Transformatives Lernen am Tag der offenen Gartentür

18.12.2023, Text: Diana Vogetseder, Kärntner Bildungswerk, Redaktion: Doris Rottermanner, Kärntner Bildungswerk/Ring ÖBW
Community Education: Ein "Tag der offenen Gartentür" bietet einen ortsgesellschaftlichen Begegnungs- und Möglichkeitsraum für transformatives Lernen.
Acht Personen stehen in einem Garten um einen Brunnen herum.
Der "Tag der offenen Gartentür" als Möglichkeitsraum für transformatives Lernen.
Foto: CC BY, Andrea Koppitsch, Kärntner Bildungswerk, auf erwachsenenbildung.at
Der Tag der Erwachsenenbildung 2023, der seitens der Abteilung 13 des Landes Kärnten organisiert wurde, stand mit dem Titel: „Community Education – gemeinsam lernend wachsen“ ganz im Zeichen der gemeinwesenorientierten Bildungsarbeit. Das Kärntner Bildungswerk gestaltete die Veranstaltung mit dem Beitrag zur Community Education am Praxisbeispiel einer Initiative aus einem örtlichen Bildungswerk mit und veranschaulichte anhand des „Tag der offenen Gartentür“, wie dieses ortsgesellschaftliche Format zum transformativen Begegnungs- und Entwicklungsraum werden kann.

Community Education – das handelnde Gemeinwesen

Anlässlich des diesjährigen Tages der Erwachsenenbildung wurde der Ansatz der Community Education, der auch in der Strategie zum lebensbegleiteten Lernen in Österreich (LLL:2020, Aktionslinie 6) verankert ist, in den Fokus der Veranstaltung gerückt. Im Rahmen der Umsetzung der lokalen LLL-Strategie des Landes Kärnten (Living Paper LLL-Strategie des Landes Kärnten 2022) dienten gemeinwesenorientierte Bildungskonzepte als Schwerpunkt der Veranstaltung. Community Education oder gemeinwesenorientierte Bildungsarbeit kann als Lernen verstanden werden, das als Partizipation an der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens beschrieben wird. Dieses erfolgt durch die Bündelung der Ressourcen und Synergien der vielfältigen gesellschaftlichen Akteur*innen: durch gemeinsames Handeln von Bürger*innen, gemeinschaftsorientierte Bildungsangebote und Vernetzung von lokalen und regionalen Gruppen, in dem sie dadurch neue Begegnungsorte schaffen die sich an den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung orientieren und auch Zukunftsthemen bewusst machen. [Definition in Anlehnung an den Ring Österreichischer Bildungswerke]

Einer dieser Orte ist das Örtliche Bildungswerk, ein Zusammenschluss aus engagierten ehrenamtlich tätigen Personen, die den örtlich ansässigen Menschen als Anlaufstelle für Anliegen rund um Bildung und Kultur in der Gemeinde dient. Es ist eine Art Drehscheibe, bei der Ideen der Bürger*innen gehört werden, gemeinsame Interessen gefördert und gemeinsam Veranstaltungen und Projekte umgesetzt werden, was eine Kultur der Offenheit basierend auf positiven Erfahrungen schafft. So ist ein Örtliches Bildungswerk ein Raum, an dem Community Education allgegenwärtig passiert, da regionale Aktivitäten gemeinschaftlich initiiert und umgesetzt werden. Durch diese stetige Weiterentwicklung und der Ausrichtung an den aktuellen, lokal relevanten Bedürfnissen und Bedarfen der Bevölkerung kann das örtliche Bildungswerk als lernendes Netzwerk bezeichnet werden, das von der Mitgestaltung der örtlichen Gemeindebürger*innen lebt.

Begegnungsort „Tag der offenen Gartentür“ - ein Ort der Community Education

Ein Projekt, das in einem Örtlichen Bildungswerk umgesetzt werden kann und wird (zum Beispiel im engagierten Örtlichen Bildungswerk Magdalensberg, Mitglied des Kärntner Bildungswerks), ist der „Tag der offenen Gartentür“. Hierbei öffnen Gartenbesitzer*innen einer Ortschaft ihre privaten Gärten in der Region für Bürger*innen, die diese ökologisch gepflegten Gärten kostenlos und ohne Anmeldung besuchen können. Mit eingebunden sind verschiedene lokale Kooperationspartner wie Gartenbesitzer*innen, lokale Initiativgruppen und Akteure. Es handelt sich um eine ganztägige Veranstaltung, an dem Menschen einander in unterschiedlichen Gärten begegnen, sich austauschen, kennenlernen und Wissen teilen.

Blickt man auf die Besonderheiten des „Tag der offenen Gartentür“, so kann die Ausrichtung nach gemeinwesenorientierten Prinzipien im Sinne der Community Education festgestellt werden. Die Veranstaltung findet vor Ort im lebensnahen Umfeld der Bürger*innen statt.

Tag der offenen Gartentür als transformativer Lern- und Bildungsort

Transformative Lernprozesse können in ganz vielfältigen Orten und Räumen stattfinden. Die Bildungsforscherin Mandy Singer-Brodowski beschreibt allgemein zwei Linien transformativer Lernprozesse, nämlich den Wandel von individuellen Bedeutungsstrukturen sowie die Erweiterung von kollektiven Bewusstwerdungs- und Emanzipationsprozessen (siehe dazu "Transformative Bildung durch transformatives Lernen" von Singer-Brodowski - PDF). Transformation in der Bildungsarbeit meint im erweiterten Verständnis sodann auch Handlungsmöglichkeiten und Lösungsansätze zu erarbeiten, die individuell und gemeinschaftlich neue Perspektiven ermöglichen.

Im Kontext gemeinwesenorientierter Bildungsarbeit können konkrete transformative Lerngelegenheiten sichtbar werden, die sich am Beispiel des „Tag der offenen Gartentür“ aus den Leitprinzipien und Zielen der Veranstaltung nachzeichnen lassen. Als Begegnungs- und Austauschraum bietet der „Tag der offenen Gartentür“ vielfältige Möglichkeiten für transformative Lerngelegenheiten. Die Begegnungen der Menschen in den ökologisch bewirtschafteten Gärten sind Grundvoraussetzung für transformatives Lernen. Die Besucher*innen kommen im Garten miteinander ins Gespräch, es gibt ein gemeinsames, verbindendes Thema über das man spricht - sei es der Austausch von wechselseitigem Wissen über ökologische Pflege der Gärten oder dem Plausch über alltägliche Gegebenheiten, ob bewusstseinsbildend, oder der Schaffung eines Zugehörigkeitsgefühls. So kommen Menschen erstmal zusammen und lernen einander kennen.

Die Begegnungen in den Hausgärten kennzeichnen sich durch den Dialog – einer andragogische Bildungsform (siehe auch Beitrag von Cennamo in der Zeitschrift "Die Österreichische Volkshochschule" ). Im dialogischen Austausch wird am „Tag der offenen Gartentür“ (alltagsrelevantes) Wissen geteilt – Gartenbesitzer*innen geben Einblick in ihr Expert*innenwissen ihrer eigenen Gärten und auch Besucher*innen bringen ihre Erfahrungen und weiteres Wissen mit ein. Diese, häufig zufälligen Gespräche können Irriationen der eigenen Denk- und Handlungsmuster hervorrufen. Diese unterschiedlichen Erfahrungen dienen als Anstoß zur Reflexion eigener Denkweisen und Handlungen, es entstehen neue Gedanken, Ideen, die den eigenen Horizont erweitern - wesentliche Aspekte für den Wandel individueller Bedeutungsstrukturen im Kontext transformativen Lernens nach Singer-Brodowski (PDF). Diese „neuen“ Gedanken, die aus dem dialogisch geteilten Wissen entsprungen sind, bieten Anlass für den Anstoß neuer Handlungsmöglichkeiten als Anknüpfungsstelle des „Tag der offenen Gartentür“ für weiteres gemeinschaftliches Engagement, in dem die reflexiven Momente in aktives Handeln überführt werden.

Anerkennung der informell erworbenen Kompetenzen

Bei diesem wechselseitigen Teilen des Wissens der Teilnehmer*innen, lokalen Akteur*innen und ehrenamtlichen Veranstalter*innen, aber auch beispielsweise im ehrenamtlichen Organisieren der Veranstaltung werden konkrete Kompetenzen erworben, die weniger in der direkten Aktion als im Nachhinein an Relevanz erlangen, wenn es beispielsweise darum geht, sich selbst eigenen Fähigkeiten bewusst zu werden bzw. gewisse Fähigkeiten im beruflichen Kontext unter Beweis zu stellen. Die Sichtbarmachung mittels geeigneter Tools und Modelle dieser informell erworbenen Kompetenzen an einem vielleicht zuallererst nicht direkt als solchen erkennbaren neuen Lernraum des „Tages der offenen Gartentür“ ist ein wichtiges Anliegen des Kärntner Bildungswerks im Verständnis der Selbstermächtigung und Transferierbarkeit. Die Kompetenzen aus neuen, informellen Lernorten haben an unterschiedlichen Stellen verschiedene Anknüpfungspunkte an die LLL-Strategie (Living Paper LLL-Strategie des Landes Kärnten 2022), die jedoch oftmals trotz geeigneter Tools und Modelle zur Sichtbarmachung der Lern- und Bildungseffekte, an der (fehlenden) Vergleichbarkeit mit non-formalen, kursförmigen Lernformaten teilnehmenden-, organisationsbezogen als auch bildungspolitisch noch wenig anerkannt sind. Ein wesentlicher Arbeitsschwerpunkt des Kärntner Bildungswerks ist es daher, den vielfältigen Kompetenzerwerb aus diesen atypischen Bildungsformaten bewusst zu machen. Denn häufig bieten diese Formate Lernmöglichkeiten für beruflich und gesellschaftlich wichtige Schlüssel- und Zukunftskompetenzen. So werden gemeinwesenorientierte Bildungsprojekte wie der „Tag der offenen Gartentür“, die lokales Wissen um die örtliche Artenvielfalt und darüber hinaus schätzen und ortsgesellschaftliche Ressourcen sowie Initiativen bündeln, zu Räumen, die transformative Lerngelegenheiten bieten können und das gesellschaftliche Zusammenleben durch gemeinschaftliches Handeln im Sinne der Community Education weiter beleben.

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