Finanzbildung von Frauen: Auch strukturelle Benachteiligungen beachten

07.12.2021, Text: Jennifer Friedl, Redaktion/CONEDU
Aktuelle Studien zeigen - es braucht mehr Finanzbildung für Frauen. Strukturelle Ursachen für z.B. Frauenarmut werden allerdings häufig ausgeblendet, so die Armutskonferenz.
Weibliche Person arbeitet am Taschenrechner
Durch Finanzbildung könne das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern verringert werden, so die OECD.
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Mit dem #FinanceFriday startet die Wirtschaftskammer Wien eine Online-Aktion, die Frauen inspirieren soll, sich mehr mit ihren Finanzen zu befassen. Grundlage für die Initiative ist eine aktuelle Umfrage des WKO-Netzwerks "Frau in der Wirtschaft", die zu dem Ergebnis kommt, dass es nach wie vor einen großen Bedarf an Finanzbildung für Unternehmerinnen gibt.

 

Dass darüber hinaus, in Hinblick auf die Zielgruppe aller Frauen, der finanzielle Wohlstand zwischen den Geschlechtern in Österreich ungleich verteilt ist und Finanzbildung Abhilfe schaffen könnte, zu dem Schluss kommt eine OECD-Studie zu finanzieller Literalität in Österreich (PDF).

 

Kritische Stimmen kommen von der Arbeitsgruppe "Frauen & Armut" der Armutskonferenz Österreich. Ungerechte Einkommensverhältnisse und strukturelle Ursachen für Frauenarmut ändern sich nicht durch verkürzte Finanzbildung und individuelle Verantwortung, heißt es hier.

Mehr Bedarf an Finanzbildung für Unternehmerinnen laut WKO

Eine im Herbst 2021 durchgeführte Studie (PDF) des Wirtschaftskammer-Wien-Netzwerks "Frau in der Wirtschaft" zeigt auf: Von 265 befragten Unternehmerinnen gibt knapp die Hälfte an, sich nicht oder unzureichend mit Finanzanlagen auszukennen. 34% der Befragten legen ihr Geld gar nicht an. Als Grund dafür nennen sie u.a. zu große Unsicherheit. Ebenfalls 34% geben bei der Umfrage an, zumindest ein Spar- bzw. Bausparkonto zu besitzen. Nur 19% der Teilnehmerinnen haben kein Interesse daran, sich mehr mit z.B. Aktien oder Fonds auseinanderzusetzen.

 

Die Landesvorsitzende von Frau in der Wirtschaft, Margarete Kriz-Zwittkovits, betont, dass es mehr Finanzwissen brauche, um Unabhängigkeit zu fördern. Aus diesem Grund veranstaltet das Netzwerk regelmäßige Online-Veranstaltungen zur z.B. Pensionsvorsorge und startet die Online-Aktion "#FinanceFriday", im Zuge derer sich Frauen jeden Freitag 30 Minuten mit ihren Finanzen auseinandersetzen und es auf Social Media unter dem Hashtag dokumentieren sollen.

OECD: Finanzkompetenz soll Ungleichgewicht zwischen Geschlechtern verringern

Eine 2021 erfolgte Studie (PDF) der OECD zur finanziellen Literalität in Österreich trägt die Ergebnisse mehrerer internationaler und nationaler Studien zusammen. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Frauen ein geringeres Finanzwissen als Männer haben. Ein erhöhter Bedarf an Finanzbildung für Frauen zeigt sich laut OECD auch dadurch, dass Frauen länger leben und weniger verdienen als Männer. Durch Finanzbildung könne das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern verringert werden, so die OECD.

Armutskonferenz: Einseitiger Fokus auf Finanzbildung verschleiert strukturelle Ursachen für Frauenarmut

Kritik an den erwähnten Ansätzen übt u.a. die Arbeitsgruppe "Frauen & Armut" der Armutskonferenz Österreich in einem 2021 erschienen Blog-Beitrag. Zwar seien verantwortungsvolles Wirtschaften und Finanzbildung unentbehrlich, jedoch behandeln viele Bildungsangebote ein von wirtschaftlichen Zusammenhängen abgelöstes Finanzwissen. Damit gebe man die Verantwortung an die Individuen ab, ohne die strukturellen Wirkmechanismen aufzuzeigen. Das zeige sich auch am Ergebnis: Nur weil Frauen mehr darüber wissen, wie sie Geld anlegen können, führt das nicht dazu, dass sie auch mehr zu veranlagen haben.

 

Im Zentrum der Kritik der Arbeitsgruppe steht das Konzept der Care-Arbeit (z.B. Pflege von Angehörigen, Erziehung, Putzen, Kochen, emotionale Fürsorge für Familienmitglieder), die auch heute noch vorwiegend Frauen unbezahlt erledigen. Diese Care-Arbeit leisten Frauen zusätzlich zu ihrer Erwerbsarbeit. Die Doppelbelastung führt u.a. dazu, dass Frauen in Teilzeit arbeiten und finanzielle Einbußen (die z.B. zu geringer Pension führen) hinnehmen müssen. Die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung führt zudem an, dass der Care-Arbeit eine zentrale Rolle in der täglichen Reproduktion der Arbeitskraft zukomme und sie somit einen grundlegenden wirtschaftlichen Nutzen erfülle, der allerdings nicht anerkannt wird.

 

Die Arbeitsgruppe der Armutskonferenz plädiert neben einer Entlohnung von Care-Arbeit dafür, dass Forschungsergebnisse von feministischen ÖkonomInnen stärker in die Angebote von Erwachsenenbildungseinrichtungen einfließen und Finanzbildung auch gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Strukturen thematisiere.

Weitere Informationen:
Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

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