Bedarf an digitalen Bildungsformaten bleibt auch nach Corona hoch

Nicht alle profitieren von der Digitalisierungswelle
Wie Lutz Goertz berichtet, stellte das mmb Institut bereits kurz nach dem ersten Lockdown im Rahmen einer Blitzbefragung fest, dass nicht die gesamte digitale Bildungsbranche vom Digitalisierungsschub profitiert. Unternehmen, die bereits vor der Corona-Krise auf E-Learning gesetzt haben, konnten diesen Vorsprung optimal nutzen. Bildungseinrichtungen, die früher hauptsächlich Präsenzunterricht angeboten haben, bezeichnet Goertz als Verlierer der Corona-Krise. Sie waren digital nicht gut genug aufgestellt und mussten in sehr kurzer Zeit auf E-Learning umrüsten. Als Gewinner der Corona-Krise sieht Goertz Start-Ups, die zu Beginn der Krise gefragte und innovative Lösungen für die digitale Bildung lieferten. Manche konnten wachsen und sich als Unternehmen etablieren. Wie sich der Digitalisierungsschub auf die MitarbeiterInnenzahlen von Bildungsunternehmen ausgewirkt haben, ist für Goertz noch nicht absehbar. Er geht aber davon aus, dass E-Learning-Unternehmen eher Bedarf an zusätzlichen Mitarbeitenden hatten und nicht allzu viele Angestellte entlassen mussten.
Digitale Formate gekommen um zu bleiben
Beide Experten des Online-Gesprächs gehen davon aus, dass viele der neuen digitalen Bildungsformate, die sich während der Pandemie etablieren konnten, am Bildungsmarkt bestehen bleiben werden. Als besonders zukunftsträchtig sieht Goertz aufgrund der Ergebnisse der Learning Delphi 2021 Webinare und Online-Coachings. Erwachsene Lernende haben während der Pandemie aber auch gelernt, selbstgesteuert und selbstverantwortlich zu lernen. Dementsprechend werden laut Goertz Selbstlernangebote weiterhin nachgefragt.
Für Koschorreck vom Deutschen Institut von Erwachsenenbildung (DIE) stellt sich die Frage, wie nachhaltig man die Teilnehmenden für digitale Formate gewinnen kann. Er hält es für wahrscheinlich, dass Bildungsanbieter über Blended-Learning-Angebote insgesamt mehr Leute erreichen können als über reine Online-Formate. Goertz ist ebenfalls der Meinung, dass die Lernenden sich einen Mix aus Online- und Präsenz-Lehre wünschen. Die Teilnehmenden haben die Flexibilität von E-Learning-Angeboten zu schätzen gelernt; gleichzeitig werden Präsenzveranstaltungen wie ein persönliches Kennenlernen oder Abschlusstreffen in Zukunft einen ganz besonderen Stellenwert haben. Für Goertz könnten Präsenzveranstaltungen deshalb zum neuen Premiumangebot werden.
Digitale Professionalisierung von ErwachsenenbildnerInnen weiterhin nötig
Beide Gäste des Talks sind sich einig, dass man in der Erwachsenenbildung auch weiterhin digital arbeiten wird und die Kompetenzanforderungen an die Lehrenden somit hoch bleiben. Neben didaktischer Kompetenz und Medienkompetenz wird es für ErwachsenenbildnerInnen laut Koschorreck immer wichtiger, im digitalen Raum zusammenarbeiten und mit diversen und heterogenen Gruppen umgehen zu können. Es ist allerdings nicht bekannt, welche Kompetenzen Lehrende in der Erwachsenenbildung bereits mitbringen, da sie sich häufig autodidaktisch Wissen aneignen.
Was die Haltung der ErwachsenenbildnerInnen gegenüber der Digitalisierung betrifft, sieht Koschorreck ein Spannungsfeld zwischen Skepsis und Offenheit. Das Alter der Lehrenden spielt dabei keine Rolle – es ist mehr der mediale Habitus der Einzelpersonen, der einen großen Einfluss auf die Medienkompetenzen und die eigene Kompetenzeinschätzung hat.
Was die Haltung der ErwachsenenbildnerInnen gegenüber der Digitalisierung betrifft, sieht Koschorreck ein Spannungsfeld zwischen Skepsis und Offenheit. Das Alter der Lehrenden spielt dabei keine Rolle – es ist mehr der mediale Habitus der Einzelpersonen, der einen großen Einfluss auf die Medienkompetenzen und die eigene Kompetenzeinschätzung hat.
Weitere digitale Zukunftstrends für die Erwachsenenbildung
Abgesehen vom Fortbestehen digitaler Bildungsformate rechnet Lutz Goertz damit, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Weiterbildungsbranche zunehmen wird. Besonders individualisierte Empfehlungen für Lerninhalte und -angebote (Adaptive Learning) sind laut Goertz im Kommen. Immersives Lernen über Virtual Reality wird ebenfalls häufiger genutzt werden, wenn auch nicht in allen Bereichen und Bildungseinrichtungen. Im Hinblick auf digitale Lernräume hat die Corona-Pandemie dazu geführt, dass E-Learning nicht mehr ausschließlich auf klassischen Lernplattformen stattfindet, sondern immer öfter Programme genutzt werden, die eigentlich für die Online-Kollaboration und Kommunikation gedacht sind.
Auch wenn in Zukunft mehr Personen digital lehren und lernen werden, weist Koschorreck darauf hin, dass es auch weiterhin Bereiche geben wird, in denen die Digitalität kaum eine Rolle spielen wird. Zum Beispiel können handwerkliche Kurse zwar im digitalen Raum stattfinden, jedoch nur unter sehr großem Aufwand.
KEB Bistum Limburg (2021). Digitaler Rückenwind oder digitale Ernüchterung? YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=8l-tuBXIsGY&t=603s

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