25 Jahre überbetriebliche Lehrausbildung in Österreich und am BFI

08.09.2023, Text: Michael Sturm, BFI Österreich, Redaktion: Michaela Schneider, BFI Österreich
Seit den 1990er Jahren bieten die BFIs Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die keine Lehrstelle finden, überbetriebliche Ausbildungsplätze zur Absolvierung der Lehre an.
Eine junge Frau und ein junger Mann mit einem Ausbilder an einer Maschine
In den Lehrwerkstätten des BFI Steiermark
Foto: Alle Rechte vorbehalten, BFI Steiermark, Die überbetriebliche Lehrausbildung am BFI führt zu einem vollwertigen Lehrabschluss, auf erwachsenenbildung.at

Die Anfänge

Da sich Mitte der 1990er Jahre die Betriebe in Österreich immer häufiger aus der dualen Ausbildung zurückzogen und viele Jugendliche keine Chance auf eine Berufsausbildung hatten, wurden die BFIs aktiv und entwickelten alternative Modelle. Der Verein zur Förderung von Arbeit und Bildung (FAB) – eine Tochter des BFI Oberösterreich – startete 1996 als besondere selbständige Ausbildungseinrichtung gemäß § 30 Berufsausbildungsgesetz (BAG) mit Lehrlingsausbildungen auf trialer Basis: Die theoretische Ausbildung fand wie gewohnt in der Berufsschule statt, die praktische Ausbildung erfolgte jedoch in Form von Praktika bei Partnerbetrieben in den Regionen, und den Förderunterricht sowie die Vermittlung von Zusatzqualifikationen übernahm das BFI. Ein Jahr später begann das BFI Wien unter dem Projektnamen "Jobstart" mit der trialen Lehrlingsausbildung. Andere BFIs setzten im Rahmen des Nationalen Aktionsplans für Beschäftigung (NAP) regionale Initiativen zur Lehrlingsausbildung in Form von Berufslehrgängen oder Lehrlingsstiftungen um.

Das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz

Da sich die Lehrstellenkrise immer mehr zuspitzte, wurde unter der Bundesregierung Klima 1998 das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz (JASG) beschlossen. Dieses sah – zunächst auf ein Jahr befristet – die öffentliche Förderung von 4.000 Ausbildungsplätzen vor, um für die Abgänger:innen der Schuljahrgänge 1998 und 1999 genügend Möglichkeiten zur Berufsausbildung bereitzustellen. Oberste Priorität sollte dabei der Übertritt in ein betriebliches Lehrverhältnis haben. Die Beauftragung der Ausbildungseinrichtungen und die Zuweisung der Teilnehmer:innen erfolgte durch das Arbeitsmarktservice (AMS). Die anhaltend schlechte Lehrstellensituation führte in der Folge zur Verlängerung und Ausweitung des JASG auf andere Jahrgänge und damit auch auf junge Erwachsene. Bereits im ersten Jahr schufen die BFIs rund 2.000 Ausbildungsplätze.

Die Ausbildungsgarantie

Weil sich auch in den darauffolgenden Jahren keine Besserung am Lehrstellenmarkt abzeichnete, gab die Bundesregierung Gusenbauer 2008 statt des bisherigen "Auffangnetzes für Jugendliche" eine "Ausbildungsgarantie bis 18" ab. Dazu wurde in § 30b BAG die überbetriebliche Lehrausbildung (ÜBA) der dualen gleichgestellt und das AMS konnte ohne Einwilligung des Wirtschaftsministeriums allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, bei denen eine Vermittlung in ein betriebliches Lehrverhältnis nicht zustande kam, einen Lehrgangsplatz in einer überbetrieblichen Ausbildungseinrichtung zuweisen. Von der ÜBA ist zwar weiterhin jederzeit ein Umstieg auf ein betriebliches Lehrverhältnis möglich, sie kann seither aber auch zur Gänze in dieser Form absolviert werden und führt mit erfolgreicher Ablegung der Lehrabschlussprüfung zu einem regulären Lehrabschluss.

Die quantitative Entwicklung

In den Folgejahren nahm der Bedarf an Ausbildungsplätzen in der ÜBA weiter zu. Die Zahl der Plätze in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen stieg von 2010 bis 2017 jährlich auf über 9.000 und deckte bis zu 8,6 % aller Lehrstellen in Österreich ab. Von den Bildungseinrichtungen hatte das BFI schon immer das größte Kontingent. Der Spitzenwert mit 4.903 zugewiesenen Plätzen wurde 2016 erreicht. Danach sanken die Zahlen wieder leicht. Derzeit, im Ausbildungsjahr 2022/23, machen 4.157 Jugendliche ihre Lehrausbildung an einem BFI. Das entspricht einem Anteil von 3,8 % aller österreichischen Lehrlinge (Quellen: ibw-Forschungsbericht Nr. 212, S. 171; BFI-Lehrlingsstatistik). Zum Vergleich: Traditionell viele Lehrlinge gibt es im Gewerbe, in der Industrie und im Handel. SPAR bildet nach eigenen Angaben in Österreich rund 2.500 Lehrlinge aus, die REWE-Gruppe 2.300, die ÖBB 2.100, XXXLutz 1.500 und die voestalpine 1.400. An diesen Zahlen ist abzulesen, dass das BFI zurzeit der größte Ausbildungsträger ist. In der ÜBA am BFI werden die Jugendlichen aktuell in 88 verschiedenen Lehrberufen ausgebildet. "Wir füllen damit seit 25 Jahren eine Lücke, die die heimischen Betriebe im Rahmen des dualen Systems nicht selbst schließen, und stellen sicher, dass alle Jugendlichen, die das wollen, unmittelbar nach der Schule mit ihrer Berufsausbildung beginnen können", ist Michael Sturm, der Geschäftsführer des BFI Österreich, stolz auf die Leistungen der BFIs.

Die Lehre mit Matura

Seit Herbst 2008 können sich Lehrlinge neben ihrer Berufsausbildung unentgeltlich auf die Berufsreifeprüfung vorbereiten und Teilprüfungen ablegen. Das Förderprogramm "Berufsmatura: Lehre mit Reifeprüfung" wird vom Bildungsministerium finanziert. Eine bestandene Berufsreifeprüfung verschafft Zugang zu allen weiterführenden Bildungswegen. Zumindest eine der vier Teilprüfungen muss als Externistenprüfung an einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten höheren Schule stattfinden. Die anderen drei können auch an einer anerkannten Erwachsenenbildungseinrichtung (gemäß Erwachsenenbildungsförderungsgesetz) abgelegt werden, die Vorbereitungslehrgänge anbietet. Das BFI ist einer der wenigen anerkannten Anbieter. Derzeit halten die BFIs österreichweit für knapp 3.600 Lehrlinge rund 300 Vorbereitungslehrgänge ab. Die Erfolgsquote bei den Prüfungen lag am BFI zuletzt mit 88,0 % deutlich über dem Schnitt der Gesamtbeurteilungen in der Erwachsenenbildung (83,5 %), was die Qualität der Vorbereitung, aber auch das Potenzial der Jugendlichen unterstreicht (Quellen: Statistik Austria, Berufsreifeprüfung Haupttermin 2022, Tabellen 2.3 und 2.4: Gesamtbeurteilungen an Einrichtungen der Erwachsenenbildung; BRP-Statistik des BFI).

Das Resümee

Auch wenn sich die Lehrstellensituation insgesamt leicht gebessert hat, regional und branchenspezifisch gibt es nach wie vor Defizite, und unabhängig von der konjunkturellen Entwicklung und dem Lehrstellenangebot besteht besonders bei arbeitsmarktfernen Jugendlichen Bedarf an überbetrieblichen Ausbildungsplätzen. Nach 25 Jahren ist die ÜBA längst fixer Bestandteil der Berufsausbildung und wird das in absehbarer Zeit bleiben. "Das BFI leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur Lehrlingsausbildung in Österreich und eröffnet damit vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen berufliche Zukunftschancen. In den Lehrgängen mit den Betriebspraktika und in unseren topausgestatteten Lehrwerkstätten sind wir immer am letzten Stand und können die ganze Breite der Berufsbilder abdecken. Mit der ÜBA sind wir der betrieblichen Ausbildung qualitativ zumindest ebenbürtig", ist Sturm überzeugt.

 

Über den Autor: Michael Sturm ist Geschäftsführer des Berufsförderungsinstituts Österreich. Er referiert und publiziert zu den Themen Erwachsenenbildung, Qualifizierung, Qualitätsentwicklung und Professionalisierung.

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