Am 10. Oktober startet die neue Vortragsreihe der ÖGPB

05.09.2023, Text: ÖGPB, Redaktion: Heidi Buchecker, ÖGPB
Klimawandel, Ukraine-Krieg, Corona: Öffentlich geführte politische Debatten sorgen für Polarisierung und die Frage nach dem "richtigen Wissen". Welche Antworten hat politische Erwachsenenbildung?
Foto Mikrofon
Die diesjährige Vortragsreihe thematisiert das Desinteresse der österreichischen Bevölkerung an Wissenschaft und Forschung.
Foto: CC BY, ÖGPB, auf erwachsenenbildung.at
Die Vortragsreihe der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung (ÖGPB) findet heuer unter dem Titel "Evidenzbasierter Glaube gegen postfaktische Herrschaftskritik" in Kooperation mit dem Depot und dem Institut füt Wissenschaft und Kunst (IWK) statt. In den beiden Häusern finden im Herbst 2023 vier Vorträge statt.

Perspektiven der politischen Erwachsenenbildung auf eine neue Verwerfung

Die Eurobarometer-Umfrage 2021 attestierte der österreichischen Bevölkerung auffallendes Desinteresse an Wissenschaft und Forschung. Den positiven Einfluss der Wissenschaft auf die Gesellschaft schätzt sie als sehr gering ein, und rund ein Drittel der hierzulande Befragten glaubt außerdem, Forscher*innen seien nicht ehrlich. Die relativ große Anzahl der Impfgegner*innen in Österreich verstärkt ebenfalls die Vermutung, wir würden in der Hochburg der Wissenschaftsskepsis leben.

 

Die weltweiten Demonstrationen und andere Protestaktionen gegen staatlich verordnete Maßnahmen während der Corona-Pandemie relativieren jedoch diesen Befund; wir haben es wohl mit einem globalen Phänomen zu tun: Spaltung der Gesellschaft entlang der Frage nach dem "richtigen" Wissen und dem Umgang der Politik damit.

 

Zwar wurde diese neue Verwerfung im Zuge der Pandemie manifest, aber öffentlich geführte politische Debatten, die wissenschaftliche Evidenz und Expertise auf den Plan rufen, sorgen schon seit Langem für Polarisierung. Dazu zählt jedenfalls die Frage, inwieweit der sogenannte Klimawandel menschengemacht ist. Sogar in der Diskussion über den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine werden derzeit Argumente herangezogen, die oft mit Expert*innenwissen unterfüttert werden – etwa zur Frage nach Reichweite und Effizienz von Waffen.

 

Wir haben es mit einer Kraftlinie zu tun, die das politische Spektrum ebenso durchkreuzt wie soziale Schichten und Milieus. Auf der einen Seite befinden sich die "Wissenschaftstreuen", die in "Corona-" und "Klimawandel-Leugner*innen" oder "Putin-Versteher*innen" nur Dummheit erblicken – und selbst für einen Glauben an die Wissenschaft eintreten. Die andere Seite wiederum führt ebenso Argumente für ihre Verweigerung staatlich angeordneter Maßnahmen an, welche allerdings eher durch Verschwörungstheorien oder umstrittene "Expert*innen" untermauert werden. Dabei pochen sie auf ihre Meinungsfreiheit, Verordnungen kritisieren zu dürfen. Wir haben es also mit einer paradox anmutenden Polarisierung zu tun, die – etwas überzeichnet formuliert – lautet: evidenzbasierter Glaube gegen postfaktische Herrschaftskritik.

 

Die Lage ist dermaßen überspannt, dass der liberal-demokratische Rahmen für öffentliche Debatten zu reißen droht. Als Lösung dieses Problems werden oft eine bessere Wissenschaftskommunikation und breite Vermittlung von Medienkompetenz verschrieben. Deuten diese Lösungsansätze aber darauf hin, dass das Problem tatsächlich auch in seiner ganzen Komplexität erkannt wurde? Und: Welche Antworten hat politische Erwachsenenbildung kurz- und mittelfristig auf diese neue Verwerfung?

Vier Vorträge von Oktober bis Dezember 2023

Mit "Evidenzbasierter Glaube gegen postfaktische Herrschaftskritik" setzt die ÖGPB  ihre seit 2010 stattfindende jährliche Vortragsreihe zur politischen Erwachsenenbildung auch 2023 fort. Neben dem langjährigen Kooperationspartner Depot ist heuer das Institut für Wissenschaft und Kunst (IWK) Mitveranstalter. In den beiden Häusern finden im Herbst 2023 bei freiem Eintritt vier Vorträge zu den oben geschilderten Fragen statt:

Melanie Pichler: Die Klimakrise bearbeiten, aber wie?

Am Dienstag, 10. Oktober 2023, 19:00 Uhr, Depot, Wien

Mit der Zuspitzung der Klimakrise nehmen auch in Österreich die gesellschaftlichen Konflikte zu. Klimaaktivist*innen fordern ein entschlosseneres Vorgehen der Politik, fossile Lobbys verteidigen ihre Geschäftsmodelle und wütende Bürger*innen ihre Alltagsgewohnheiten. Die Frage ist dabei weniger, ob der Klimawandel menschengemacht ist, sondern wie wir als Gesellschaft damit umgehen. Der Vortrag diskutiert den politischen Charakter der Klimakrise und analysiert unterschiedliche Strategien im Umgang mit den Ursachen und Folgen ebendieser. Vortragende ist Melanie Pichler (Politikwissenschafterin, Universität für Bodenkultur, Wien).

Mona Singer: Wissenschaftsbarometer und Klimawandel

Am Donnerstag, 9. November 2023, 19:00 Uhr, Depot, Wien

Als Reaktion auf die Eurobarometer-Umfrage 2021 wurde ein österreichisches Wissenschaftsbarometer installiert. Was aber soll mit diesem Barometer gemessen, was als "Einstellungen" erhoben werden? Was soll als "Vertrauen in Wissenschaft" nun angesichts des Klimawandels zählen? Wie verändert die ökologische Krise Wissenschafts- und Technikverständnisse‚ inwiefern ist dabei Wissenschaftsskepsis im Verbund mit Technikgläubigkeit als paradoxes Denkverhältnis zu verstehen? Vortragende ist Mona Singer (Philosophin, Wien).

Christine Tragler: Wie Wissenschaft vermitteln?

Am Donnerstag, 23.November 2023, 19:00 Uhr, IWK, Wien

Laut ÖAW-Wissenschaftsbarometer vertraut rund ein Drittel der Österreicher*innen der Wissenschaft wenig oder gar nicht. Gegen Austro-Wissenschaftsskepsis gibt es kein Patentrezept. Aber: Die Übersetzung komplexer wissenschaftlicher Inhalte in Richtung Öffentlichkeit schafft ein Gegengewicht zur grassierenden Desinformation. Wie greift man Forschungsberichte auf, denkt und gibt sie weiter? Und wie kann vereinfacht dargestellt werden, was wissenschaftliche Evidenz ist, ohne dabei zu verfälschen? Vortragende ist Christine Tragler (Redakteurin, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien).

Alexander Bogner: Wie viel Wissen braucht die Demokratie?

Am Dienstag, 5. Dezember 2023, 19:00 Uhr, Depot, Wien

Klimawandel, Covid-19, Energiekrise: Demokratische Politik ist in vielen Fällen auf wissenschaftliche Expertise angewiesen. Dadurch wird Expertise selbst zum Politikum. Manche fordern "Follow the science!"; andere lehnen die Wissenschaft rundweg ab. Im Vortrag wird diskutiert, wann Wissenschaft und Demokratie in ein Spannungsverhältnis geraten und wie man damit konstruktiv umgehen sollte. Vortragender ist Alexander Bogner (Soziologe an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien).

Weitere Informationen:
Creative Commons License Dieser Text ist unter CC BY 4.0 International lizenziert.

Verwandte Artikel