Die Erwachsenenbildung hat eine besondere Rolle in der Flüchtlingsfrage

12.10.2016, Text: Christine Bärnthaler, Redaktion/CONEDU
Bericht zur Jahrestagung der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs über "Flucht, Migration und Bildung" am 28. September in Wien. (Serie: Erwachsenenbildung in der Migrationsgesellschaft)
Gut besuchte KEBÖ-Tagung zum Thema "Flucht, Migration und Bildung"
Bild: (C) BKA/Christopher Dunker
Die gut besuchte KEBÖ Jahrestagung vergangenen September war geprägt von zwei fundierten Fachvorträgen, einem World Cafe sowie künstlerischen und kulinarischen Besonderheiten von Geflüchteten und ImmigrantInnen. Im Rahmen der Tagung an der Wiener Urania übergab VÖV-Generalsekretär Gerhard Bisovsky in der Gegenwart von Bildungsministerin Sonja Hammerschmid turnusmäßig den KEBÖ Vorsitz mit einer symbolischen "Staffel" an Alice Fleischer vom Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Österreich.

Erwachsenenbildung fördert Integration und sozialen Zusammenhalt
In seinem Einleitungsstatement konstatierte der noch KEBÖ-Vorsitzende Bisovsky, dass sich die Erwachsenenbildung immer schon um die gesellschaftliche Integration von MigrantInnen bemüht habe. Vor dem Hintergrund der humanitären Katastrophen in den Kriegsgebieten und den daraus resultierenden Flüchtlingswellen wurde dieses Engagement noch intensiviert, berichtete er. "Allein im vergangenen Jahr konnten mehr als 94.000 Teilnahmen in Maßnahmen für Flüchtlinge und MigrantInnen verzeichnet werden".

Gudrun Biffl: Kreative Lösungen in den Bereichen Bildung und Beschäftigung sind gefragt
Migrationsforscherin Gudrun Biffl von der Donauuniversität Krems betonte in ihrem Statement, dass der regionalen Bildungsarbeit eine besondere Bedeutung bei der Integration zukomme.Hinsichtlich des Erwerbs gäbe für Flüchtlinge derzeit zwar zahlreiche alternative Erwerbsmöglichkeiten, die allerdings kaum Perspektiven für eine nachhaltige Berufstätigkeit eröffneten.

Da in der Arbeitsmarktintegration der Schlüssel zur Selbstentfaltung und eigenständigen Absicherung der Flüchtlinge liege, seien laut Biffl kreative Lösungen in der Kombination aus erwerbsnaher Aus- und Weiterbildung, gekoppelt mit demokratiepolitischer Bildung und Beschäftigung, insbesondere auch selbständiger Erwerbstätigkeit, gefragt.

"Kulturelle Unterschiede ebenso wie höchst unterschiedliche Bildungs- und Qualifikationsprofile erfordern eigene Strategien in der Bildungsarbeit", resümierte Biffl.

Flüchtlingsintegration als Chance für Abwanderungsregionen
Gelungene Flüchtlingsintegration könnte laut Gudrun Biffl auch eine Chance für Abwanderungsregionen sein, um Bildungsinfrastruktur wie Kindergärten und Schulen zu erhalten. Sehr wichtig sei laut Biffl dabei, die Bevölkerung mit einzubeziehen: "Einrichtungen der gemeinnützigen Erwachsenenbildung sind in allen Regionen Österreichs tätig, sie arbeiten mit der Bevölkerung, mit vielen Stakeholdern, MultiplikatorInnen und NGOs zusammen".

Durch die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung werde die soziale und gesellschaftliche Integration unterstützt und der soziale Zusammenhalt gestärkt. Politische bzw. demokratiepolitische Bildung dürfe sich nicht ausschließlich auf Geflüchtete beziehen, forderte Biffl.

Wolfgang Petritsch: Ent-Ängstigung der Gesellschaft als Herausforderung der Erwachsenenbildung
Der Präsident der Österreichischen Marshallplan Stiftung, Wolfgang Petritsch,stellte in seinem Grundsatzreferat die Frage, wie die Industrieländer mit den aktuellen Flüchtlings- und Migrationsströmen umgehen und wie es gelingen kann, Kriege einzudämmen und die Lebensbedingungen der Menschen in ihren Herkunftsländern zu verbessern.

"Die demografische Entwicklung und die Überalterung in vielen Industrieländern erfordern eine offene Politik zur Migration." so Petritsch. Mit Blick auf das erstarkte zivilgesellschaftliche Engagement beklagte Petritsch, die Politik verabsäume es seit dem Sommer 2015, den Dialog aufzunehmen und Zeichen der Wertschätzung zu artikulieren.

Laut Petritsch nehme die Bildung in der Lösung der aktuellen globalen Probleme eine zentrale Rolle ein. Die Herausforderungenfür die Erwachsenenbildung bestünden darin, den Menschen die globalen Probleme begreifbar zu machen und zu einer "Ent-Ängstigung" der Gesellschaft beizutragen.

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid: Zusätzliche Mittel auch für die Erwachsenenbildung
Wie Bundesministerin Hammerschmid berichtete, finanziere das Bildungsministerium über 2.400 Basisbildungsplätze für junge Flüchtlinge, außerdem zusätzliche Angebote für die Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss, gezielte Bildungsberatung und die damit erforderliche Ausbildung von TrainerInnen.

"Ohne die Kooperation und hohe Flexibilität der Erwachsenenbildungs-Verbände wäre die Umsetzung nicht möglich" bedankte sich Hammerschmid bei der KEBÖ.

Kultur und Kulinarik von Flüchtlingen und ImmigrantInnen bereicherten die Tagung
Stimmaktionen der kurdischen Künstlerin Nigar Hasib vom Wiener Lalish Theaterlabor gaben der Tagung eine besondere Atmosphäre. Auch die Verpflegung von Habibi & Hawara - dem ersten Restaurant von Geflüchteten für ÖsterreicherInnen mitten in Wien - war eine Besonderheit für die TagungsteilnehmerInnen. Sie transportierte das Tagungsthema in kulinarischer Form.

 

Serie: Erwachsenenbildung in der Migrationsgesellschaft

Integrationskurse und Spracherwerb mögen ein Anfang sein. Doch wenn es um den sozialen Wandel geht, der mit Zuwanderung verbunden ist, sind die Menschen mit Migrationserfahrung nur eine der Zielgruppen von Erwachsenenbildung. Die Anforderungen der Migrationsgesellschaft betreffen uns alle. Fragen nach Teilhabe, Verständigung und Zusammenleben stellen sich immer wieder neu. Wie Erwachsenenbildung diese Anforderungen beschreibt, reflektiert und deutet, und welche Angebote für Lernen und Bildung sie ihnen entgegen bringt, ist Gegenstand einer Serie von Artikeln auf erwachsenenbildung.at. Alle Beiträge in der Serie finden Sie hier.

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