Demokratiepolitische Bildung: Miteinander im Gespräch bleiben

14.09.2023, Text: Isolde Seirer-Melinz, Steirisches Volksbildungswerk/Ring ÖBW
Das Steirische Volksbildungswerk setzte das Pilotprojekt "Wir bleiben im Gespräch" mit Gemeinden in der Region Murau-Murtal in der Steiermark um. Im Fokus standen Weiterbildungen rund um die Themen Demokratie und Zusammenleben.
Zeichnung, im Zentrum des Bildes. Zwei Personen mit Laptop, darüber jeweils eine Sprechblase. Die Sprechblasen greifen wie ein Puzzle-Stück ineinander.
Ideen für ein gutes Miteinander und mehr Selbstwirksamkeit: Ausschnitt aus dem Cover der Broschüre "WIR BLEIBEN IM GESPRÄCH"
Montage: Alle Rechte vorbehalten, Gemini Labs/Shutterstock/Steirisches Volksbildungswerk, auf erwachsenenbildung.at
"Müssen wir getrennte Wege gehen, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind?", fragt Christian Mehlmauer-Ziesler, der im Projekt "Wir bleiben im Gespräch" in insgesamt sechs Kommunikationsworkshops rund 40 Teilnehmende aus Gemeinden in der Region Murau-Murtal begleitet hat. Im Mittelpunkt standen dabei der Dialog und die Kommunikation in der Krise. Gemeinsam wurde das eigene Kommunikationsverhalten in den Fokus gerückt und für komplexe Kommunikationsprozesse sensibilisiert. Der Trainer konnte dabei auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden eingehen und anhand konkreter Praxisbeispiele Handlungsoptionen mit der Gruppe entwickeln.

Hass im Netz: Vertiefende Online-Vorträge

Ergänzt wurden die Workshops durch Online-Vorträge von Expert*innen, die das Wissen rund um gesellschaftliche Entwicklungen wie etwa die Radikalisierung im Netz (Harald Koberg, Land Steiermark, Abteilung 6), Krisenbewältigung und Resilienz (Cornelia Forstner, KIT Steiermark), Diffamierung aufgrund von Herkunft, Geschlecht und sexueller Orientierung (Edith Zitz) sowie Strategien gegen Hass im Netz (Linda Candido, Gregor Fischer-Lessiak, Sonja Radkohl, Sarah Wiesinger von der Antidiskriminierungsstelle Steiermark) zum Thema hatten. Zum Projektabschluss entstand eine Broschüre (PDF), die Ideen für ein gutes Miteinander und für mehr Selbstwirksamkeit aufzeigt. Sie unterstützt dabei, krisenhafte Situationen zu erkennen und besser einzuschätzen. Außerdem macht sie Mut, einen – vielleicht ganz individuellen – Weg aus der Krise zu finden, bei dem das persönliche Umfeld und ein stabiles Netzwerk eine große Rolle spielen.

Tipps von den Profis

In den Workshops gaben die Expert*innen aus dem Projekt "Wir bleiben im Gespräch" verschiedene Impulse, damit Kommunikation in Krisenzeiten gelingen kann. Die zentralen Tipps kurz zusammengefasst:

Im Gespräch die Perspektive wechseln

Die Herausforderung guter Kommunikation bestehe darin, so Christian Mehlmauer-Ziesler, Informationen unmissverständlich und jenseits von Interpretationsspielräumen weiterzugeben. Dabei sind es meist Faktoren wie Zeit und Präzision, die im Alltag kaum zur Verfügung stehen. Die Folge: Missverständnisse, die zu Interpretationen und Auslegungen führen. So können Dynamiken und eine "Mission" entstehen, die anderen Gesprächspartner*innen vom eigenen – vermeintlich einzig "wahren" – Standpunkt zu überzeugen. Was hilft, ist, kurz die Perspektive zu verändern, um eine breitere Basis für ein Miteinander zu schaffen.

Öffentliche Debatten weniger emotional führen

Gerade Social Media-Plattformen profitieren von sozialen Spaltungen. Es gehe dabei weniger darum, so Harald Koberg, falsche Fakten zu korrigieren, sondern Sorgen und Bedürfnisse anzuerkennen, und darum, öffentliche Debatten abzukühlen. Menschen hätten die Tendenz, sich besonders mit Informationen auseinanderzusetzen, die die eigene Meinung bestätigen. Sie umgeben sich also mit Menschen, die ähnlich denken wie sie. Social Media Plattformen verstärken dieses Denken, und fördern Postings, die starke Emotionen hervorrufen. Eine Entspannung könne es vor allem im Versuch öffentliche und politische Debatten weniger emotional zu führen und die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen.

Rasche Solidarisierung und Sensibilisierung

Diffamierung, also organisierte und systematische Übergriffe, haben verstärkt durch Hass im Netz immer mehr zugenommen. Sichtbare, positionierte Frauen sind dabei besonders gefährdet. Edith Zitz beschreibt, wie bei Diffamierung geholfen werden kann: mit einer vorsorglichen Auseinandersetzung in der Organisation und rascher Solidarität sowie Sensibilisierung, aktiver Begleitung und Unterstützung, das Inanspruchnehmen von Unterstützungsstellen und Erzählungen über das positive Engagement der Person.

Melden von Hasspostings

Ein wichtiges Instrument, um gegen Angriffe im Netz vorzugehen, ist die BanHate-App als erste mobile Applikation gegen Hasspostings. Die von der Antidiskriminierungsstelle Steiermark entwickelte App ermöglicht das rasche, unbürokratische und plattformunabhängige Melden von Hasspostings, wie Daniela Grabovac ausführt. Das Hassposting wird dokumentiert und automatisch an die Antidiskriminierungsstelle weitergeleitet, wo sie rechtlich geprüft und dem jeweiligen Provider gemeldet werden. Bei strafrechtlicher Relevanz kann es zu einer Anzeige kommen.

Selbstwirksamkeit lernen

In Krisenzeiten ist Selbstwirksamkeit der Schlüssel, damit Menschen gestärkt aus schwierigen Lebenssituationen hervorgehen und diese nicht als Ohnmacht und Hilflosigkeit erleben, führt Cornelia Forstner vom Kriseninterventionsteam Steiermark aus. Es sei dabei wichtig, in kleinen Schritten Zukunftsperspektiven zu erarbeiten. Ein niederschwelliges Hilfsangebot unterstützt dabei, eine positive Selbsteinschätzung zu entwickeln und resilient im Umgang mit Herausforderungen zu werden.

 

Menschen in der Region Murau-Murtal wirksame Werkzeuge in die Hand zu geben, mit denen sie gut durch Krisen kommen und zu aktiv Handelnden werden, war der Anspruch des Pilotprojekts "Wir bleiben im Gespräch". Denn es ist wichtiger denn je, auch weiterhin gemeinsame Wege zu finden und das Miteinander in den Gemeinden zu fördern.

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