"Bling – Stadt des Erfolgs": Planspiel zu Finanzmarkt und Gesellschaft

23.06.2023, Text: Mario Taschwer, Attac Österreich, Redaktion: Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
Das Planspiel zeigt die Auswirkungen der Finanzmärkte auf die Gesellschaft: Kann die Mehrheit die Gesetze zu ihren Gunsten ändern oder gewinnen die Investor:innen?
Personen sitzen an einem Tisch mit Spielunterlagen - sie sortieren Bohnen
Die Spieler:innen sortieren Bohnen - im Spiel symbolisiert das die (Lohn-)Arbeit, die es braucht, um Grundbedürfnisse zu decken.
Foto: Alle Rechte vorbehalten, Bling – Stadt des Erfolgs, BHAK22, auf erwachsenenbildung.at
„Bohnen zu sortieren war hart - wenn man nicht reich ist oder geerbt hat, schafft man es kaum, das nötige Geld fürs Wohnen aufzutreiben," reflektiert eine der Spieler:innen darüber, wie schwer es ist, die notwendigen Grundbedürfnisse zu befriedigen. Im Spiel simuliert das Sortieren von Bohnen die tägliche harte Arbeit vieler Menschen.

 

Was heißt es für eine Gesellschaft, wenn Wohnungsbetreiber:innen gewinnorientiert wirtschaften? Wie wirkt sich die Kommerzialisierung öffentlicher Räume aus? Welche Folgen könnte umgekehrt die Vergesellschaftung von privaten Wohnungsgesellschaften haben? Diese Fragen werden spielerisch erlebbar und anschließend reflektiert.

 

Seit Anfang 2023 kann man mit Attac Österreich das Plan- und Rollenspiel „Bling – Stadt des Erfolgs“ zum Thema Finanzmärkte spielen. Es gibt die Möglichkeit, ein Spiele-Team zu buchen oder selbst aktiv zu werden – die Materialien sind frei auf attac.at/bling verfügbar!

Beschreibung und Ablauf des Planspiels

Das Spiel macht Zusammenhänge zwischen Finanzmärkten und Alltagsleben auf spielerische Weise erfahrbar. Die Spieler:innen verbringen sechs Spiele-Jahre in der fiktiven Stadt „Bling“. Sie ziehen zunächst Rollenkarten, die ihre Ausgangspositionen mit individuellen Besonderheiten bestimmen. Anschließend versuchen sie sechs Runden lang ihre Ausgangsposition zu verbessern. Dafür müssen sie in den Bereichen Wohnen, Soziales und Gesundheit Punkte („Blings“) sammeln.

 

Überschüssige Punkte („Goldblings“) können am Finanzmarkt investiert oder zum Kauf von Erleichterungskarten eingesetzt werden, die wiederum das Sammeln der Punkte vereinfachen. Außerdem gibt es den Politikbereich, an dem sich alle Spieler:innen beteiligen und Gesetze beschließen können, die sich auf den Spielverlauf auswirken.

Ökonomische Benachteiligung erfahrbar machen

„Als alleinerziehende Mutter ist man im Hamsterrad gefangen und hat keine Chance sich mit Politik zu beschäftigen", sagt einer der männlichen Spieler über seine Rolle.

 

Den Teilnehmer:innen wird zu Spielbeginn ein sozialer Hintergrund zugelost. Sie können dann auf spielerische Weise entdecken und erfahren, wie unterschiedlich die Möglichkeiten sind, um sich am wirtschaftlichen und politischen Leben zu beteiligen. Es wird sichtbar, wie Menschen beispielsweise aufgrund von Geschlecht oder Hautfarbe an den Rand gedrängt werden. Im Spiel kann aber auch erprobt werden, wie sich Bedingungen verbessern lassen, wenn Menschen aus der scheinbar vorgegebenen Konkurrenz ausscheren, miteinander kooperieren und die Spielregeln (Gesetze) zum Besseren verändern.

 

Attac verfolgt mit dem Planpiel nicht nur das Ziel, die Verhältnisse theoretisch zu diskutieren, sondern auch auf emotionaler Ebene erfahrbar zu machen. Spieler:innen berichten von der Belastung, die sie aufgrund der strukturellen Benachteiligung spüren, wenn sie im Spiel mit der Erhaltung der eigenen Existenz so stark unter Druck sind, dass soziale und demokratische Prozesse nicht gelebt werden können. Es ist frustrierend, ungleiche Chancen zur politischen Beteiligung, zum sozialen Aufstieg und auf ein gutes Leben zu haben – das zeigt das Spiel auf. Aufgrund der emotionalen Lernerfahrung bleibt das Thema bei den Teilnehmer:innen länger präsent, und sie diskutieren die Erfahrungen, Inhalte und Lernprozesse in ihrem Umfeld.

Gemeinsame Reflexion für eine kritische Bewusstseinsbildung

Das Spiel sieht vor, nach der Spielphase die gemeinsame Reflexion mit allen Spieler:innen zu nutzen, um auch von den Eindrücken anderer lernen zu können. In dieser Phase schildern die Teilnehmer:innen ihre Erfahrungen und entwickeln dadurch ein kritisches Bewusstsein dafür, dass die Ausgangslage einer Person ihr weiteres Leben stark bestimmt: Wie gut ist gesellschaftliche Teilhabe überhaupt möglich, wenn die Bewältigung des Alltags alle Ressourcen bindet? Wie sehr ist politisches Engagement von den eigenen Ressourcen abhängig? Ist da aktive Demokratie noch lebbar?
Und so stellen sich viele Fragen, aus denen Teilnehmer:innen konkrete Ideen zur Verbesserung der geschilderten Probleme sammeln und diskutieren können. Die Reflexion umfasst sowohl das emotionale Erleben des Spiels als auch eine Übertragung der Spielsituation auf die realen Verhältnisse.

 

Die Spieler:innen werden für gesellschaftliche Probleme sensibilisiert und lernen, wie durch Kooperation Verbesserungen für alle erreicht werden können. Außerdem unterstützt das Spiel die Teilnehmenden dabei, Motivation und konkrete Ideen für positive Veränderung über das Spiel hinaus zu entwickeln.

Materialien zum Planspiel sind frei zu nutzen

Alle Materialien des Planspiels „Bling“ stehen unter einer Creative Commons Lizenz, sodass jede:r die Materialien und die Anleitung unter Einhaltung der Lizenz-Bedingungen frei nutzen, neu zusammenstellen und verändern kann. Fast die gesamte Entwicklung des Spiels basiert auf ehrenamtlicher Arbeit.

Spiel-Leiter:innen buchen

Wer Fragen zum Spiel hat, selbst mitspielen oder das Spiele-Team buchen möchte, kann sich bei den Initiator:innen des Spiels von Attac melden. Das Spiele-Team von Attac kommt mit allen Materialien in die Bildungseinrichtung.

 

Das sind die Voraussetzungen für das Planspiel:

  • Gruppengröße: zwischen 15 und 30 Personen
  • Zielgruppen: Lehrende und Lernende in der Erwachsenenbildung, Betriebsrät:innen, Teams in Unternehmen für z.B. Firmen-Events, Schulklassen ab 15 Jahren
  • Spielleitung: 2-3 erfahrene Personen
  • Dauer: rund 4,5 Stunden inkl. Pausen und Reflexion
  • Raum: mindestens 10 Tische und ausreichend Platz zum Bewegen

 

Die Lizenz des Spiels: Creative-Commons-Lizenz BY NC SA. Namensnennung: "Spielidee: Attac Österreich, Attac Deutschland, play:vienna". Nicht-kommerziell, Weitergabe unter gleichen Bedingungen.

 

Über den Autor: Mario Taschwer hat das Spiel „Bling – Stadt des Erfolgs“ mitentwickelt und spielt es regelmäßig. Beruflich ist er für Attac Österreich und die Universität Wien tätig.

Weitere Informationen:
Creative Commons License Dieser Text ist unter CC BY 4.0 International lizenziert.

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