"Man sollte Bildungsabschlüsse fördern, die Zugang ermöglichen"

16.03.2018, Text: Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
Seit einem Jahr hat die Schweiz ein neues Weiterbildungsgesetz, seit 45 Jahren Österreich ein Förderungsgesetz für Erwachsenenbildung. Elke Gruber diskutiert die Rechtsgrundlagen im Vergleich.
Förderung von Bildung berührt immer die Frage nach Verteilung und Verteilungsgerechtigkeit
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Das nun seit über einem Jahr gültige Schweizer Gesetz über die Weiterbildung (wir berichteten) gibt Anlass, dessen Wesen aus österreichischer Sicht zu betrachten und in diesem Zusammenhang auch über rechtliche Grundlagen der österreichischen Erwachsenenbildung zu reflektieren. Die Rechtsgrundlage der Erwachsenenbildung hierzulande ist das Gesetz über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens von 1973 (Novelle 2003). Das Gesetz legt fest, welche Maßnahmen der Bund auf welche Art und Weise fördern kann.

 

Betrachtet man die schweizerische und österreichische Rechtsgrundlage nebeneinander, werden unterschiedliche Geisteshaltungen und Wirkungen sichtbar. Elke Gruber, Professorin für Erwachsenenbildung an der Universität Graz, hat für erwachsenenbildung.at einen Blick auf beide Gesetze geworden. Ihr Resümee: "Die Wissenschaft ist in der Schweiz besser verankert" und: "Es ist erstaunlich, wie weit das österreichische Förderungsgesetz damals schon war." Dennoch sind viereinhalb Dekaden nicht spurlos am zentralen Gesetzestext für die Erwachsenenbildung in unserem Land vorbeigegangen.

 

Gesetzliche Definition von Erwachsenenbildung: ein Tanz auf Messers Schneide

Das Förderungsgesetz definiert Erwachsenen- und Weiterbildung anhand eines Kataloges von förderungswürdigen Aufgaben, wie zum Beispiel politische oder berufliche Bildung. Dem gegenüber steht eine Liste von Tätigkeiten, die nicht gefördert werden, wie die innerbetriebliche Weiterbildung. "Definition ist immer eine Gratwanderung", eröffnet Elke Gruber das Gespräch zur Frage nach der Wichtigkeit einer gesetzlichen Definition von Erwachsenen- und Weiterbildung: "Einerseits grenze ich ein, auf der anderen Seite fokussiere ich auch und bringe das Feld von der Beliebigkeit weg." Gerade in der Erwachsenenbildung, einem sehr entgrenzten Bildungsbereich, müsse es ein Mindestmaß an Definitionsmacht geben. "Sonst kann ich auch nicht transparent fördern", so Gruber.

 

"Die Schweizer Definition von Erwachsenenbildung ist da viel unverbindlicher." Das hätte auch Vorteile, Gruber äußert aber Bedenken: "Ich stell es mir schwierig vor. Gesetze haben ja den Anspruch, dass sie einen Rahmen zu möglichen Förderungen vorgeben. Da müsste es aus meiner Sicht noch weitere Verfahrensschritte geben, um diesen Rahmen zu fassen".

 

Monitoring und Wissenschaft stärker fördern

Vorhaben zu Statistik und Monitoring über die Beteiligung der Bevölkerung an Weiterbildung, wie es im Schweizer Gesetz geregelt wird, ist im Förderungsgesetz nicht enthalten. "Das geht durchaus über unser Förderungsgesetz hinaus und wäre auch für Österreich wünschenswert", so Gruber.

 

Erstrebenswert wäre aus Grubers Sicht auch eine stärkere Hervorhebung der Wissenschaft und Forschung über Erwachsenenbildung im Förderungsgesetz: "Wissenschaft über die Erwachsenenbildung kommt da nicht vor, im Schweizer Weiterbildungsgesetz ist dies stärker verankert". Wissenschaft und Forschung kommen im Förderungsgesetz aber an anderer Stelle vor. So fördert der Bund zum Beispiel wissenschaftliche Zeitschriften und kann Stipendien und Geldpreise vergeben.

 

Verankerung von Qualität und Professionalisierung fehlt

Diskurse um Qualität und Professionalisierung waren 1973 in der Erwachsenenbildung noch nicht in der Art und Weise präsent wie heute. Diese Themen sind im Fördergesetz daher noch nicht geregelt. "Das ist etwas, das auch im Fördergesetz aufgenommen werden müsste: Qualität/Qualitätsentwicklung und Professionalisierung. Damit meine ich nicht nur die Professionalisierung von Personen, sondern auch von Strukturen", fordert Gruber.

Dennoch gibt es bereits eine Lösung mit hohem normativem Charakter und Qualität und Professionalisierung wurden an anderer Stelle öffentlich aufgegriffen. So behandelt z.B. die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Anerkennung des Qualitätsrahmens für die Erwachsenenbildung Ö-Cert Indikatoren von Qualität in der Erwachsenenbildung.

Das schweizerische Gesetz belässt Qualität in der Verantwortung der Anbieter, außer es handelt sich um öffentliche geförderte Weiterbildung. Hier ist Qualität in den Dimensionen der Information über Angebote, der Qualifikation von ErwachsenenbildnerInnen, der Lernprogramme und in den Qualifikationsverfahren sicherzustellen.

 

Was und wie fördern? Das Gesellschaftsbild im Fokus

Fördergesetze zeigen immer auf, inwieweit Bund, Länder, Gemeinden oder andere Bereiche der öffentlichen Hand in die Erwachsenenbildung einwirken und welche Bereiche sie dem Markt überlassen. "Das sieht man auch beim Schweizer Gesetz. Das ist sehr den Schweizer Verhältnissen angepasst und ist vom Geist ein stark neoliberales Gesetzeswerk", so Gruber. Das sehe man zum einen bei der Selbstverantwortung der Personen bzgl. der Weiterbildung und zum anderen daran, dass es laut Gesetz nicht zu Konkurrenzverzerrungen kommen soll. "Die öffentliche Hand ist da eher rudimentär verankert. Da gibt unser Förderungsgesetz einen wesentlich größeren Rahmen."

 

Förderung von Weiterbildung berührt somit auch immer die Frage nach Verteilung und Verteilungsgerechtigkeit. Die Öffentlichkeit positioniert sich, indem sie manches fördert und anderes nicht. Dies sieht man z.B. auch an der Implementierung der Initiative Erwachsenenbildung, im Rahmen derer sich Bund und Länder dafür einsetzen, dass Jugendliche und Erwachsenen den Pflichtschulabschluss und grundlegende Kompetenzen erwerben können. "Eine Förderung muss einem bestimmten Menschen- und Gesellschaftsbild entsprechen. Was wollen wir in unserem Zusammenleben? Was bedeutet da der Mensch?" fragt Elke Gruber. "Darüber kann man natürlich lange diskutieren, aber ich denke, dass öffentliche Förderungen gewissen Parametern entsprechen müssen, wie z.B. den Menschenrechten und dass es keine Diskriminierung gibt". Gruber geht dabei noch weiter und sieht eine ethische Diskussion in der Erwachsenenbildung als Notwendigkeit: "Es bräuchte so etwas wie einen Ethikkodex. Dabei soll der Staat aber nicht so etwas wie eine Polizei sein, sondern er muss Rahmenbedingungen schaffen, die einer gewissen Ethik entsprechen."

 

Da passiere schon viel - wie bei der Initiative Erwachsenenbildung - eine noch stärkere Positionierung wäre aber wünschenswert: "Nicht nur Grund- und Basisbildung und das Nachholen des Pflichtschulabschlusses sollte die Öffentlichkeit unterstützen, sondern möglicherweise auch das Nachholen der Matura. Man sollte Bildungsabschlüsse fördern, die Zugang ermöglichen", schließt Gruber.

 

Resümee: Gesetz als gute Grundlage zum Weiterdenken

Auch wenn manche Begriffe nicht mehr aktuell sind, sei das Förderungsgesetz fpr Österreich gegenwärtig durchaus noch vertretbar: "Was mir darin gut gefällt ist eine starke Verantwortung des Bundes für die Erwachsenenbildung. Und es geht nicht um reine Arbeitsmarktpolitik, sondern auch um die Persönlichkeitsentwicklung der Menschen", resümiert Gruber. "Es ist aus heutiger Perspektive eigentlich erstaunlich, wie weitsichtig das Gesetz war." Bei aller Kritik, die man haben kann, beinhalte es doch sehr weitsichtige Elemente, die bis heute gültig sind. "Da ist ein guter Grundstock da, auf dem man aufbauen kann".

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