversitätsmanagement aufzugreifen. In diesen wird u.a. die Gefahr der Individualisierung von strukturellen Problemen und der Restereotypisierung behandelt. Auch die verkürzende "Übersetzung" von Gleichstellungsforderungen in enge betriebswirtschaftliche Nutzenkalküle wird hier kritisch reflektiert. Außerdem werden zukünftig wohl Fragen zur theoretischen Konzeption und zum forschungstechnischen/methodologischen Umgang mit Intersektionalität interessant werden. Die ersten diesbezüglichen Entwicklungen zeichnen sich in den entstehenden Diversity Studies und den Disability Studies sowie den Queer Studies ab.

Ausgewählte Forschungsprojekte

Die folgenden Forschungsprojekte bieten einige Anregungen für die forschungs- und praxisbezogene Beschäftigung mit Diversität in der Erwachsenenbildung. Weitere Projektbeschreibungen können über die Links der Forschungseinrichtungen abgerufen werden.

 

(Forschungs-)Institutionen in Österreich

Forschung zu diversitätsbezogenen Themen in der Erwachsenenbildung wird in Österreich an einer Reihe von (Forschungs-)Institutionen betrieben. Die Institutionen stellen u.a. Statistiken für die Weiterentwicklung und Qualitätssicherung der Erwachsenenbildung in Österreich bereit, ebenso Untersuchungsergebnisse zu unterschiedlichen Diversitätsthemen.

 

Universitäre Forschung

In den letzten Jahren haben verschiedene Hochschulen Schwerpunktsetzungen zu Diversitätsthemen oder zu Diversitätsmanagement etabliert. Hier eine Auswahl:

 

Weitere Informationen

Quellen

  • Babilon, Rebecca/Goeke, Stefanie/Terfloth, Karin (2007): Inklusion und Exklusion im Kontext von Lebenslangem Lernen. In: Erwachsenenbildung und Behinderung: Die inklusive Gesellschaft. Beiträge aus der Erwachsenenbildung und Behindertenhilfe, 18(1), S. 12-21.
  • Born, Armin (2011): Geschichte der Erwachsenenbildungsforschung. In: Tippelt, Rudolf/von Hippel, Aiga (Hg.): Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 231-241.
  • Cendon, Eva (2007): Universitäre Weiterbildung im Kontext des Lebenslangen Lernens - Zwischen Diversifizierung und Profilbildung. In: Zeitschrift für Hochschulentwicklung - ZFHE, 2(1), S. 1-13.
  • Kimmelmann, Nicole (Hg.) (2009): Berufliche Bildung in der Einwanderungsgesellschaft. Diversity als Herausforderung für Organisationen, Lehrkräfte und Ausbildende. Aachen: Shaker Verlag.

Weiterführende Literatur

  • Bourdieu, Pierre (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Kreckel, Reinhard (Hg.): Soziale Ungleichheiten. Soziale Welt, Sonderband 2, S. 183-198.
  • Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz (2009): Bericht der Bundesregierung über die Lage von Menschen mit Behinderung in Österreich 2008. Erstellt vom Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz in Zusammenarbeit mit allen Bundesministerien. Wien.
  • Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz (2010): UN-Behindertenrechts-Konvention. Erster Staatenbericht Österreichs. Beschlossen von der Österreichischen Bundesregierung am 5. Oktober 2010. »Link
  • Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (2010). Zahlenspiegel 2010. Statistiken im Bereich Schule und Erwachsenenbildung in Österreich.
  • Dörner, Olaf/Schäffer, Burkhard (2010): Neuere Entwicklungen in der qualitativen Erwachsenenbildungsforschung. In: Tippelt, Rudolf/von Hippel, Aiga (Hg.): Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung. 4., durchges. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 243-262.
  • Eckert, Thomas (2010): Methoden und Ergebnisse der quantitativ orientierten Erwachsenenbildungsforschung. In: Tippelt, Rudolf/von Hippel, Aiga (Hg.): Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung. 4., durchges. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 263-278.
  • Erler, Ingolf/Fischer, Michael (2012): Teilnahme und Nichtteilnahme an der Erwachsenenbildung. Sekundarstatistische Auswertungen des adult Education Survey 2007. oieb: Wien. »Link
  • Gruber, Elke (2009): Auf der Spur ... Zur Entwicklung von Theorie, Forschung und Wissenschaft in der österreichischen Erwachsenenbildung/Weiterbildung. In: Magazin erwachsenenbildung.at: Theorie und Forschung. Facettenreich, traditionsbewusst und innovativ, 7/8, S. 02-1-02-15. »Link 
  • Heidecker, Dagmar/Schneeberger, Arthur (Hg.) (2011): Erwachsenenbildung als Faktor aktiven Alterns. In: Magazin erwachsenenbildung.at: Erwachsenenbildung als Faktor aktiven Alterns, 13, S. 01-2-01-5. »Link
  • Lassnigg, Lorenz (Hg.) (2010): Zielgruppen in der Erwachsenenbildung. Objekte der Begierde? Magazin erwachsenenbildung.at, 10. »Link
  • Mecheril, Paul (2008): Anerkennung von Mehrfachzugehörigkeiten. Eine Leitlinie für Erwachsenenbildung in der Migrationsgesellschaft. In: Hessische Blätter für Volksbildung, 58(1), S. 41-49.
  • Mehr als Deutschkurse. Migration und Interkulturalität in der Erwachsenenbildung, Magazin erwachsenenbildung.at, 5, Oktober 2008. »Link
  • Pellert, Ada/Cendon, Eva (2007): Länderstudie Österreich. In: Hanft, A./Knust, M. (Hg.): Internationale Vergleichsstudie zur Struktur und Organisation der Weiterbildung an Hochschulen, S. 343-399.
  • Sprung, Annette (2004): Celebrate Diversity? Kritische Bildung und kommunale Integration von MigrantInnen. In: Lenz, Werner/Sprung, Annette (Hg.): Kritische Bildung? Zugänge und Vorgänge. Münster [u.a.]: LIT Verlag, S. 129-147.
  • Sprung, Annette (2009): Migration, Rassismus, Interkulturalität - (k)ein Thema für die Weiterbildungsforschung? In: Magazin erwachsenenbildung.at: Theorie und Forschung. Facettenreich, traditionsbewusst und innovativ, 7/8, S. 07-2-07-8. »Link
  • Sprung, Annette (2011): Zwischen Diskriminierung und Anerkennung: Weiterbildung in der Migrationsgesellschaft. Münster: Waxmann.
  • Sting, Stephan/Wakounig, Vladimir (Hg.) (2011): Bildung zwischen Standardisierung, Ausgrenzung und Anerkennung von Diversität. Wien: LIT Verlag.
  • Tuider, Elisabeth (2008): Diversität von Begehren, sexuellen Lebensstilen und Lebensformen. In: Schmidt, Renate-Berenike (Hg.): Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung. Weinheim [u.a.]: Juventa-Verlag, S. 251-260.