Der Nationale Qualifikationsrahmen - was bringt er der Erwachsenenbildung?

28.09.2023, Text: Giselheid Wagner, wba, Redaktion: Karin Reisinger, wba
Es ist etwas still geworden um den Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) in der Erwachsenenbildung. Ein Blick auf Entwicklungen der letzten Zeit.
Ein Puzzle-Teil fügt sich ein
Was kann der NQR der Erwachsenenbildung bringen?
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2018 war es soweit: Erste Bildungsangebote wurden in den österreichischen Qualifikationsrahmen eingeordnet. Angetreten war der NQR mit dem Ziel, Bildungsabschlüsse EU-weit vergleichbarer und Bildungssysteme transparenter zu machen. Besonderheit: Österreich gehört zu den wenigen Ländern, in denen auch non-formale Qualifikationen, also z.B. Lehrgänge aus der Erwachsenenbildung, eingestuft werden können. Doch wie steht es Jahre nach dem Start um den NQR?

Sichtbarkeit im Qualifikationsregister

Eingeordnete Qualifikationen sind im Qualifikationsregister samt Stufe, Anbieter und Lernergebnissen öffentlich sichtbar. 108 Qualifikationen sind aktuell eingeordnet, davon 38 aus dem non-formalen Bereich. Mehrere Anbieter von Trainer:innenausbildungen haben diese Möglichkeit bereits genutzt. Sie stammen aus dem Jugendbereich bzw. der Outdoorpädagogik sowie der Erwachsenenbildung und sind meist in den Stufen 4 und 5 eingeordnet. Zum Vergleich: Der Lehrabschluss ist auf Stufe 4, der Abschluss einer Berufsbildenden Höheren Schule auf 5.

Einreichprozess für nicht-formale Qualifikationen

Während formale Qualifikationen auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, Curricula in umfassenden Prozessen entwickelt werden und Ministerien als deren "Anbieter" fungieren, ist das Bild in der Erwachsenenbildung diverser: Hier gibt es keine gesetzlichen Regelungen und eine Vielzahl an Anbietern, die ihre Curricula selber entwickeln – mit sehr unterschiedlicher Erfahrung und Qualität. Deshalb wurde bei der Entwicklung des NQR vorgesorgt: Nicht-formale Qualifikationen müssen die Beratung einer offiziell ernannten NQR-Servicestelle in Anspruch nehmen, wenn sie eine Qualifikation in den NQR einreichen wollen. Im Ansuchen müssen Lernergebnisse sowie geeignete Prüfverfahren beschrieben und die angestrebte NQR-Stufe schlüssig argumentiert werden.

Qualitätsentwicklung

Es zeigt sich, dass dieser Prozess durchaus aufwändig ist, nicht alleine deshalb, weil Lernergebnisorientierung in der Erwachsenenbildung bislang nur eine untergeordnete Rolle spielt. Dabei geht es nicht um reines "Umformulieren", sondern um eine in sich stimmige Darstellung der Qualifikation: Alles muss zusammen passen. Um argumentieren zu können, inwiefern die Ausbildung einer Stufe im NQR entspricht, braucht es erst einmal Klarheit über die eigenen Ziele. Welche Zielgruppen werden angesprochen? Zu welcher (beruflichen) Tätigkeit befähigt die Ausbildung? Und welche Kompetenzen sind dafür nötig? Das ist nicht immer eindeutig – und manche Anbieter kommen darauf, dass sie ihren Lehrgang nachschärfen und weiter entwickeln müssen.

Sichtbarkeit und Marketing-Effekt

Wie ein Blick auf das Qualifikationsregister zeigt, ist der NQR dennoch für Anbieter attraktiv, vor allem für jene, die schon länger aktiv sind und umfassende, stabile Ausbildungen anbieten. Natürlich wird die Einstufung auch für die Vermarktung genutzt, was zwar nicht grundsätzlich so intendiert, aber verständlich ist. Einigen ist auch das bildungspolitische Signal sehr wichtig, so z.B. der Weiterbildungsakademie Österreich (wba), deren wba-Zertifikat "Zertifizierte Erwachsenenbildner:in" als eine der ersten non-formalen Qualifikationen 2020 in den NQR aufgenommen wurde. Das wba-Diplom folgte 2021 auf Stufe 6, was ihn auf die gleiche Stufe wie den Bachelor oder den Ingenieursabschluss hebt.

Signal für die Professionalisierung

Doris Wyskitensky, Leiterin der Abteilung Erwachsenenbildung im BMBWF, sagte damals dazu: "Die Einordnung des wba-Diploms auf Stufe 6 des Nationalen Qualifikationsrahmens ist ein weiterer Meilenstein für die Professionalisierung der österreichischen Erwachsenenbildung. Sie steht für Transparenz und Vergleichbarkeit auf europäischem Niveau und belegt die hohe fachliche Leitungskompetenz von wba-diplomierten Erwachsenenbildner:innen." Sie hebt hervor, dass Absolvent:innen von NQR-gelisteten Qualifikationen dies als "Ausweis" ihrer hochwertigen Kompetenzen verstehen dürfen. Gerade für Personen ohne hohe formale Bildungsabschlüsse kann eine erwachsenenbildnerische Ausbildung auf Niveau 5 oder 6 ein wichtiges Signal sein und auch im Ausland als Vergleichsanker verwendet werden.

Orientierender Charakter

Freilich sind dem NQR Grenzen gesetzt: Er hat offiziell nur orientierenden, nicht regulierenden Charakter. Dies bedeutet, dass eine non-formale Ausbildung auf Stufe 6 des NQR nicht mit einem Bachelorgrad gleichgesetzt werden kann oder nicht Zugang zu einer akademischen Ausbildung auf Stufe 7 (Master) ermöglicht. Generell bedeutet der Abschluss einer Stufe nicht, dass man automatisch Zugang zu einer Ausbildung der nächst höheren Stufe hat.

Es ist klar, dass besonders Anbieter aus der Erwachsenenbildung sehr genau überlegen müssen, ob sich eine NQR-Einstufung lohnt: Passt die Qualifikation in den NQR? Erfüllt sie die Voraussetzungen? Dazu kommen der aufwändige Einreichprozess, der Personalressourcen bindet sowie die Kosten, die durch die kostenpflichtige Beratung der NQR-Servicestellen entstehen. Ein wenig Idealismus für die Sache ist bei vielen mit dabei. 

NQR als "work in progress"

Es bleibt für die steuernden bildungspolitischen Stellen noch einiges zu tun, um die angestrebte europäische Vergleichbarkeit Wirklichkeit werden zu lassen. Eine europäische Datenbank ist zwar vorhanden, aber für Durchschnittsbürger:innen dürfte es nicht einfach sein, Vergleichbares zu finden und ausländische Qualifikationen zu verstehen. Um den NQR für non-formale Qualifikationen attraktiver zu machen, braucht es noch Argumente. Der Nutzen einer Einstufung sollte mehr sein als ein Pluspunkt für das Marketing.

Durchlässigkeit muss mehr sein als nur schöne Worte

Aufwertung, verbesserte Sichtbarkeit und erhöhte Durchlässigkeit zum formalen Bildungsbereich (auch dem hochschulischen!) sind Wünsche und Ziele der Erwachsenenbildung. Immerhin stellt sie – bezogen auf die Teilnehmendenzahlen – den größten Sektor im Bildungswesen dar. Wenn der NQR in diese Richtung mehr Wirkung entwickelt, wird er sich zu einer Erfolgsgeschichte für das gesamte Bildungssystem entwickeln.

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