Psychodrama und Soziodrama

18.05.2016, Text: Redaktion/CONEDU
Spezielle Rollenspiel-Methoden für die politische Erwachsenenbildung helfen, gesellschaftliche Prozesse zu verstehen und abstrakte Themen greifbar zu machen. (Serie: Methoden der Erwachsenenbildung).
Foto: (C) EDUCON/Hackl
Abstraktes durch Rollenspiele greifbar machen
Foto: (C) EDUCON/Hackl
Das Psychodrama nach Jakob Moreno ermöglicht Lernenden mittels spontaner Rollenspiele, gesellschaftliche Prozesse zu reflektieren und Zugang zu abstrakten Themen zu finden. Die Soziologin und Trainerin Katharina Novy macht diese Methode für die Erwachsenenbildung fruchtbar, insbesondere für die politische Bildung. Ihre Ausführungen finden sich in zwei Artikeln des Magazin erwachsenenbildung.at, kurz Meb.

Vorbereiten auf das Rollenspiel
Ein Teil des Seminarraums wird als Bühne eingerichtet, die klar von einem ZuschauerInnen-Bereich abgegrenzt wird. Einige TeilnehmerInnen, die aktiv spielen möchten, wählen eine der vorbereiteten Rollen aus. Der/Die Lehrende hilft ihnen mittels Interviewtechnik, sich möglichst gut in die Rolle hinein zu versetzen.

Um für das folgende Stegreifspiel warm zu werden und die Spielfreude der TeilnehmerInnen zu entfachen, ist auch Bewegung hilfreich. Hierbei können klassische Aktivierungsspiele eingesetzt werden wie "Obstsalat" oder die Sternjonglage. Diese Phase des Phychodramas wird auch als "Erwärmungsphase" bezeichnet.

Stegreifspiel in vorgegebenen Rollen
Die Spielenden nehmen nun in ihren Rollen auf der Bühne Platz und spielen spontan improvisierte Szenen zum Thema. In der Rolle können die Spielenden dabei auch einmal die exakte Gegenposition zum gewöhnlichen Denken sein. Der/Die Lehrende kann das Spiel lenken, etwa durch Fragen oder eingrenzende Vorgaben.

Novy zufolge gelingt es den TeilnehmerInnen meist ganz leicht, in ihren Rollen aktiv zu werden, Entscheidungen zu treffen usw. Im Spiel können so die Perspektiven und Handlungsoptionen erweitert und implizites Wissen aktiviert werden.

Reflexion des Spiels
Nach dem Spiel achtet der/die Lehrende darauf, dass die Rollen gut abgelegt werden können, beispielsweise durch Rituale des "Entrollens". Vor allem bei belasteten Rollen ist dies wichtig. Es folgt ein Rollenfeedback: Die Erfahrungen aller SpielerInnen und BeobachterInnen werden zunächst zusammengetragen.

Daran schließt der Prozess des sogenannten "Sharings" an - die TeilnehmerInnen sollen nach Verbindungen zwischen dem im Stegreifspiel Erlebtem und der erlebten Realität außerhalb des Spiels suchen.

Im nächsten Schritt, der "thematischen Auswertung", werden diese Verbindungen besprochen, ausgetauscht und diskutiert. In Kleingruppen können nun konkrete Fragestellungen daraus bearbeitet werden.

Abstrakte Themen greifbar machen
Katharina Novy beschreibt anhand eines Beispiels, was das Psychodrama leisten kann: Sie hat ein Seminar zum Thema "Gender Budgeting" durchgeführt. Die TeilnehmerInnen konnten zunächst zur Frage, in welchen Situationen öffentliche Gelder und Geschlecht für sie Thema waren, wenig anfangen und wurden daher gebeten, aus ihrem Alltag zu erzählen und dazu Szenen darzustellen.

Wie ausgewechselt fand daraufhin ein lebendiges und fokussiertes Gespräch über verschiedenste Aspekte der Verteilung öffentlicher Gelder statt, so Novy. Von der unterschiedlichen Verteilung von Geldern an Vereine über die zu erwartenden (Frauen-)Pensionen bis zum Abkanzeln von Fraueninteressen durch einen Politiker reichten die zahlreiche Beispiele, die nun diskutiert wurden.

Variante Soziodrama: Gesellschaftliche Konflikte darstellen
Gerade für gesellschaftspolitische Probleme eignet sich das Psychodrama besonders gut. Denn hierbei können recht abstrakte Themen erlebbar gemacht und mit den eigenen Erfahrungen verknüpft werden. Und es wird dabei nicht nur kognitiv reflektiert - im Spiel sind die TeilnehmerInnen auch körperlich und emotional involviert. Kognitive und emotionale, bewusste und unbewusste, verbale und non-verbale, körperliche, psychische und soziale Dimensionen des Themas fließen mit ein. Wird das Psychodrama für die Reflexion gesellschaftlicher Konflikte und Dynamiken eingesetzt, so handelt es sich dabei um ein sog. "Soziodrama".

Video: Beispiel eines Psychodramas
Originalaufzeichnung eines Psychodramas, das der Erfinder dieser Methode, Jakob Moreno, im Rahmen des ersten internationalen Kongresses für Psychodrama 1964 moderierte (Standard YouTube Lizenz).

 

Serie "Methoden der Erwachsenenbildung"
Die Serie "Methoden der Erwachsenenbildung" ist ein Service von und für Studierende und EinsteigerInnen in das Berufsfeld der Erwachsenenbildung. Im Rahmen der Serie stellen wir einzelne Lehr-Lernmethoden sowie ihre Varianten und Einsatzmöglichkeiten vor. Wir unterscheiden dabei, welche Funktion die jeweilige Methode im Lehr-Lernprozess hat, zum Beispiel Informieren, Motivieren usw. Alle Beiträge zur Serie finden Sie hier.

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