Wie grün und nachhaltig ist Erwachsenenbildung?
Vielfältige Bildungspraxis
Eines der zahlreichen Beispiele im Magazin ist das Projekt SCLASS. Es hat sich damit beschäftigt, wie gemeinsames Lernen über Nachhaltigkeit in Online-Kursräumen über Ländergrenzen hinweg funktionieren kann. Die Diversität in der Lerngruppe war dabei eine anregende, wenn auch konfliktträchtige Grundlage der Reflexion über Geschlechtergerechtigkeit, Zugang zu hochwertiger Bildung oder Armut. Das beschreiben die Erwachsenenbildner*innen Daniela Neudorfer und Marlies Auer in ihrem Artikel "Nachhaltigkeit im virtuellen Klassenzimmer".
Der Beitrag von Petra Hauke (Humboldt-Universität zu Berlin) zeigt, dass auch Bibliotheken längst nachhaltig aktiv sind und nennt Beispiele wie Urban-Gardening-Projekte, Food-Saver-Aktionen, Repair-Cafés, Saatgut-Bibliotheken und Ideen-Cafés zu Nachhaltigkeitsthemen. Hauke stellt heraus, dass immer mehr Bibliotheken ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit berücksichtigen.
Auch Bildungs- und Berufsberatung wird zunehmend "grün", das demonstriert der Beitrag einer Autor*innengruppe rund um Wolfgang Bliem (Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft). Das Projekt "Green Jobs for YOU" setzt sich zum Ziel, junge Menschen an "grüne Berufe" heranzuführen. Darüber hinaus gibt es bereits einen Zehn-Schritte-Plan zu Green Guidance (PDF), der einschlägige Weiterbildung der Berater*innen, verstärkte Vernetzung mit vulnerablen Zielgruppen sowie CO2-neutrales Pendeln zu den Beratungsstandorten vorsieht.
Nachhaltige Zukunft bleibt Einzelnen überlassen
Neben vielseitigen Entwicklungen in der Praxis gibt es auch Kritik an den bestehenden Ansätzen. Ein zentraler Kritikpunkt betrifft das Nachhaltigkeitsverständnis, das Konzepten wie der Agenda 2030 (PDF) zugrunde liegt: Oft bleibe Nachhaltigkeit auf individuelle Konsumentscheidungen beschränkt, so die Bildungswissenschaftlerinnen Simone Müller und Maria Stimm.
Die Erwachsenenbildung für nachhaltige Entwicklung betone individuelle Kompetenzentwicklung als Lösung für sozio-ökologische Krisen. Dadurch beschränke sich das Handeln auf das Kleine und Private. Die Autorinnen plädieren dafür, die gegenwärtigen Konzepte mit alternativen Perspektiven – etwa ökofeministischen Ansätzen – zu verbinden.
Wer zahlt?
Eine Herausforderung ist auch die Finanzierung von Bildungsangeboten für Nachhaltigkeit. Oft werden solche Angebote nur dann nachgefragt, wenn sie kostenlos sind, ist im Beitrag des Bildungswissenschaftlers Michael Nagel zu lesen. Es gebe zwar einen Bedarf an Bildung dazu, viele Menschen seien aber nicht bereit, Geld zu bezahlen, um mehr über die Klimakrise zu lernen. Dies liege zum Teil daran, dass es bereits eine Vielzahl kostenloser Angebote gibt. Kooperationen mit Drittanbietern könnten eine Möglichkeit sein, dem Bedarf dennoch gerecht zu werden, und so die Finanzierung zu stemmen.
Derart zeigt Nagel auf, wie sich Programmplanung auch hier im Spannungsfeld zwischen Organisationszielen, gesellschaftlichen Bedarfen und Bedürfnissen der Adressat*innen bzw. Teilnehmer*innen von Erwachsenenbildung bewegt.
Ausgabe 49 "Erwachsenenbildung für nachhaltige Entwicklung. Kritischer Diskurs und gelebte Praxis" des Magazin erwachsenenbildung.at gibt es kostenfrei online und auch im Buchhandel als Druckausgabe (Kosten: zwischen 15,60 und 17,00 Euro). Herausgeber bzw. Herausgeberin sind Franz Rauch (Alpen-Adria-Universität Klagenfurt) und Julia Schindler (Leopold-Franzens-Universität Innsbruck).
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