Erwachsenenbildung und Klimaschutz: Mit Abwehrmechanismen umgehen

27.07.2023, Text: Alexandra Müller, Nachhaltigkeitsberaterin; Andrea Widmann, Initiative "Klimaschutz in der Erwachsenenbildung", Redaktion: Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
Was sind typische Abwehrreaktionen, wenn es um Klimawandel und Klimaschutz geht? Wie kann Erwachsenenbildung dieser Abwehr begegnen?
Was ist für Trainer:innen noch möglich, wenn Kursteilnehmende die Klimakrise ignorieren oder banalisieren?
Grafik: Pixabay Lizenz, Mohamed_hassan, https://pixabay.com
In einem Treffen der Ich tu`s Bildungspartner:innen zu Klimaschutz in der Erwachsenenbildung haben sich die Teilnehmenden diesen Fragen gewidmet. Sie haben sich mit den Herausforderungen für Erwachsenenbildner:innen beschäftigt und gemeinsam nach Lösungsansätzen gesucht. Dazu hat die Nachhaltigkeitsberaterin Alexandra Müller Tipps aus der Klimapsychologie eingebracht.

Im Folgenden werden Erkenntnisse aus dem Treffen geteilt: typische Abwehrmechanismen werden aus psychologischer Sicht beleuchtet und lösungsorientierte Handlungsansätze angeboten, um die Abwehr zu überwinden.

Wieso es zu Abwehrreaktionen kommt

Trainer:innen berichten davon, dass sich Teilnehmende im Zusammenhang mit dem Klimawandel oft als hilflos erleben – entweder weil sie schon sehr viel Klimaschutz betreiben und das Gefühl haben, "es geht nicht genug weiter" oder weil die „Größe der Aufgabe“ überfordert. Auf Überforderung oder Hilflosigkeit reagieren Teilnehmende auch mit Abwehrphänomenen.

Abwehrreaktion 1: Distanzieren, um die Krise auszuhalten

Eine Abwehrreaktion zeigt sich, indem Personen eine zeitliche Distanz zwischen die Folgen des Klimawandels und die eigene Situation bringen ("Wer weiß schon, was 2050 sein wird?"). Außerdem distanzieren sich Personen auch geografisch mit Aussagen wie "Der Klimawandel trifft eher den globalen Süden, in Österreich wirkt sich das nicht so aus." Eingesetzt wird ebenso soziale Distanz ("Klimawandel wird sich auf die ärmere Bevölkerung auswirken") oder die hypothetische Distanz ("Wer weiß, ob das alles so eintreffen wird, wie die Wissenschaft glaubt?").

Durch Abstraktion versuchen die Menschen, Ohnmachtsgefühle abzuwehren.

Abwehrreaktion 2: Wer sich selbst nicht als Klimaschützer:in sieht, muss auch nicht handeln

Jede Person möchte grundsätzlich im Einklang mit ihren Werten und Wünschen leben. Wenn es hierbei zu Herausforderungen kommt, ändern Personen ggf. ihre Einstellung zu einem Thema, um die Diskrepanz zwischen gewünschtem und tatsächlichem Verhalten zu reduzieren: "Ich schaffe es nicht, so zu leben, dass ich das Klima ausreichend schütze, deshalb sehe ich mich selbst nicht mehr als Klimaschützerin." Durch die Änderung der Einstellung verringern die Personen zwar ihr Spannungsgefühl, das tatsächliche Problem bleibt aber vorhanden und Ohnmachtsgefühle werden nicht gänzlich aufgelöst.

Abwehrreaktion 3: Weniger negative Gefühle durch Ignorieren

Um sich Gefühlen wie Hilflosigkeit zu entziehen, vermeiden Betroffene Nachrichten als auch Diskussionen zum Thema. Typische Beispielsätze dafür sind "Ich denke nicht darüber nach." oder "Ich beschäftige mich nicht (mehr) mit dem Klimawandel.".

Abwehrreaktion 4: Banalisieren macht die Klimakrise klein

Dabei haben die Betroffenen das Problem durch den Klimawandel erkannt und reagieren als Schutzmechanismus mit Banalisieren des Themas. Sie stellen Informationen als übertrieben dar und sehen die Vermittler:innen als "panisch" bis "hysterisch" an. Übliche Aussagen in diesem Zusammenhang sind: "So schlimm ist das mit der Abholzung auch wieder nicht. Dann haben wir durch die steigende Temperatur eben ein paar Sommertage mehr."

Abwehrreaktion 5: Gewissen beruhigen

Um Handlungen zu kompensieren, die nicht mit dem eigenen Wertebild in Einklang stehen, setzen Personen eine andere Handlung, die den eigenen Werten wieder entspricht. Diese steht oftmals in keiner Relation zu den Auswirkungen der ersten Tätigkeit, sondern dient dazu, die innere Anspannung dieses Wertekonflikts auszugleichen. Beispiel: "Ich gönne mir eine Flugreise, dafür fahre ich ein paar Mal öfter mit dem Rad." Durch die Kompensationshandlung wird das Gewissen beruhigt, das Verhältnis zwischen Aktivität und Auswirkung wird ausgeblendet.

Wie Trainer:innen den Abwehrhaltungen begegnen können

Wie können Erwachsenenbildner:innen auf Abwehr reagieren und Teilnehmende ermutigen, einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten? Der Leitgedanke ist, die Selbstermächtigung der Teilnehmenden zu stärken und sie damit aus Gefühlen wie Hilflosigkeit und Überforderung "heraus zu begleiten". Das gelingt durch:

  • Handlungs- und Effektivitätswissen: Menschen brauchen die Möglichkeit, effektiv zu sein – daher ist es notwendig, nicht nur die Probleme aufzuzeigen, sondern Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten, die faktisch zielführend sind und den Personen individuell sinnvoll erscheinen.
  • Relevanz für Teilnehmende herstellen: Dabei geht es darum, greifbare Beispiele anzuführen und an den Erfahrungen und Lebenswelten der Personen anzusetzen. Relevanz wird auch durch Nutzen hergestellt (z.B. der Orientierung an Sinn oder finanzieller Ersparnis).
  • An den Werten der Teilnehmenden anknüpfen: Wenn z.B. "Familienorientierung" ein hoher Wert ist, können Trainer:innen bearbeiten, wie Klimawandel und der Wert “Familienorientierung” zusammenhängen. Damit kann die individuelle Motivation, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, gefördert werden.
  • Vorwürfe vermeiden: Denn Vorwürfe können zu Widerstand führen, sich überhaupt mit dem Thema beschäftigen zu wollen. Besser ist es, die Einflussmöglichkeiten jeder Person in den Fokus zu rücken und Stärken und Fähigkeiten der Teilnehmenden im Kontext des Klimaschutzes auszuloten.
  • Sich immer wieder daran erinnern, dass Personen unterschiedliche Zugänge haben: Dementsprechend fühlen sich die Teilnehmenden von bestimmten Maßnahmen besonders angesprochen, von manchen weniger. Es hilft, alle Zugänge zu stärken, damit die Person das finden können, was am meisten zu ihrer Selbstwirksamkeit beiträgt.
  • Wertschätzen, was bereits gelungen ist: Der Fokus auf Erfolgserlebnisse in der Vergangenheit richtet den Blick auf Selbstwirksamkeit und ermutigt dazu,
  • Soziale Verbundenheit nutzen: Diese ist ein Grundbedürfnis und hilft dabei, sich Themen wie dem Klimaschutz anzunehmen. Verbundenheit stärkt das Selbstwirksamkeitserleben.

 

Über die Autorinnen

Alexandra Müller bietet als Nachhaltigkeits- und Umweltmanagementberaterin u.a. Workshops zur Klimaschutz-Bewusstseinsbildung an. Als Teilnehmerin im Projekt Klimaschutz in Training und Beratung wird sie bei der Klimaschutzgala 2023 des Landes Steiermark als Ich tu´s Bildungspartnerin ausgezeichnet.

Andrea Widmann koordiniert das Projekt Klimaschutz in Training und Beratung gemeinsam mit Ecoversum. Das Projekt wurde 2021 mit einem nationalen Bildungsaward ausgezeichnet.

 

Serie und Dossier zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit

Hochwasser, Waldbrände, Hungersnot – Expert*innen der Klimaforschung warnen vor den Folgen extremer Wettereignisse durch den Klimawandel. Verschiedene politische Strategien wie etwa der UN-Aktionsplan Agenda 2030 versuchen, dieser Herausforderung zu begegnen. Dabei sehen sie auch Bildungsinstitutionen gefordert, Aufklärungsarbeit zu leisten, Diskurse zu ermöglichen und "grüne" Kompetenzen zu fördern. Wo setzt hier die Erwachsenenbildung an? In der Serie "Klima- und Umweltschutzbildung" versammeln wir Beiträge, die sich dieser Frage widmen und Antworten geben. 

Was können wir in der Erwachsenenbildung in unserem eigenen Wirkungsbereich noch für den Klimaschutz tun? Tipps und Hintergründe rund um Klimaschutz in der Erwachsenenbildung – unter dem Dach der Nachhaltigkeitsperspektive – finden Sie in unserem Dossier "Klimaschutz und Nachhaltigkeit in der Erwachsenenbildung"!

Weitere Informationen:

 

Creative Commons License Dieser Text ist unter CC BY 4.0 International lizenziert.

Verwandte Artikel