Publikation: Kompetenzverschiebungen im Digitalisierungsprozess

Die beiden untersuchten Branchen haben viel gemeinsam, unterscheiden sich aber in ihren Zielen – während es im Einzelhandel primär um die Zufriedenheit der KundInnen geht, zielt die Logistik auf das Funktionieren komplexer technischer und organisatorischer Systeme ab.
Betriebliche Weiterbildungen fokussieren auf Technik
In den Fallstudien zeigte sich, dass betriebliche Weiterbildungen in der Praxis häufig sehr anwendungsorientiert gestaltet sind – beispielsweise in Form von technischen Schulungen zur Bedienung von Software oder Geräten. Für Betriebe ist oft wichtig, die Beschäftigten relativ kurzfristig für den Umgang mit digitalen Neuerungen fit zu machen. Dabei spielen auch die Einweisung durch KollegInnen sowie das eigenständige Lernen eine große Rolle.
Der Blick aufs Ganze fehlt meistens
In Weiterbildungen für Beschäftigte fehlen die nicht-technischen Aspekte der Arbeit – wie etwa die veränderten Kommunikationsformen in einer digitalisierten Welt. Auch digitale Grundkompetenzen werden meist nicht thematisiert – viele Betriebe gehen davon aus, dass MitarbeiterInnen diese schon mitbringen. Tatsächlich ist das nicht immer der Fall.
Die AutorInnen empfehlen in betrieblichen Weiterbildungen einen systematischen Blick auf betriebliche Gesamtprozesse. Nur so entwickeln MitarbeiterInnen ein Bild davon, wie Digitalisierung wirkt und welche Konsequenzen das für die Arbeitsorganisation hat.
Welche Kompetenzen es in Betrieben braucht
Kompetentes Handeln in digitalen Arbeitsumgebungen zeigt sich den AutorInnen zufolge in einer Improvisations- und Entscheidungsfähigkeit, die zum einen auf Erfahrung und zum anderen auf Fachwissen basiert. Wer diese Voraussetzungen mitbringt, weiß, wie Geräte, Systeme und Prozesse funktionieren und zusammenhängen, habt ein Gespür für eine Maschine entwickelt und kann auf Basis der eigenen Erfahrung abschätzen, wann ein Eingreifen in einen Prozess nötig ist und mit welchen Folgen. Kompetente MitarbeiterInnen können also ihre Arbeit auf reflektierte und kreative Weise gestalten.
Kompetenzprofil soll Orientierung für betriebliche Weiterbildung bieten
Auf Basis dieser Kompetenzanforderungen stellen die AutorInnen ein Kompetenzprofil vor, das Orientierung für die Entwicklung betrieblicher Weiterbildungsprogramme bietet. Bildungsangebote im Betrieb sollen demnach über reine Anpassungsqualifizierungen hinaus gehen. Bei der Gestaltung von Weiterbildungen soll das Erfahrungswissen der Beschäftigten bezüglich ihrer Arbeit einbezogen werden.
Welche Themen und Inhalte sind vor dem Hintergrund der digitalen Transformation besonders wichtig? Dazu zählen neben technischem Fachwissen vor allem digitale Basiskompetenzen wie der souveräne Umgang mit digitalen Endgeräten und Anwendungen, ein tiefgreifendes Verständnis und ein reflexiver Zugang zur Technik, digitale Kommunikation und Kooperation, Rollenverschiebungen und Werthaltungen sowie Erfahrungs- und Improvisationsfähigkeit in digital geprägten Umgebungen.
Weiterbildung muss sich den AutorInnen zufolge kurzfristig an dynamische Verhältnisse (z.B. neue Software- oder Hardwareprodukte) anpassen können. Zusätzlich braucht es systematisches Wissen als langfristige Investition und eine Unternehmenskultur, die ihre MitarbeiterInnen als zentrale Größe für den Unternehmenserfolg versteht.
Susanne Umbach, Erik Haberzeth, Hanna Böving, Elise Glaß: Kompetenzverschiebungen im Digitalisierungsprozess. Veränderungen für Arbeit und Weiterbildung aus Sicht der Beschäftigten. wbv Media GmbH & Co KG, Bielefeld. 212 Seiten, ISBN: 978-3-7639-5827-6. Paperback € 49,90, E-Book kostenlos.

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