Definitionen von Bildungs- und Berufsberatung

CC BY Rudolf Götz, Franziska Haydn, Magdalena Tauber 2014 / aktualisiert 2020

Bildungs- und Berufsberatung wird in den europäischen Ländern in unterschiedlicher Weise benannt. Die im Zuge der europäischen Strategieentwicklung verwendeten Begriffe sind "Career Guidance", "Lifelong Guidance" oder "Guidance and Counselling Services ". Die auf der EU-Policy Ebene vorliegenden Definitionen verstehen Bildungs- und Berufsberatung im umfassenden Sinne als ein Element des Abgleichs (Matching) von Bildungs- und Arbeitsmarktsystemen mit individuellen Lebensentwürfen. In Österreich - analog zum deutschsprachigen Raum - wird vielfach der Begriff "Bildungsberatung" verwendet. Die Übertragung des Begriffes "Guidance" in die Form "Information, Beratung und Orientierung für Bildung und Beruf (IBOBB)" (Härtel/Krötzl 2008) scheint hingegen besser geeignet, die Breite des englischsprachigen Konzeptes aufzuzeigen. Unter dem Begriff IBOBB werden sämtliche Maßnahmen zur Unterstützung von Personen jeder Altersgruppe und in jedem Lebensabschnitt bei der Wahl ihrer Ausbildung und ihres Berufs, wie auch bei ihrer Karriereplanung subsumiert.

 

Begriffserklärung auf europäischer Ebene

Bildungs- und Berufsberatung wird in den europäischen Ländern in unterschiedlicher Weise benannt, z.B. Bildungs-, Berufs- oder Laufbahnberatung, Beratung und Orientierung oder Dienste für berufliche Beratung/Orientierung. Da eine unterschiedliche Terminologie auch unterschiedliche Herangehensweisen in Bezug auf Beratung signalisieren kann, gilt es auf eine wichtige terminologische Unterscheidung hinzuweisen, wonach zwischen der Beratung bei persönlichen Problemen (counselling - deckt im Deutschen eher die sozialpsychologische Beratung ab) und der bildungs- oder berufsbezogenen Bildungs- und Berufsberatung (career guidance) zu unterscheiden ist. Wenn auch eine klare inhaltliche Abgrenzung schwierig ist und in den meisten europäischen Ländern eine solche auch nicht vorgenommen wird, u.a. laut CEDEFOP (2004) auch nicht in Österreich, konzentriert sich die europäische Guidance Perspektive auf die bildungs- und berufsbezogene Beratung.

 

Demnach sind "Career Guidance", "Lifelong Guidance" (LLG) oder "Guidance and Counselling Services" die im Zuge der europäischen Strategieentwicklung verwendeten Begriffe, die neben allen Formen der Bildungs-, Berufs- und Laufbahnberatung auch die Berufsorientierung, Kompetenzfeststellung und Selbstinformationsangebote mit einschließen und die einzelnen Aktivitäten im Zusammenhang mit lebenslanger Bildungsberatung und Berufsorientierung zusammen fassen. Ins Deutsche werden sie mit dem Oberbegriff "Bildungs- und Berufsberatung" übersetzt.

Internationale Definition von Bildungsberatung

Die auf der Policy-Ebene vorliegenden Definitionen verstehen Bildungs- und Berufsberatung im umfassenden Sinne als ein Element des Abgleichs (Matching) von Bildungs- und Arbeitsmarktsystemen mit individuellen Lebensentwürfen. Da die Entwicklungen am Arbeitsmarkt darauf hindeuten, dass die Übergänge zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung und der Berufswelt immer weniger linear strukturiert sind, sollen alle BürgerInnen befähigt werden, im Laufe ihres Lebens Bildungs- und Berufswege selbst zu gestalten (CEDEFOP 2008). Laut Schlögl (2010) und Schiersmann/Weber (2013) beschränkt sich Bildungs- und Berufsberatung demnach nicht nur auf Übergänge, Sondersituationen und Krisen im Lebenslauf, sondern ist auch auf Potenziale und Möglichkeiten ausgerichtet, sie kann präventiv angelegt sein und ist dementsprechend als ein bei Bedarf zur Verfügung stehendes begleitendes Angebot zu verstehen.

EU-Definition

Der Rat der Europäischen Union definiert Bildungs- und Berufsberatung folgendermaßen (2004): "Vor dem Hintergrund des lebenslangen Lernens erstreckt sich Beratung auf eine Vielzahl von Tätigkeiten, die Bürger jeden Alters in jedem Lebensabschnitt dazu befähigen, sich Aufschluss über ihre Fähigkeiten, Kompetenzen und Interessen zu verschaffen, Bildungs-, Ausbildungs- und Berufsentscheidungen zu treffen sowie ihren persönlichen Werdegang bei der Ausbildung, im Beruf und in anderen Situationen, in denen diese Fähigkeiten und Kompetenzen erworben und/oder eingesetzt werden, selbst in die Hand zu nehmen."

OECD-Definition

Die OECD (2004) definiert Bildungs- und Berufsberatung als "ein Dienstleistungsangebot, das darauf ausgerichtet ist, Individuen jeden Alters zu jedem Zeitpunkt ihres Lebens dabei zu unterstützen, Bildungs-, Ausbildungs- und Berufsentscheidungen auf einer gut vorbereiteten und informierten Basis eigenständig zu treffen und ihr (Berufs-)Leben selbst in die Hand zu nehmen. Bildungs- und Berufsberatung hilft Menschen, sich über ihre Zielvorstellungen, Interessen, Qualifikationen und Fähigkeiten klar zu werden. Sie hilft ihnen, den Arbeitsmarkt und das Bildungssystem zu verstehen und diese Kenntnisse auf das zu beziehen, was sie selbst über sich wissen. Umfassende Bildungs- und Berufsberatung erschließt Informationen über den Arbeitsmarkt und über Bildungsmöglichkeiten, indem sie diese organisiert, systematisiert und verfügbar macht, wann und wo Menschen sie benötigen."

 

IBOBB - der österreichische Begriff

In Österreich – analog zum deutschsprachigen Raum – wird vielfach der Begriff "Bildungsberatung" verwendet. Hinsichtlich der tatsächlich erbrachten Leistungen und des intendierten Nutzens für die BeratungskundInnen greift dieser Begriff laut Schlögl jedoch zu kurz. Laut Schlögl (2010) scheint die Übertragung des Begriffes "Guidance" in die Form "Information, Beratung und Orientierung für Bildung und Beruf (IBOBB)" (Härtel/Krötzl 2008) hingegen gut geeignet, die Breite des englischsprachigen Konzeptes aufzuzeigen. Hintergrund dieser begrifflichen Dimensionen ist ein umfassendes Verständnis von Leistungen, das schon im Zuge des OECD-Projekts "Career Guidance Policies" entwickelt wurde (Härtel 2011). Unter dem Begriff IBOBB werden sämtliche Maßnahmen zur Unterstützung von Personen jeder Altersgruppe und in jedem Lebensabschnitt bei der Wahl ihrer Ausbildung und ihres Berufs, wie auch bei ihrer Karriereplanung subsumiert. Mit Hilfe dieses umfassenden Begriffs soll, so Peter Härtel (2011), "die vielfältige, ganzheitliche und umfassende Dimension dieses Leistungsbereichs im Rahmen von Konzepten des Lebenslangen Lernens, der Beschäftigungsentwicklung und der sozialen Gemeinschaft klar positioniert werden".

 

In der folgenden deskriptiven Begriffsklärung von IBOBB werden unterschiedliche Konzepte und Settings hinsichtlich ihrer Zielsetzungen oder Methoden dargestellt (Härtel/Krötzl 2008):

Information

Information dient der Wissensvermittlung, der Wissensergänzung zum vermittelten bzw. vorhandenen Wissen (Additivum) sowie der Wissensvertiefung (Verständnis).

Beratung

Unter Beratung wird jede klärende, orientierungserleichternde, katalysatorische Vorgangsweise verstanden, bei der das Problemfeld exploriert, strukturiert (oft durch Einsatz wissenschaftlich fundierter Diagnostik), auf den Problemkern fokussiert und hinsichtlich der Ziele bzw. Zielverhaltensweisen analysiert wird. Wichtig ist hier ein ressourcenerschließendes bzw. kompensatorisches Vorgehen.

Orientierung

Orientierung wird in diesem Zusammenhang als Bezeichnung von pädagogischen Maßnahmen verwendet, die in vielfältiger, prozesshafter Weise verschiedene Methoden zur Reflexion eigener physischer, kognitiver und mentaler Voraussetzungen zur Bildungs- und Berufswahl mit Information und Überblick über Möglichkeiten der Ausbildung und des Berufszuganges verbinden. Orientierung dient zur Stärkung fokussierter Wahrnehmung entscheidungsrelevanter Daten, Fakten und Entwicklungen und deren Interpretation in Hinblick auf individuelle Lebenspläne, führt zum Denken in Alternativen und zur Fähigkeit, bewusst reflektierte Entscheidungen zur Bildungs- und Berufswahl zu treffen.

Begleitung/Förderung

Begleitung wird betrachtet als jede längerfristige, fachliche Anteilnahme an einem Entwicklungsprozess, wobei hauptsächlich durch Feedback-Methoden eine Verbesserung der Steuerungsfähigkeit des Individuums bzw. Subsystems oder Systems erreicht wird. Anwendungsfelder sind z.B. Supervision, begleitende Evaluation, Coaching etc.

Förderung ist ebenfalls eine längerfristige, fachliche Anteilnahme an einem Entwicklungsprozess, wobei es hier vor allem um die Entwicklung genau beschriebener Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten geht und die Rolle der Betreuerin/Lehrerin bzw. des Betreuers/Lehrers insbesondere die direkte Vermittlung von Kompetenzen umfasst.

Weitere Informationen

Quellen

 

  • CEDEFOP (2008): Panorama. Von der Politik zur Praxis. Ein systemischer Wandel der lebensbegleitenden Beratung in Europa. »Link
  • CEDEFOP (2004): Panorama. Strategien zur Bildungs- und Berufsberatung: Trends, Herausforderungen und Herangehensweisen in Europa. Brüsse. »Link
  • Härtel, Peter (2011): Dimensionen der Qualität in der Bildungsberatung und Berufsorientierung. In: AMS info 195. »Link
  • Härtel, Peter/Krötzl, Gerhard (2008): Information, Beratung und Orientierung für Bildung und Beruf - IBOBB. Strategien zur Bildungsberatung und Berufsorientierung als ein Kernelement der nationalen Strategie zum Lebenslangen Lernen. BMUKK.
  • OECD (2004): Career Guidance and Public Policy. Bridging the Gap. »Link
  • Rat der Europäischen Union (2004): Entwurf einer Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten über den Ausbau der Politiken, Systeme und Praktiken auf dem Gebiet der lebensbegleitenden Beratung in Europa. Brüssel.
  • Schiersmann, Christiane/Weber, Peter (Hg.) (2013): Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung. Eckpunkte und Erprobung eines integrierten Qualitätskonzepts. »Link
  • Schlögl, Peter (2010): Beraterische Intervention als funktionale Kommunikation in individuellen Entscheidungsprozessen. In: Magazin erwachsenenbildung.at, Das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs, Ausgabe 9. Wien. »Link