Wie Engagement Gleichstellung fördern kann

23.08.2023, Text: Isolde Seirer-Melinz, Steirisches Volksbildungswerk/Ring ÖBW
Das Steirische Volksbildungswerk ging mit dem Projekt "Frauen Region Ehrenamt" im Jahr 2022 der Frage nach, wie Frauen für die Übernahme einer Führungsrolle in Vereinen motiviert werden können und was es dazu aus der Perspektive der Erwachsenenbildung braucht.
Wie Frauen das Ehrenamt in der Region Murau-Murtal gestalten: Ausschnitt aus dem Cover der Broschüre "VEREINen"
Montage: Alle Rechte vorbehalten, Gemini Labs/Shutterstock/Steirisches Volksbildungswerk, auf erwachsenenbildung.at
"Frauen haben keine Zeit für ein Engagement – die haben ja die Kinder!" Ein Argument, das zwar zum einen den mit COVID-19 noch stärker gewordenen alltäglichen Mental Load von Frauen widerspiegelt, zum anderen aber auch zum Nachdenken anregt. Was könnten die Faktoren sein, damit sich Frauen in gemeinnützigen Organisationen wie Vereinen, Initiativen oder ARGEs ehrenamtlich engagieren und dabei einen wichtigen Schritt machen – nämlich: eine Führungsrolle einzunehmen.

Die Rolle von Frauen im Ehrenamt

Das Projekt Frauen Region Ehrenamt wurde 2022 im Bezirk Murau (Steiermark) durchgeführt. Als erstes Stimmungsbarometer wurde dem Projekt die Studie "Wieviel Ehre steckt im Amt" (Sample: 156 Personen; w: 55,8%, m: 43,6%) vorangestellt. Aus den Erkenntnissen daraus wurden maßgeschneiderte Weiterbildungsangebote für Frauen entwickelt. Die Auswertung ergab, dass sich rund 48% der befragten Ehrenamtlichen seit mehr als 15 Jahren für einen oder mehrere Vereine in der Region engagieren. Sie wenden dafür bis zu 20 Stunde pro Woche auf. Auch überraschend war, dass rund 21% der Mitglieder aus Eigeninitiative zum Verein kamen. Was bedeutet, dass das Ehrenamt also auch in ländlichen Regionen nicht (nur) "vererbt" wird, sondern Menschen durchaus auch aus intrinsischen Motiven heraus aktiv werden. Die Rolle von Frauen wurde bereits durch informelle Lernprozesse beim Ausfüllen der Umfrage thematisiert. So löste etwa die Frage, wer eigentlich das "Musi-Gwand" bügelt oder die Kekse für die Weihnachtsfeier bäckt, bei einigen Männern bereits Reflexionsprozesse aus, vor allem, weil Frauen oft als "Zuarbeiterinnen" im Hintergrund wahrgenommen werden.

Aus der Genderperspektive

Eine genderorientierte Auswertung der Umfrage ergab, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Rolle im Verein und der Umsetzung von Vorschlägen besteht. Um dies zu überprüfen, wurden die im Vereinsregister gemeldeten Vereine (ZVR) untersucht. Mit folgendem Ergebnis: Im Bezirk Murau sind Frauen derzeit vor allem als Schriftführerinnen sowie als Fachexpertinnen und in unterschiedlichen Stellvertreterinnenfunktionen tätig. Es wäre daher wünschenswert, eine Erhöhung der Anzahl der Obfrauen zu erreichen, da diese Rolle eine gestaltende Funktion ist, die es vermag, Strukturen so zu verändern, dass sie in weibliche Lebenswelten passen. Ein Beispiel: Weibliche Funktionärinnen, die Kinder betreuen, bevorzugen andere Sitzungszeiten. Dies könnten ein späterer (Online-)Sitzungsbeginn (zur "Primetime" ab 20.15 Uhr) sowie eine zügige Sitzungsführung sein. Vertiefende Gespräche zu den divergierenden "Frauenquoten" in einzelnen Gemeinden haben gezeigt, dass engagierte Frauen in der Kommunalpolitik positive Vorbilder für ehrenamtliche Frauen sind, denn sie ermutigen Frauen als Role Models, sich in ehrenamtlichen Leitungsfunktionen zu engagieren und somit das Gemeindeleben aktiv mitzugestalten. Auch ein regelmäßiger Austausch der Obfrauen, auf kommunaler oder regionaler Ebene, ist essenziell.

Weiterbildungen von Frau zu Frau

Die Projektpartner*innen Steirisches Volksbildungswerk, MurauerInnen und Regionalmanagement Murau-Murtal näherten sich auf Basis der Community Education an die Thematik an. Dabei hat sich herausgestellt, dass Obfrauen ihre Rolle durchaus unterschiedlich gestalten. Aus diesem Grund wurden methodisch Online-Podiumsdiskussionen gewählt, bei denen Frauen zu den Themen "Vorn stehen und reden" sowie "VEREINbarkeit" von ihren Erfahrungen erzählten und wertvolle Tipps gaben. Wichtige Aussagen waren dabei: "Wir Frauen müssen uns auf die Bühne stellen, denn wir haben ganz wichtige Dinge zu sagen", "Ich bin im Verein, weil ich will und nicht, weil ich muss" oder "Hinter jeder erfolgreichen Frau steht jemand, der Rahmenbedingungen schafft".

Vertiefende Workshops, die Frauen helfen

Die Themen aus den Podiumsdiskussionen wurden in Online-Workshops vertieft: "Vorn stehen und z’ruckred’n" (Schlagfertig sein mit Powerpoint-Karaoke) und "VerNEINEN" (der Canvas zum Nein-Sagen). Der Canvas zum Nein-Sagen (PDF) unterstützt dabei, die eigenen Grenzen kennenzulernen und klare Entscheidungen mit sich selbst zu treffen. Frau lernt dadurch, schwierige Aufgaben und Antreiber zu identifizieren, den eigenen Rahmen abzustecken und konkrete Aktionen zu planen. Zum Projektabschluss entstand aus den Erkenntnissen des Projekts die Broschüre "VEREINen. Wie Frauen das Ehrenamt gestalten" (PDF). Abgerundet wurde die Broschüre mit Interviews engagierter Obfrauen aus der Region und einer Übersicht über regionale Netzwerke, an die sich interessierte Frauen wenden können.

 

Als Conclusio bleibt, dass Frauen spannende neue Sichtweisen ins Vereinsleben einbringen - und das hat einen positiven Effekt für Veränderungen. Vereine wünschen sich Frauen als Weggestalterinnen mit viel Selbstbewusstsein und würden sie in der Zukunft auch vermehrt als Vorsitzende in Ausschüssen oder an der Spitze sehen. Die gemeinwesenorientierte Erwachsenenbildung kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten und engagierte Frauen auf diesem Weg stärken und begleiten. Denn: Das inklusive Mitdenken unterschiedlicher Lebenswelten bei der Konzeption von Weiterbildungsveranstaltungen bewirkt, dass Freiwillige durch das Ehrenamt zu Akteur*innen in der Zivilgesellschaft werden, die sie sozial, kulturell und politisch mitgestalten.

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