Interkultureller Austausch zum Lernen und Lehren in Community Medien

05.05.2023, Text: Tania Napravnik, COMMIT, Redaktion: Andrea Sedlaczek, COMMIT
Mitarbeiter*innen aus den Community Medien haben über Lern-Mobilitäten Konzepte und Erfahrungen des Medienhandelns im Kontext von Medien- und Informationskompetenz von Kolleg*innen aus Europa kennengelernt.
Eine Lautsprecherbox auf einem Regal, beschriftet mit "RADIO ARA". An einem Greifarm daneben hängt ein Foto des luxemburgischen Königspaars.
David Winkler-Ebner von Radio FRO, Linz, nahm an einer strukturierten Fortbildung zu kritischer Medienkompetenz bei Radio ARA in Luxemburg teil.
Foto: Alle Rechte vorbehalten, David Winkler-Ebner, Radio ARA, auf erwachsenenbildung.at
Im Rahmen des von COMMIT – Community Medien Institut initiierten Erasmus-Projekts "Lernen und Lehren in Community Medien" (gefördert im Erasmus+ Programmbereich Erwachsenenbildung) haben angestellte und ehrenamtliche Programmgestalter*innen von Community Medien in Österreich die Möglichkeit, sich im Rahmen von Auslandsaufenthalten (Einzelmobilitäten) fortzubilden. Dabei stehen ihnen zwei Möglichkeiten offen: Einerseits können sie via "Job Shadowing" spezifische Arbeits- bzw. Organisationsabläufe in europäischen Organisationen kennenlernen, und andererseits können sie an "strukturierten Fortbildungen" in Form von mehrtägigen Weiterbildungen oder Fachtagungen teilnehmen. Durch diese Optionen gelingt es den Reisenden, ihre fachlichen, persönlichen, sprachlichen und sozialen Kompetenzen zu erweitern. Sie lernen damit Community Medien im europäischen Kontext als Bildungsräume kennen und setzen sich mit unterschiedlichen Konzepten und Erfahrungen von Medien- und Informationskompetenz im interkulturellen Austausch auseinander.

 

Das Konsortium setzt sich aus fünf Partner*innen zusammen: Radio Helsinki (Graz), Radio B138 (Kirchdorf), Radio FRO (Linz), Radiofabrik (Salzburg) und COMMIT (Wien). Gemeinsames Ziel ist, Qualitätsverbesserung in Lehre, Organisation und redaktioneller Arbeit im Bereich der Community Medien zu erreichen. Darüber hinaus wird die Zusammenarbeit zwischen europäischen Bürger*innen mit unterschiedlichen kulturellen und biografischen Hintergründen gefördert.

 

Im Folgenden werden drei durchgeführte Mobilitäten exemplarisch vorgestellt, die den persönlichen und beruflichen Nutzen dieser Art von Fortbildung konkretisieren und Einblicke in die Arbeit von Community Medien in Europa und deren Potential als Bildungsräume geben.

Lustvolles Lernerlebnis

David Winkler-Ebner, Leiter der Aus- und Weiterbildung bei Radio FRO in Linz, beschreibt seine Eindrücke während seiner strukturierten Fortbildung zu Themen der kritischen Medienkompetenz bei Radio ARA in Luxemburg eindrücklich: "Die abstrakte Idee eines gemeinsamen Europas war plötzlich konkret und spürbar – das ist für mich eine der eindrücklichsten Erfahrungen meiner Mobilität." Nach dem Start seiner Tätigkeit bei Radio FRO in Linz zu Beginn der COVID-19-Pandemie war es für ihn ein wohltuendes Erlebnis, sich mit Kolleg*innen aus dem Sektor der Community Medien aus unterschiedlichen Regionen Europas "offline" austauschen und vernetzen zu können: "Es tat gut, zu sehen, dass an den Ideen und Zielen der Community Medien über nationalstaatliche Grenzen hinweg gearbeitet wird. Das hat in mir den Wunsch verstärkt, länderübergreifend diese Arbeit voranzutreiben." Insofern haben die Erfahrungen des Ausbildungsverantwortlichen während dieser Mobilität seine Motivation erhöht, sich mit Aspekten von Mehrsprachigkeit, sozialer Inklusion, Erwerb multipler Kompetenzen und lebenslanges Lernen zu beschäftigen.

Experimentieren im Radio

Lale Rodgarkia-Dara, die Geschäftsführerin von Radio Helsinki in Graz war zu Besuch beim experimentellen Radiosender "∏Node" in Paris. Bei diesem Job Shadowing stand sie im intensiven Kontakt mit Nicolas Horber, der für die Entwicklung des Vereins zuständig ist: Sein Anliegen ist es, Radiokünste zu unterstützen und geeignete demokratische Verbreitungswege für diese im Non-Profit-Bereich zu finden. Rodgarkia-Dara beschreibt ihren Aufenthalt wie folgt: „Ich wurde von Nikolas in die Programmierung und technische Ausgestaltung des Radios eingeführt. In einem weiteren Teil sind wir die legalen Aspekte eines DAB+ Radios in Frankreich durchgegangen und haben inhaltlich die Fragen der Partizipation und Inklusionsmechanismen analysiert. Das heißt, der laufende Betrieb des Radios wurde mir sowohl praktisch als auch analytisch nähergebracht.“ Darüber hinaus lernte sie die Unterschiede zwischen städtischen und urbanen Ansprüchen kennen: „Die Anforderungen von einem Radio, welches in der Großstadt (Paris) und gleichzeitig in einer Provinzhauptstadt (Mullhouse) existiert, sind schwer zu verbinden.“ Diese Einblicke brachten sie dazu, auch über deren mögliche Relevanz für die Situation in Österreich zu reflektieren.

Kritisches Medienhandeln: Über rechtsextremen Terror berichten

Unter dem Titel "Zukunftswerkstatt Community Media" fand im Oktober 2022 der jährliche Kongress des Bundesverbands Freier Radios (BFR) in Dresden statt. Insgesamt nahmen 127 Menschen an dieser Fachtagung teil. Tamara Ussner, Sendungskoordinatorin des Nachrichtenmagazins "VON UNTEN" bei Radio Helsinki, besuchte den Workshop "Umgang mit Rechtem Terror – Erinnerungskultur und Mahnung" auf der Fachtagung. Darin wurde am Beispiel des rechtsextremen Terroranschlags in München im Sommer 2016 der Umgang von Behörden, Politik und Öffentlichkeit mit Rassismus diskutiert.

 

In dem Workshop wurden die problematischen öffentlichen Narrative über den rechtsextremen Terroranschlag und deren Auswirkungen aufgezeigt. Zudem wurde erarbeitet, wie freie Radios zu einem anderen Umgang mit rechtsextremen Terroranschlägen beitragen können: So wurde im Rahmen des Workshops eine länderübergreifende Reihe von Gedenkveranstaltungen zu rechtsextremen Attentaten für das Jahr 2023 initiiert. Denn Gedenken sei ein zentrales Mittel, um rechtsextremem Terror vorzubeugen. Zudem wurde eine Plattform für Prozessbeobachtung von freien Radios angedacht, die eine Alternative zur oft verharmlosenden Berichterstattung von konventionellen Medien über Rechtsextremismus bieten könnte.

Vernetzung ist wichtig

Anhand dieser drei Beispiele zeigt sich die große Bandbreite an Themen und Anliegen, die Community Medien in Europa als Arbeits- und Bildungsorte auszeichnet. Im Austausch und Kennenlernen unterschiedlichster Themen und Arbeitsweisen liegt auch der persönliche und professionelle Nutzen der Einzelmobilitäten. Mit Job Shadowing und strukturierten Fortbildungen gelingt es angestellten und ehrenamtlichen Programmgestalter*innen der Community Medien in Österreich, sich in bestimmte Themen zu vertiefen und in einen grenzüberschreitenden Dialog zu treten, der für ihre eigene Arbeit inspirierend wirken kann. Die Einblicke in die wertvollen Lernerfahrungen, die durch Erasmus+ Lernmobilitäten möglich sind, können zugleich für andere Organisationen in der Erwachsenenbildung eine Anregung geben, auch ihren Mitarbeitenden diese Art der Fortbildung zu ermöglichen.

Weitere Informationen:

 

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