Das war die EPALE und Erasmus+ Konferenz 2023 zum Thema Medienkompetenz
Die EPALE und Erasmus+ Konferenz 2023 unter dem Titel „Fakt oder Fiktion? Vermittlung kritischer Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung“ beschäftigte sich im diesjährigen European Year of Skills mit den aktuellen Herausforderungen, vor denen Erwachsenenbildende im Kontext von Filterblasen, Hasspostings und KI stehen. Am 14. Juni fanden in der Urania Wien im Rahmen der Konferenz zwei Keynotes über kritische Medienkompetenz und Ideen- und Networkingpools statt, in denen es um europäische Projekte zu diesem Thema ging.
Medienkritik als Ziel der Erwachsenenbildung
Über den Wert von Kritik und Medienkritik als Ziel von Erwachsenenbildung sprach Matthias Rohs (Rheinland-Pfälzische Technische Universität) in seiner Keynote. Die Auseinandersetzung mit berechtigter Kritik und das Hinterfragen von Annahmen und Ideen könne Menschen einen Erkenntnisgewinn, die Entwicklung ihrer Persönlichkeit und das Überwinden von Vorurteilen ermöglichen. Das Hinterfragen sozialer, politischer und wirtschaftlicher Strukturen könne außerdem auch gesamtgesellschaftliche Zustände verbessern. Die Förderung solcher Medienkompetenzen würde nicht nur von außen als Auftrag an Erwachsenenbildungseinrichtungen herangetragen werden (Schmidt-Hertha 2020), sondern wäre auch im Selbstanspruch von Volkshochschule (DVV 2019, VHS LV RLP 2016) verankert.
Rohs nannte auch die verschiedenen Perspektiven auf Medienkritik. So könne Medienkritik etwa als ablehnende oder kritisch-wissenschaftliche Kritik an Digitalisierung verstanden oder für die Abwägung ihrer Chancen und Risiken genutzt werden. Zu den Kompetenzen, die Erwachsenenbildungseinrichtungen Lernenden vermitteln können, würden u.a. die Fähigkeit zur Reflexion (z.B. die distanzierte Beurteilung der eigenen Stellung zu Medien und Digitalität), zur Decodierung (z.B. das Verstehen von Symbolen wie Emojis und das Deuten von Bildern wie Memes) und zur Analyse (z.B. Medieninhalte und -formate unterscheiden und Zusammenhänge erkennen) zählen (Ganguin 2003).
Mediengestaltung oft stärker im Vordergrund als Medienkritik
Rohs gab zu bedenken, dass bei der Vermittlung von Medienkompetenz statt der kritisch-reflexiven Dimension oft die qualifikatorisch-instrumentelle Dimension, d.h. das Erlernen der Bedienung von Programmen, im Vordergrund stünde. „Die Rolle der Erwachsenenbildung erschöpft sich nicht darin, Kompetenzen zum Umgang mit den Anforderungen der Digitalität zu vermitteln, sondern die breite Gesellschaft zur Gestaltung ihrer Zukunft zu befähigen“, fasst der Vortragende zusammen.
Schließlich stellte Rohs den Europäischen Konferenzrahmen für digitale Kompetenzen DigComp 2.0 vor und zeigte anhand Statistiken aus Deutschland, dass in den Angeboten von Volkshochschulen zur Digitalisierung Medienkritik nur selten thematisiert wurde und Angebote zur Medienkunde und Mediengestaltung im Vordergrund standen. Der Vortragende sprach sich daher dafür aus, das Thema Medienkritik in Zukunft nicht nur in einzelnen Veranstaltungen zu behandeln, sondern als Querschnittsthema breit in der gesamten Erwachsenenbildung zu verankern.
Vom Konzept in die Praxis
Die zweite Keynote des Tages „Kritische Medienkompetenz –von Konzepten zur Praxis“ hielt Helmut Peissl (Verein COMMIT – Community Medien Institut für Weiterbildung Forschung und Beratung). Anfangs beschäftigte sich diese mit der Mediatisierung und ihren Widersprüchen. Dabei stünden sich u.a. gleichzeitig Information und Desinformation sowie eine größere Vernetztheit und zunehmende Vereinzelung der Menschen gegenüber (Krainer 2016). Zur Vermittlung von Medienkompetenz brauche es eine Handlungsorientierte Medienpädagogik (Baacke 1997), die Menschen dazu befähigt, Medien zur selbstbestimmten Auseinandersetzung mit bzw. zur Gestaltung ihrer Lebenswelt zu nutzen.
Peissl gab auch Literaturanregungen für Interessierte, die mehr über den Medienwandel erfahren möchten. U.a. verwies er auf Bernhard Pörksens „Die große Gereiztheit. Wege aus der kollektiven Erregung“ und Virginia Eubanks‘ „Automating Inequality. How High-Tech Tools Profile, Police, and Punish the Poor“.
Kritische Medienkompetenz muss Aspekte von Benachteiligung berücksichtigen
„Unsere Wahrnehmung von Wirklichkeit ist heute von vielfältigen Medien geprägt und Medienverhältnisse sind immer auch Machtverhältnisse. Kritische Medienkompetenz wird damit zu einer zentralen Voraussetzung für gesellschaftliche und politische Teilnahme“, so Peissl. Medienkompetenz-Konzepte müssten sich daher auch mit zentralen Aspekten der Benachteiligung (Class, Race, Gender) beschäftigen (Kellner, Share 2019) und kritische Perspektiven wie die Sprache der Medien, Repräsentation, Produktion und Publikum berücksichtigen (Buckingham 2019).
In diesem Zusammenhang stellte Peissl auch das UNESCO Media and Information Literacy (MIL) Curriculum vor, das 2021 unter dem Titel „Think critically, Click Wisely“ veröffentlicht wurde. Dieses enthält in 14 Modulen Informationen, pädagogische Zugänge zu einzelnen Themenschwerpunkten und Methoden für Lehrende, die eine niederschwellige Vermittlung von Medienkompetenzen ermöglichen sollen. Das aktuell auf Englisch im Open Access verfügbare Curriculum soll in Zukunft auch auf Deutsch erscheinen.
Abschließend ging der Vortragende noch auf Community Medien als Lernorte ein, die mit spezifischen Angeboten zur kritischen Medienkompetenz auch marginalisierte Personengruppen erreichen könnten. Die Zusammenarbeit von Community Medien und Erwachsenenbildungsanbietenden sowie europäische Partnerschaftsprojekte hob Peissl als gute Möglichkeiten hervor, mit denen Einrichtungen voneinander Lernen und andere Perspektiven kennenlernen könnten.
Konferenzmaterialien online nachlesen
EPALE Österreich stellt die Präsentationen der beiden Keynotes sowie aller Ideen- und Networkingpools, die sich verschiedenen Projekten und Themen widmeten, kostenlos online zur Verfügung. Interessierte finden die Unterlagen und weitere Informationen im Rückblick auf die EPALE und Erasmus+ Konferenz 2023.
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