Topotheken als Ressource für Zeitgeschichte
Dabei entsteht zumeist nicht nur ein einziges Foto, sondern mehrere, die ein und dieselbe Situation abbilden. Das kann auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, es würde eine Fülle an unwesentlichen Aufnahmen entstehen. Bis zu einem gewissen Grad mag das zutreffen, doch nimmt man die Massen an Fotos die entstanden sind bei Seite und fokussiert das Wesentliche, so entsteht weitaus mehr als bloß ein Foto.
Es gilt die interessanten Details herauszuarbeiten beziehungsweise zu erkennen. Ein Fotoausschnitt, der zur Zeit der Aufnahme vielleicht nicht besonders wirkte, kann einige Jahre später einiges ans Tageslicht bringen. Höfe, Gebäude oder Landschaften verändern sich im Laufe der Zeit und Fotos, alte Verkaufsdokumente oder Postkarten sind Zeugen der vergangenen Geschehnisse und machen diese auch Jahre nach ihrem Geschehen greifbar.
Mit Fotos über die Zeitgeschichte lernen
Schaut man sich beispielsweise ein altes Foto genauer an und macht sich bewusste Gedanken dazu, dann wird man mit großer Sicherheit feststellen, dass sehr viele kleine Details in einem Foto stecken. Eine Erkenntnis, die daraus gewonnen werden kann ist, dass hinter einem Foto viel mehr als nur die Aufnahme an sich steckt. Der Kleidungsstil und die Art, wie Personen auf einem Foto präsentiert werden, kann etwas über den Stand der Familie oder die damalige wirtschaftliche Situation aussagen. Befinden sich Geräte oder Pferde auf dem Foto, kann dies bedeuten, dass jene bewusst dargestellt wurden, um zu zeigen, dass der Hof in einem ‚guten‘ finanziellen Zustand war etc. Ein Foto kann also sehr viel aussagen und das Bewusstmachen dessen, kann als Erfahrungs- und Lernprozess beschrieben werden, die Zeitgeschichte wahrzunehmen und sich mit ihr zu beschäftigen. Die Topotheken bzw. die gemeinsame Arbeit daran können das Kulturleben beleben, die Kommunikation sowie das Miteinander in und zwischen den Gemeinden fördern und die Identifikation mit den Ortschaften stärken.
Wenn Personen aus einer Gemeinde beispielsweise bei Veranstaltungen zur regionalen Ortsgeschichte zusammenkommen, dann eröffnet dies eine Vielzahl an Themen über die gesprochen werden kann. Und dieser gemeinsame Austausch kann neue Erkenntnisse zu Tage bringen. Ein sogenanntes über den Tellerrand schauen wird möglich.
Wege und Straßen verändern sich, nehmen andere Richtungen an oder werden umgebaut und mit Hilfe von Fotos können solche Prozesse mitverfolgt und dokumentiert werden. Personen, Alltagsrituale, Gepflogenheiten sind nicht statisch, sie gehen mit den Veränderungsprozessen einher.
Mit Bildern wird Zeitgeschichte persönlich
Trotzdem lassen sich diese Geschehnisse nicht auf die Veränderung alleine reduzieren. Zusätzlich zum Veränderungsprozess kommen auch Emotionen mit dazu, die in Verbindung mit den jeweiligen Geschehnissen stehen. Erinnerungen die beispielsweise nicht nur mit positiven, sondern auch mit negativen Erinnerungen verbunden sind.
Wer hat sich nicht schon einmal gefragt, wie es denn an einem bestimmten Ort vor zwanzig Jahren ausgesehen haben muss. Gerade diese gefühlte räumliche Nähe macht zeithistorische Geschehnisse im Sinne der Lebensweltorientierung greifbar. In weiterer Folge können Fragen nach dem "Warum" gestellt werden. Fotos in Verbindung mit Erzählungen von Zeitzeug:innen verbinden historische Geschehnisse mit persönlichen Erfahrungen und Gefühlen.
Gemeinsam Geschichte rekonstruieren
Bei einem Austausch über alte Fotografien kommen verschiedene Menschen zusammen, die aus unterschiedlichen Regionen kommen und demnach auch vielfältige Erinnerungen mitteilen können. Eine Person weiß vielleicht etwas über das Gebäude am Foto, eine andere Person erkennt möglicherweise jemand bekannten und eine dritte Person kann vielleicht etwas über die Entstehung des Fotos oder den Fotografen mitteilen.
Gleiches gilt für historische Dokumente: Eine Postkarte kann auf den ersten Blick einen "netten Gruß" übermitteln – doch schaut man etwas tiefer, dann kann diese kurze Nachricht vielmehr vermitteln. Findet sich beispielsweise eine Reihe von Postkarten, die regelmäßig hin und her geschickt worden sind, sagt das etwas über die Beziehung der Personen aus. Ebenso kann man beim Fund von Briefen auf besondere Details stoßen und sich damit beschäftigen, in welchem Kontext jene geschrieben worden sein könnten.
Damit wird gemeinsam Geschichte rekonstruiert und neue Erkenntnisse möglich. So kann die gemeinsame Auseinandersetzung mit Bildern und historischen Dokumenten die kulturelle Geschichte einer Gemeinde aufdecken und zum kulturellen Wissen jedes Einzelnen beitragen.
Digitalisierung von Fotos – ein aktuelles Thema
Durch die Digitalisierungsmöglichkeiten gibt es verschiedene Zugänge, um Fotos etc. zu archivieren und für die Nachwelt zu sichern. Denn Fotos können durch verschiedene Faktoren zerstört werden und so bietet die Digitalisierung zumindest die Chance, Fotos auch digital zu sichern.
Die Topothek ist eine Plattform, die man als digitales Fotoarchiv verstehen kann. Dort können Fotos, historische Dokumente und sogar Videos gespeichert, beschriftet und gesichert werden. Durch die Technik des Vergebens von Schlagworten, findet man gesuchte Objekte auch rasch und dadurch entsteht eine Stimmigkeit und Übersichtlichkeit der eingespielten Materialien. Mit Hilfe der Topothek können Fotos präsentiert und zur Diskussion gestellt werden und Gesprächsräume werden eröffnet.
Bei den Topothekentreffen in den Gemeinden geht es vor allem darum den gemeinsamen Dialog zu fördern. Die Verbindung zur Gemeinde und die damit verbundene individuelle Identität sind Themen, die damit gestärkt werden können. Das Bewusstsein der Gemeinden, seiner Kulturvereine, Tourismusbetriebe und Einzelpersonen für das gemeinsame, gemeindeübergreifende kulturelle Kapital des Tales wird mit Hilfe der Topothek unterstützt.
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