EU-Kommission will digitale Kompetenzen besser vermittelt sehen

Nur 54 % der EU-Bevölkerung können grundlegende digitale Aufgaben ausführen, wie z. B. ihr Gerät mit einem WLAN-Netz verbinden oder Websites ansurfen. Auch im Beruf hat rund ein Drittel der Arbeitskräfte nicht die erforderlichen IT-Kenntnisse. Und statt der 20 Millionen Menschen, die in Europa 2030 im Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) beschäftigt sein sollten, um global mithalten zu können, standen 2021 nur neun Millionen Fachkräfte zur Verfügung. Insbesondere der Frauenanteil – er beträgt derzeit nur 19 % der IKT-Beschäftigten in der EU – soll deutlich angehoben werden. Auch sozioökonomische Faktoren sowie ein Migrations- oder Roma-Hintergrund wirken sich nachteilig auf die digitale Kompetenz aus und müssen in der IT-Bildung berücksichtigt werden.
Vorschlag der EU-Kommission
Die Europäische Kommission hat daher im April 2023 einen an den Europäischen Rat gerichteten Vorschlag verabschiedet, in dem „Empfehlungen für eine bessere Vermittlung digitaler Kompetenzen in der allgemeinen und beruflichen Bildung“ formuliert sind. Sie basieren auf dem Austausch der EU-Länder in einem strukturierten Dialog, der mit dem „Aktionsplan zur digitalen Bildung 2021–2027“ ins Leben gerufen wurde.
„Angesichts des fortschreitenden digitalen Wandels müssen die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung angepasst werden, sodass sie den Lernbedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer von Technologien gerecht werden, die raschen und oftmals disruptiven Veränderungen unterliegen“, heißt es in dem Vorschlag der Kommission.
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind aufgerufen, ihre Anstrengungen im Feld der digitalen Aus- und Weiterbildung zu verstärken und besser zu koordinieren. Das gilt für alle Bildungsebenen – von der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung über die formale Bildung der Primär- und Sekundärstufen bis hin zur beruflichen Aus- und Weiterbildung einschließlich der Erwachsenenbildung.
Vielfältige Probleme in der Erwachsenenbildung
„In der Erwachsenenbildung stellen sich besonders vielfältige Probleme“, hält der Kommissionsvorschlag fest: „Die meisten Mitgliedstaaten berichteten über große Schwierigkeiten bei der Verbesserung der digitalen Kompetenzen Erwachsener, die auf fehlende Finanzmittel, aber auch auf mangelnde Motivation und unzureichende Öffentlichkeitsarbeit zurückzuführen sind. […] Trotz des auf Unionsebene festgelegten Kernziels von 60 % ist die Beteiligung Erwachsener an Bildungsmaßnahmen, darunter auch im Bereich der digitalen Kompetenzen, in den meisten Mitgliedstaaten nach wie vor begrenzt.“
Als besondere Herausforderungen hebt das Dokument zwei Punkte hervor: zum einen den Mangel an ausgebildeten Fachlehrkräften und zum anderen eine fragmentierte Landschaft an Weiterbildungsmöglichkeiten. Fachlehrkräfte für die Vermittlung von digitalen Kompetenzen sind schwer zu finden und verdienen in der Privatwirtschaft besser als im öffentlichen oder Non-Profit-Sektor. Die national bestehenden Programme zur Erhöhung der IT-Kompetenzen bauen oft nicht aufeinander auf und lassen eine ganzheitliche Sichtweise weitgehend vermissen.
Dementsprechend definiert die EU-Kommission in ihrem Vorschlag als eines der ersten Ziele die „Förderung eines hochwertigen, inklusiven und kohärenten Ansatzes für die Entwicklung digitaler Kompetenzen auf allen Stufen der allgemeinen und beruflichen Bildung mit Unterstützung aller Bereiche der Gesellschaft und Wirtschaft“. Ferner wird die „Unterstützung der Vermittlung digitaler Kompetenzen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie der Erwachsenenbildung“ ausdrücklich als Ziel genannt. Der Vorschlag der Kommission versteht sich als Ergänzung zu bestehenden Programmen auf EU-Ebene.
„Hochrangige Gruppe“ soll Instrumente für Weiterentwicklung der digitalen Bildung erarbeiten
Um die europäischen Bemühungen zu bündeln und somit in ihrer Wirkkraft zu stärken, will die Kommission eine „hochrangige Gruppe für digitale Bildung und digitale Kompetenzen“ einsetzen. Sie soll dem bisherigen strukturierten Dialog unter den EU-Ländern einen formalen Rahmen geben. „In dieser Gruppe würde Fachwissen aus dem Bildungswesen und der digitalen Welt zusammengeführt und für die Entwicklung von Leitlinien oder anderen Instrumenten herangezogen, mit denen die Weiterentwicklung der digitalen Bildung erleichtert wird.“
Der Vorschlag der EU-Kommission wurde am 18. April 2023 verabschiedet. Am 4. September wurde er im Education Committee in Brüssel vorgelegt und diskutiert. Als nächster Schritt werden die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder im Europäischen Rat über den Vorschlag der Kommission beraten und abstimmen.

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