Online-Barcamps gestalten – wie geht das?
Die richtigen Leute richtig einladen
Ein Online-Barcamp anzulegen beginnt mit einer guten Vorbereitung. Es gibt thematisch offene Barcamps innerhalb bestimmter Berufsgruppen ebenso wie Barcamps rund um bestimmte Themen, die vermutlich häufiger vorkommen. Wichtig für ein Barcamp ist das rechtzeitige Erstellen einer geeigneten Webpräsenz ebenso wie eine gute Öffentlichkeitsarbeit einschließlich der Info und Ankündigung in Netzwerken und sozialen Medien – eine Infrastruktur mit ausreichend großen Onlineräumen kommt natürlich dazu. Barcamps können mit etwa 30 bis zu 150 Personen gut stattfinden.
Die Webpräsenz für ein Barcamp erfüllt idealerweise folgende Voraussetzungen: sie informiert über die Veranstaltung und über das Format selbst, gibt technische Hinweise für die Teilnahme und bereitet mit konkreten Barcampregeln auf die Veranstaltung vor; sie informiert über die zeitliche Struktur und über den umgesetzten Datenschutz; sie bietet eine Anmeldemöglichkeit, bei der man auch schon Session- Vorschläge einbringen kann, und sie erlaubt im Idealfall auch eine Vorstellung der TeilnehmerInnen, z.B. über ein eingebundenes Padlet. Im besten Fall werden die Session-Vorschläge übersichtlich auf der Website angezeigt und sorgen für Interesse und Orientierung bei den (potenziellen) Teilnehmenden.
Ankommen und gemeinsam Kaffee trinken
Das Barcamp selbst startet am besten so informell und kommunikativ wie das ganze Format vom Grundgedanken her aufgebaut ist. Dafür kann man die Ankommensphase einer traditionellen Tagung mit einem losen Einplaudern in Grüppchen nachempfinden. Online kann man dafür beispielsweise Speeddating in Kleingruppen (sogenannte „Breakout-Rooms") verwenden und zugleich als Veranstalter im Hauptraum für Fragen und Smalltalk im Raum zur Verfügung stehen - und nebenbei noch kleine Technikprobleme einzelner TeilnehmerInnen ausräumen.
Das erste Herzstück: Die Session-Planung
Nach einer kurzen Vorstellung des Organisationsteams mit Rollen und Zuständigkeiten und einem kurzen Tagesüberblick startet das Barcamp mit seinem ersten Herzstück, nämlich der gemeinsamen Session-Planung. Diese Phase sollte zu zweit moderiert werden, da die Visualisierung viel Aufmerksamkeit erfordert und gleichzeitig alle Eingangskanäle zu beachten sind, in diesem Fall nämlich der Chat, die verbalen Wortmeldungen und auch die Session-Anmeldungen von der Webseite.
Dabei werden Themenvorschläge gesammelt und jede/r Themenbringer/in gebeten das eigene Thema kurz vorzustellen. Es kann sich dabei um einen Input aber auch einfach um eine Frage handeln, die gemeinsam diskutiert werden soll. Hilfreich ist es, wenn klar verdeutlicht wird, ob eher ein Input oder eher eine gemeinsame Erarbeitung zu erwarten sind.
In der nächsten Phase werden die vorhandenen Themen je nach Interesse bewertet. Am besten geschieht das mit einem Tool, bei dem alle TeilnehmerInnen die Session-Vorschläge mit Punkten bewerten können - und beispielsweise insgesamt 5 Punkte für 20 Themen vergeben dürfen. Danach werden die bewerteten Session-Vorschläge in einem vorbereiteten Planungsraster eingefügt, auf dem schon die Session-Zeiten und -Räume vermerkt sind. Man beginnt bei den gefragtesten Themen. Bei der Einteilung ist jeweils darauf zu achten, dass die am häufigsten gewählten Themen nicht zugleich stattfinden, also nicht konkurrierend angeboten werden. Sobald ein erster Session-Plan steht, muss üblicherweise noch nachjustiert werden, sodass zumindest alle Themenbringer oder noch besser alle Teilnehmenden ihre Lieblings-Sessions besuchen können. Achtung: Ein Voting ist noch nicht verpflichtend für eine Teilnahme, die konkrete TeilnehmerInnen-Zahl ist nicht direkt aus den Votings abzuleiten.
Besonders nützliche Tools für Barcamps
Im Gegensatz zu einem Präsenzmeeting stehen online meist viel mehr Räume zur Verfügung. Verwendet man beispielsweise die Software Zoom, so können die parallelen Sessions in unterschiedlichen Gruppenräumen (Breakout Rooms) stattfinden, die man schon im Vorfeld als Raum 1, Raum 2, Raum 3 (oder kreativer) bezeichnet. Aktuelle Zoom-Versionen (5.3.0 und höher) erlauben es den Teilnehmenden, selbständig zwischen Gruppenräumen zu wechseln – das ist einfacher als mehrere unterschiedliche Meetingräume zu verwenden.
Im vorbereiteten Planungsraster mit Zeiten und Orten kann man auch schon für jede Session ein Protokoll-Dokument hinterlegen, beispielsweise ein Google Doc oder Etherpad oder Cryptpad, in dem die jeweiligen Session-Teilnehmenden dann ihre Notizen verfassen.
Zur Unterstützung der Planung und Themen-Einteilung eignet sich beispielsweise das Tool Mural. Hier kann man Themenvorschläge auf Karteikärtchen schieben, mit "Punkten" darüber abstimmen (und die Ergebnisse erst sichtbar schalten, wenn alle abgestimmt haben) - und bereits vorab eine Tabelle für Zeiten und Orte vorbereiten, in die man die Kärtchen dann einfach verschiebt.
Für Pausen und auch für die informelle Abendgestaltung kann man Tools wie Wonder oder Gather bereitstellen oder informelle Gespräche direkt in verschiedenen Zoom-Gruppenräumen anregen (z.B. indem man die Sessions nach Orten wie „Lounge", „Café" oder „Terrasse" benennt).
Die eigentliche Un-Konferenz: was passiert in den Sessions?
Empfehlenswert ist eine Session-Dauer von einer dreiviertel Stunde und jeweils eine Viertelstunde Pause zwischen den einzelnen Sessions. Was dort geschieht und wann genau gewechselt wird bzw. wer Ergebnisse protokolliert oder moderiert bleibt der Selbstorganisation der Teilnehmenden überlassen. Dennoch ist es empfehlenswert, für großen Gruppen Kommunikationsregeln zu vereinbaren, wie beispielsweise die Hand zu heben, bevor man zu sprechen beginnt.
TeilnehmerInnen können jederzeit aus Sessions in den Hauptraum zurückgekommen oder auch in andere Räume wechseln und sehen, wer dort schon zusammenarbeitet. Ab der Zoom-Version 5.4.6 können auch Co-Hosts den Teilnehmenden helfen, die gewünschten Räume zu betreten, falls es Probleme gibt.
Die Rolle des Organisationsteams während der Sessions
Einige Personen aus dem Organisationsteam bleiben jeweils im Hauptraum, der sich damit zur Lobby, einer Art Aufenthaltsraum, Durchgangszimmer oder Ort für Zwischenfragen entwickelt. Jeweils ca. 10 Minuten vor dem Ende einer Session sollte jemand aus dem Organisations-Team mit der Broadcasting-Funktion eine Nachricht mit der verbleibenden Zeit an alle Gruppenräume schicken.
Erfahrungsgemäß ist es zwischendurch immer wieder wesentlich, den Link zur Session-Übersicht zu teilen und Neuankömmlinge, RückkehrerInnen oder Durchreisende in ihrer Orientierung zu unterstützen.
Wenn sich sehr große Untergruppen bilden, ist eine zusätzliche Unterstützung für Themenbringer oder ModeratorInnen sinnvoll – z.B. beim Protokollieren, das ansonsten schnell überfordernd sein kann.
Abschluss – Evaluation, Vernetzung, Weiterentwicklung
Am Ende eines Barcamps (typischerweise nach ein bis zwei Tagen intensiver Diskussion) empfiehlt sich ein gemeinsamer Abschluss mit allen Teilnehmenden im Plenum. Hier ist Platz, das Barcamp noch einmal gemeinsam Revue passieren zu lassen, wichtige Erkenntnisse zu vergemeinschaften und die Teilnehmenden zu informieren, wo die Dokumentation zugänglich ist. Auch Feedback kann man hier einholen. Das letzte Zusammenkommen bietet für Teilnehmende auch die Gelegenheit zur Vernetzung und zum Austausch von Kontaktdaten untereinander.
Erfahrungen und Bewertung
Was sich in den Sessions an Kreativität und gemeinsamen Lösungen entwickelt, ist immer wieder bereichernd und manchmal geradezu verblüffend. Schwierige Dynamiken ergeben sich gelegentlich, wenn viele FragestellerInnen zu einem Thema zusammentreffen, das eine spezifische Expertise erfordert. Dies lässt sich eventuell durch gemeinsame Recherchen oder eine Neugruppierung lösen. Hier und in anderen Punkten bestehen noch Weiterentwicklungspotenziale des Formats, das sich zurzeit in einem deutlichen Aufschwung befindet und die Kultur des informellen gemeinsamen Lernens wie kaum ein anderes widerspiegelt.
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