Ethisch handeln in der digitalen Erwachsenenbildung
Ethik ermöglicht uns, das eigene Handeln kritisch zu hinterfragen, mit dem Ziel richtige Entscheidungen zu treffen und gut zu leben. Viele unterschiedliche Berufsfelder, Institutionen und Unternehmen haben nach und nach erkannt, wie wichtig ethisch begründetes Handeln ist und entsprechende Bereichs- und Berufsethiken eingeführt. In ihrem Beitrag zur neuen Ausgabe des Magazin erwachsenenbildung.at fordern Matthias Rohs und Nils Bernhardsson-Laros auch für die digitale Erwachsenenbildung eine eigene Bereichsethik. Eine solche kann nicht nur für einen gerechten Zugang zu Bildungsangeboten und faire Bedingungen für Teilnehmende sorgen, sondern auch Hürden sichtbar machen und frühzeitig Maßnahmen ergreifen.
Wozu braucht die Erwachsenenbildung Ethik?
Selbstreflexion ist in der Erwachsenenbildung ebenso wichtig, wie einen Raum für Kritik zu schaffen. Beides kann mögliche Nachteile oder Unstimmigkeiten aufdecken und die nötigen Lösungen vorbringen. Damit das gelingt, ist es wichtig, dass ErwachsenenbildnerInnen Potenziale für Verbesserungen erkennen und diese umsetzen. Ethisches Handeln spiegelt sich auch im „Bildungsauftrag" der ErwachsenenbildnerInnen wider. Bildungsinhalte ausgewogen zu recherchieren und verantwortungsvoll aufzubereiten ist dabei nicht die einzige Aufgabe. Ebenso wichtig ist es, die Medien- und Informationskompetenzen der Lernenden zu stärken, um Desinformation im Internet entgegenzuwirken. Auch auf nachteilige Ergebnisse oder „Nebenwirkungen" im Zuge digitaler Entwicklungen aufmerksam zu machen, ist Teil des ethischen Bemühens.
Wenn es auch einzelne wesentliche ethische Beiträge in der digitalen Erwachsenenbildung gibt, so fehlt Rohs und Bernhardsson-Laros zufolge bisher eine eigene Bereichsethik. Diese könnte auch bei neu aufkommenden Herausforderungen fundierte Handlungsempfehlungen bereitstellen. Ihre Dringlichkeit ergibt sich nicht zuletzt aufgrund des rasanten Fortschritts der Digitalisierung.
Von Antidiskriminierung bis hin zu fairer KI
Wie lässt sich die Erwachsenenbildung aktiv ethisch gestalten? KursanbieterInnen in der Erwachsenenbildung können für Antidiskriminierung und Barrierefreiheit sorgen, indem sie sich für einen gerechten und multiperspektivischen Zugang zu den Angeboten einsetzen.
Die Privatsphäre der NutzerInnen digitaler Medien zu wahren, ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Eine Webcam erfasst nicht nur die Person vor dem Monitor, sondern mitunter auch den gesamten Raum, in dem sie sich befindet. Einblicke in die aktuelle Wohnsituation werden so unfreiwillig gewährt. Durch sogenanntes „facial recognition" können Teilnehmende gezielt beobachtet werden, um etwa das Schummeln bei einem Test zu verhindern. Das Wissen um die Preisgabe privater Daten und das Gefühl permanenter Beobachtung können psychischen Stress auslösen.
Weiters sollten Bildungseinrichtungen mit den gesammelten Daten verantwortungsbewusst umgehen. Über die Ansammlung großer Datenmengen und insbesondere die Kombination mehrerer Datenquellen können sich Machtstrukturen einzelner privater wie auch staatlicher Akteure abzeichnen. Um dem entgegenzuwirken, hilft es DSGVO-konforme Tools lokaler Anbieter den Tech-Giganten wie Google vorzuziehen.
Auch der Einsatz KI-gesteuerter Software oder „digitaler LehrerInnen" kann ein Gefahrenpotenzial bergen, das entsprechende Vorkehrungen verlangt. Werden einer Lernsoftware etwa überwiegend Daten einer homogenen Gruppe zugeführt, so würde das zur Diskriminierung von Minderheiten und ihrer Interessen führen. In Kombination mit Algorithmen, die Vorhersagen treffen, kann das zu riskanten und höchst unmoralischen Vorurteilen führen.
Was eine Bereichsethik leisten kann
Im Mittelpunkt einer eigenen Bereichsethik stünde die Beantwortung der Frage: Wie sollen Institutionen der Erwachsenenbildung und einzelne Lehrende handeln? Eine Bereichsethik wäre darum bemüht, die zahlreichen digitalen Neuerungen in Erfüllung ethischer Prinzipien zum Wohle aller umzusetzen. Auf Basis von Erhebungen und Evaluationen in der digitalen Erwachsenenbildung kann unter ethischer Anleitung Handlungsorientierung geschaffen werden. Diese Entwicklung könnte durch den Einsatz bestimmter Webinarformate unterstützt werden, wie etwa des Disqspace, des Barcamp, des World Café, oder der Verwendung von Breakout-Räumen.
Studien zur Psychologie des Online-Raumes oder der Rolle des eigenen Körpers in einer zunehmend digitalisierten Welt, sowie die Aufklärung über Stress am digitalen Arbeitsplatz sind wichtige Themen, die in die Bereichsethik einfließen. Im Bemühen um Lösungen können ErwachsenenbildnerInnen den Blick für informelle Begegnungen in Onlinemeetings schärfen, darauf achten, dass die Bedarfe aller Beteiligten gedeckt werden und für Transparenz der jeweiligen Lern- und Bildungsangebote, der Kosten sowie der in Aussicht gestellten Erfolge sorgen.
Digitalität und Erwachsenenbildung: Nahbar durch Ethik
Aufgabe der Ethik in der digitalen Erwachsenenbildung ist die kritische Evaluation und Mitgestaltung der Bildungsangebote, sowie ihre barriere- und diskriminierungsfreie Umsetzung. Das möglichst umfangreich zu realisieren, bedarf einer eigenen Bereichsethik, wie Rohs und Bernhardsson-Laros argumentieren. Damit würde die Erwachsenenbildung nicht nur ihr eigenes Feld stärken, sondern Digitalisierung im Allgemeinen positiv beeinflussen.
Rohs, Matthias/Bernhardsson-Laros, Nils (2022): Digitalisierung als ethische Herausforderung für die Erwachsenenbildung. Ein Anstoß für die Entwicklung einer Bereichsethik aus Sicht der Erwachsenenbildungsforschung. In: Magazin erwachsenenbildung.at. Das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs. Ausgabe 44-45. Online: https://erwachsenenbildung.at/magazin/ausgabe-44-45.
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