Medien und Framing: wie wir die Welt konstruieren

02.10.2023, Text: Gunter Schüßler, Redaktion/CONEDU
Die soziale Welt ist medial konstruiert. Politische Diskurse werden dabei oft gezielt gesteuert. Im Zeitalter digitaler Massenmedien bedarf es der Kritischen Medienkompetenz daher besonders.
Bunte Fensterrahmen lehnen aneinander.
Frames heben eine bestimmte Sichtweise auf ein Thema hervor. Erwachsenenbildner*innen können in der Praxis darauf Acht geben und sie ggf. konterkarieren.
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Medien sind nicht nur ein zentraler Bestandteil unserer Gesellschaft, ihr Bedeutungs- und Wirkungsgrad reicht viel tiefer: Sie konstruieren vielmehr die soziale Welt. Diese Theorie vertreten Nick Couldry und Andreas Hepp in ihrer aktuellen Publikation: Die mediale Konstruktion der Wirklichkeit. In Mediatisierungs-Prozessen werden unterschiedliche Medien nebeneinander genutzt – heutzutage trifft das etwa auf Zeitung, Fernsehen und Internet inklusive Social Media zu. Durch die Digitalisierung sind Medien in das soziale Leben verwoben und die Menschen untereinander vernetzt.

Die mediale Konstruktion der Wirklichkeit

Medien sind also konstitutiv für soziale Prozesse. Diese starke Form der Mediatisierung, die mit der Digitalisierung einsetzt, nimmt einen fundamentalen Einfluss auf soziale Dynamiken. Mittels digitaler Medien und über die Kommunikation konstruieren Menschen die soziale Welt. Einzelne Konstruktionen sind dabei oftmals gezielt politisch oder ökonomisch motiviert. Teil Kritischer Medienkompetenz ist es, solche Konstrukte zu erkennen und zu hinterfragen. Für die Erwachsenenbildung ergeben sich daraus konkrete Aufgaben.

Framing: der Deutungsrahmen, der die Bewertung enthält

Wird in einer Erzählung ein bestimmter Deutungsrahmen vorgegeben, d. h. ein Sachverhalt aus Sicht einer bestimmten Perspektive wiedergegeben, so spricht man vom Framing (engl. für Rahmung). Ob ein Glas als halb voll oder halb leer beschrieben wird, wäre so ein alltäglicher Frame. Frames sind demnach auch Konstruktionen der sozialen Welt, die gezielt eingesetzt oder unbewusst geschaffen werden.

In der politischen Kommunikation werden Frames oftmals bewusst angewandt, um etwa Diskurse in eine bestimmte Richtung zu lenken. Dieser Aspekt hat dem Politikwissenschaftler Michael Oswald zufolge durch digitale Medien an Bedeutung gewonnen: „Diskutieren Medien mit großer Reichweite Sachfragen in derselben Perspektive wie die Politik oder eine ganze Industrie, ohne dabei alternative Frames anzubieten, lässt dies wenig Raum für eine andere Perspektive auf das Thema.“

In seinem Buch „Strategisches Framing“ beschreibt der Autor unterschiedliche Varianten und Effekte des Framings sowie gezielte Gegenmaßnahmen. Eine davon ist das sog. Counter-Framing. Dabei wird ein Frame mit der Intention erzeugt, einen vorherrschenden zu untergraben. Das kann ein sog. Reframing zur Folge haben, wenn also einem Sachverhalt eine neue Bedeutung zugeschrieben wird.  

Framing und die Möglichkeiten in der Erwachsenenbildung

Frames sind nahezu unvermeidbar, da Sachverhalte individuell erfasst werden. Auch wenn Personen um einen neutralen Zugang bemüht sind, ist der Blick auf das jeweilige Thema meist beeinflusst, etwa durch das eigene Wertesystem.

Aber auch in der journalistischen Berichterstattung kommen Frames vor – hier meist bewusst. So beeinflusst die Art und Weise, wie ein Thema medial aufbereitet wird, sehr häufig das persönliche Urteil. Es macht etwa einen großen Unterschied, ob von struktureller Gewalt an Frauen oder von einem Beziehungsdrama die Rede ist, wie Edma Ajanovic im Podacst von COMMIT erklärt.

Für Erwachsenenbildner*innen bieten sich Möglichkeiten, in Bildungsangeboten für das Phänomen des Framing und für konkrete Frames zu sensibilisieren – auch außerhalb der politischen Bildung. Bevor sie über ein Thema sprechen, können sie ihren persönlichen Zugang offenlegen (Perspektiven-Deklaration). Verwendete Lernmaterialien sollten sie mit Blick auf die darin vermittelten Frames überprüfen – und wenn sie die Materialien einsetzen, explizit auf die hinterlegte Perspektive aufmerksam machen. Worauf Lehrende im Kontext von Unterrichtsmedien besonders achten sollten, zeigt ein Video zum Thema.

Am 4. Oktober 2023 diskutierten auf Einladung von erwachsenenbildung.at und bifeb im Webinar „Medienkompetenz in der digitalen Gesellschaft“ Andre Wolf (Mimikama), Walter Peissl (ÖAW/ITA) und Birgit Aschemann (CONEDU) über verantwortungsvolle Bildungsarbeit in Zeiten von Fakten, Fake und Fiktion. Die Aufzeichnung gibt es online.

Oswald, Michael (2022): Strategisches Framing. Eine Einführung. 2., überarbeitete Auflage. Wiesbaden: Springer VS. 219 Seiten, € 19,99 (eBook) oder € 28,77 (Softcover). https://doi.org/10.1007/978-3-658-36205-8.

Couldry, Nick / Hepp, Andreas (2023): Die mediale Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Mediatisierung und Datafizierung. Übersetzung: Monika Elsler. Wiesbaden: Springer VS. 319 Seiten, € 26,99 (eBook) oder € 35,97 (Softcover). https://doi.org/10.1007/978-3-658-37713-7.

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