Psychodrama und Soziodrama

Vorbereiten auf das Rollenspiel
Ein Teil des Seminarraums wird als Bühne eingerichtet, die klar von einem ZuschauerInnen-Bereich abgegrenzt wird. Einige TeilnehmerInnen, die aktiv spielen möchten, wählen eine der vorbereiteten Rollen aus. Der/Die Lehrende hilft ihnen mittels Interviewtechnik, sich möglichst gut in die Rolle hinein zu versetzen.
Um für das folgende Stegreifspiel warm zu werden und die Spielfreude der TeilnehmerInnen zu entfachen, ist auch Bewegung hilfreich. Hierbei können klassische Aktivierungsspiele eingesetzt werden wie "Obstsalat" oder die Sternjonglage. Diese Phase des Phychodramas wird auch als "Erwärmungsphase" bezeichnet.
Stegreifspiel in vorgegebenen Rollen
Die Spielenden nehmen nun in ihren Rollen auf der Bühne Platz und spielen spontan improvisierte Szenen zum Thema. In der Rolle können die Spielenden dabei auch einmal die exakte Gegenposition zum gewöhnlichen Denken sein. Der/Die Lehrende kann das Spiel lenken, etwa durch Fragen oder eingrenzende Vorgaben.
Novy zufolge gelingt es den TeilnehmerInnen meist ganz leicht, in ihren Rollen aktiv zu werden, Entscheidungen zu treffen usw. Im Spiel können so die Perspektiven und Handlungsoptionen erweitert und implizites Wissen aktiviert werden.
Reflexion des Spiels
Nach dem Spiel achtet der/die Lehrende darauf, dass die Rollen gut abgelegt werden können, beispielsweise durch Rituale des "Entrollens". Vor allem bei belasteten Rollen ist dies wichtig. Es folgt ein Rollenfeedback: Die Erfahrungen aller SpielerInnen und BeobachterInnen werden zunächst zusammengetragen.
Daran schließt der Prozess des sogenannten "Sharings" an - die TeilnehmerInnen sollen nach Verbindungen zwischen dem im Stegreifspiel Erlebtem und der erlebten Realität außerhalb des Spiels suchen.
Im nächsten Schritt, der "thematischen Auswertung", werden diese Verbindungen besprochen, ausgetauscht und diskutiert. In Kleingruppen können nun konkrete Fragestellungen daraus bearbeitet werden.
Abstrakte Themen greifbar machen
Katharina Novy beschreibt anhand eines Beispiels, was das Psychodrama leisten kann: Sie hat ein Seminar zum Thema "Gender Budgeting" durchgeführt. Die TeilnehmerInnen konnten zunächst zur Frage, in welchen Situationen öffentliche Gelder und Geschlecht für sie Thema waren, wenig anfangen und wurden daher gebeten, aus ihrem Alltag zu erzählen und dazu Szenen darzustellen.
Wie ausgewechselt fand daraufhin ein lebendiges und fokussiertes Gespräch über verschiedenste Aspekte der Verteilung öffentlicher Gelder statt, so Novy. Von der unterschiedlichen Verteilung von Geldern an Vereine über die zu erwartenden (Frauen-)Pensionen bis zum Abkanzeln von Fraueninteressen durch einen Politiker reichten die zahlreiche Beispiele, die nun diskutiert wurden.
Variante Soziodrama: Gesellschaftliche Konflikte darstellen
Gerade für gesellschaftspolitische Probleme eignet sich das Psychodrama besonders gut. Denn hierbei können recht abstrakte Themen erlebbar gemacht und mit den eigenen Erfahrungen verknüpft werden. Und es wird dabei nicht nur kognitiv reflektiert - im Spiel sind die TeilnehmerInnen auch körperlich und emotional involviert. Kognitive und emotionale, bewusste und unbewusste, verbale und non-verbale, körperliche, psychische und soziale Dimensionen des Themas fließen mit ein. Wird das Psychodrama für die Reflexion gesellschaftlicher Konflikte und Dynamiken eingesetzt, so handelt es sich dabei um ein sog. "Soziodrama".
Video: Beispiel eines Psychodramas
Originalaufzeichnung eines Psychodramas, das der Erfinder dieser Methode, Jakob Moreno, im Rahmen des ersten internationalen Kongresses für Psychodrama 1964 moderierte (Standard YouTube Lizenz).
Serie "Methoden der Erwachsenenbildung"
Die Serie "Methoden der Erwachsenenbildung" ist ein Service von und für Studierende und EinsteigerInnen in das Berufsfeld der Erwachsenenbildung. Im Rahmen der Serie stellen wir einzelne Lehr-Lernmethoden sowie ihre Varianten und Einsatzmöglichkeiten vor. Wir unterscheiden dabei, welche Funktion die jeweilige Methode im Lehr-Lernprozess hat, zum Beispiel Informieren, Motivieren usw. Alle Beiträge zur Serie finden Sie hier.
- Novy: Gesellschaft spielen und analysieren
Magazin erwachsenenbildung.at, Ausgabe 20/2013 - Novy: Soziodrama in der Bildungsarbeit zu Genderthemen
Magazin erwachsenenbildung.at, Ausgabe 3/2008 - Moreno Institut: Psychodrama
- Moreno Institut: Soziodrama, Psychodrama, Soziometrie
Verwandte Artikel
Drei Methoden zur Demokratiebildung
Geschlechterrollen hinterfragen, Aufgaben in einer Gesellschaft begreifen und Selbstwirksamkeit erfahren: Eine Methodensammlung gibt Impulse für die politische Bildung.50 Jahre Elternbriefe: Ein Erfolgsmodell der Elternbildung
Mit den Briefen des fiktiven Kindes „Anna“ begleitet das Salzburger Bildungswerk seit 1974 jährlich über 28.600 Familien. Ein multiprofessionelles Expert*innenteam gibt darin Informationen zum ersten Mal Wickeln bis hin zur Medienerziehung.Klimabildung für Erwachsene: Drei kreative Tipps für Bildungsanbieter
Wie kann man Menschen für Klimabildung motivieren? Tipps von Sabrina Riedl vom Fachbereich „Klima & Nachhaltigkeit“ im Salzburger Bildungswerk sind kreative Mitmach-Formate, Klima als Querschnittsthema und die Arbeit mit Vorbildern.Einmal mitmischen bitte! – So erreicht man Erwachsene mit Demokratiebildung
Das Projekt „Mitmischen und Einmischen im Dorf“ der Gemeindeentwicklung im Salzburger Bildungswerk ist gestartet. Warum das Projekt Vorbildwirkung hat und wie es Gemeinden helfen kann, den Dialog mit Bürger*innen zu stärken.Online-Veranstaltung zu Leseförderung und -kompetenz
Am 19. November können Interessierte Einblicke in Entwicklungen, Lernmaterialen und Initiativen zur Leseförderung bekommen. Anmeldungen sind bis 12. November möglich.Nachhaltige Berufsbildung: didaktische Impulse aus Theorie und Praxis
In einem Sammelband diskutieren 13 Autor*innen didaktische Herausforderungen und Potenziale für die Weiterbildung in der Berufsbildung zum Thema Nachhaltigkeit.