Das Jahr 2050: Zu wenig Green Skills in einem überholten Europa?

15.04.2024, Text: Antonia Unterholzer, Redaktion/CONEDU
Wissenschaftler*innen skizzieren vier mögliche Zukunftsszenarien für Europa und leiten daraus Vorschläge ab, die auch die Erwachsenenbildung betreffen.
Weltkugel in zwei Händen. Die  Hände tragen Arbeitshandschuhe.
Grüner Wandel benötigt Berufsbildung.
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Wissenschaftler*innen aus Europa erarbeiteten im Rahmen einer Arbeitsgruppe für die Europäische Kommission eine strategische Vorausschau zur Zukunft ökologisch-nachhaltiger Kompetenzen und Berufe. Diese Kompetenzen sind unter dem Begriff „Green Skills“ bekannt, welcher eine Reihe von Kompetenzen subsumiert, die den Prozess eines nachhaltigen Wandels unterstützen sollen.

Anhand von vier Kerndimensionen entwickelt die Arbeitsgruppe Prognosen, wie Europa in 30 Jahren aussehen könnte. Dabei fragt sie nach der wirtschaftlichen Stellung der Europäischen Union, nach ergriffenen bzw. nicht ergriffenen regulatorischen Maßnahmen, den Zustand der ökologischen Umwelt sowie nach Angebot und Nachfrage an grünen Jobs und Kompetenzen. 

Szenario 1 für das Jahr 2050: Hohe Nachfrage an Green Skills bei hohem Fachkräftemangel im Bereich Green Skills

Im ersten Szenario ist die Europäische Union weltweit führend bei grünen Technologien. Politische Maßnahmen und gesellschaftliche Veränderungen von Lebensstilen und Werten haben den Klimawandel weitgehend eingedämmt. Am Arbeitsmarkt besteht eine hohe Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften mit sogenannte Green Skills. Aufgrund des demografischen Wandels gibt es jedoch zu wenig Menschen im erwerbsfähigen Alter, um diese Nachfrage zu decken, so die Arbeitsgruppe.

Szenario 2: Hohe soziale Ungleichheit in einer zerstörten Umwelt

Im zweiten Szenario malen die Wissenschaftler*innen ein Bild einer zerstörten Umwelt und einer polarisierten Gesellschaft. Die europäische Politik hat keine Maßnahmen gegen den Klimawandel ergriffen. Entscheidungsträger*innen haben kaum Gesetze erlassen, die zur Eindämmung der Klimakrise führen hätten können. Naturkatastrophen sind ein fester Bestandteil des globalen Klimas geworden. Die Entwicklung grüner Technologien haben vor allem private Unternehmen in die Hand genommen. Diese entwickelten sich zu weltweiten Konzernen mit einer Monopolstellung und hohen Exportraten. Aufgrund versäumter politischer Handlungsschritte führte dies gleichzeitig zu einer hohen sozioökonomischen Ungleichheit in der Bevölkerung. In diesem Szenario etablierte sich Europa zwar als globale Vorreiterin im Bereich von grünen Technologien, aber qualifizierte und kompetente Arbeitskräfte finden aufgrund geringer Nachfrage keine Beschäftigung.

Szenario 3: Zurückgelassene Arbeitskräfte in einer nicht-grünen Welt

Auch die Zukunft des dritten Szenarios wird von einer langfristigen ökologischen Krise dominiert, so die Wissenschaftler*innen. Die Europäische Union liegt im internationalen Vergleich im unteren Feld in der Entwicklung von grünen Technologien. Ähnlich wie im vorangegangenen Szenario haben Unternehmen keinen Bedarf an grünen Arbeitskräften, obwohl die Bevölkerung ein hohes Maß an grünen Qualifikationen aufweist. 

Szenario 4: Hoher Fachkräftemangel für Green Skills im überholten Europa

Im vierten Szenario dämmen Nationalstaaten auf globaler Ebene die Klimakrise weitgehend ein. Die Europäische Union hinkt in diesem Kontext aber hinterher und muss die Entwicklung grüner Technologien nachholen. Dafür benötigt sie Arbeitskräfte mit hohen grünen Kompetenzen. Laut der Arbeitsgruppe sind qualifizierte und kompetente Fachkräfte in diesem Szenario nicht vorhanden, da politische Entscheidungsträger*innen keine Veränderung im (Aus-)Bildungswesen durchführten.

Arbeitsgruppe empfiehlt die Verankerung von Green Skills in Lehrplänen für alle Berufssparten

Aus den vier Zukunftsszenarien leitet die Arbeitsgruppe Empfehlungen an die Politik ab. Laut den Wissenschaftler*innen läuft die europäische Politik Gefahr, dass sie die Berufsbildung als Treiber*in des grünen Wandels ausblendet. Hochqualifizierte Arbeitskräfte, wie beispielsweise in der Forschung, stünden zu stark im Fokus. Der Weg aus der Klimakrise könne nur gemeistert werden, wenn Politiker*innen grüne Kompetenzen in allen Berufssparten und Lehrplänen verankern. Denn ein grünes Europa benötige nicht nur nachhaltige Innovationen, sondern eine ökologische Umwandlung der Infrastruktur, die von Arbeitskräften aus allen Einkommensklassen mitgetragen werden müsse. Wenn die europäische Politik diesen Umstand nicht beachtet, könne in Zukunft ein breitflächiger Fachkräftemangel im Bereich der Green Skills herrschen. 

Grüne Berufsbildung in den Fokus rücken

Die Wissenschaftler*innen empfehlen daher einen Umbau des (Aus-)Bildungssystems, in welchem Green Skills und nachhaltige Qualifikationen im Vordergrund stehen. Bildungsangebote sollen verstärkt Kenntnisse in den Bereichen der bzw. des erneuerbaren Energien, Energieeffizienz, nachhaltigen Landwirtschaft, umweltfreundlichen Verkehrs sowie Abfallwirtschaft und nachhaltigen Gebäudetechnik vermitteln. Die Stärkung einer grünen Berufsbildung solle ein fester Bestandteil der europäischen Politik werden, um den Übergang in ein grünes Europa zu gewährleisten.

Inklusion als Antwort auf demografischen Wandel

Die Wissenschaftler*innen betonen, dass in Zukunft ein Großteil der Bevölkerung aufgrund des hohen Alters keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könnte. So bestehe die Gefahr eines zukünftigen Fachkräftemangels. Aufgrund des demografischen Wandels müsse die Basis für grüne Qualifikationen und Arbeitsplätze ausgeweitet werden. Die Arbeitsgruppe empfiehlt daher, Diversität und Inklusion speziell zu adressieren. Die Politik müsse Maßnahmen ergreifen, um Arbeitsplätze in ökologischer Forschung und in grünen Berufen zu schaffen. Dafür bräuchte es sowohl an Universitäten als auch in der Berufsbildung inklusive Ansätze und Lösungen. Wie diese aussehen könnten, lassen die Wissenschaftler*innen offen. 

Weitere Informationen:
Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

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