Frauen schärfen allgemeine Skills, Männer lernen berufsbezogen
Ein Forschungsteam der Tomáš-Baťa-Universität in Zlín veröffentlichte im August 2024 eine Analyse zur Geschlechterungleichheit bei der Teilnahme an Erwachsenenbildung. Dazu legten sie ihren Fokus auf die Länder Tschechien, Deutschland, Schweden und Großbritannien.
Ziel der Analyse war es, das Verständnis für geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Weiterbildung zu vertiefen. Ein Einbeziehen der Daten aus dem Adult Education Survey 2024 hilft dabei, Ergebnisse aus Österreich mit jenen der anderen vier Länder zu vergleichen.
Männer lernen für den Beruf, Frauen aus persönlichen Gründen
Die Analyse zeigt: Männer (53%) nehmen häufiger als Frauen (47%) an berufsbezogener und vom Arbeitgeber geförderter nicht-formaler Bildung teil. Frauen hingegen nehmen oft aus persönlichen Gründen an Erwachsenenbildung teil und legen den Schwerpunkt stärker auf allgemeine Kompetenzen. Diese Kompetenzen erwerben sie oft außerhalb von berufsbezogenen und vom Arbeitgeber geförderten Bildungsangeboten und finanzieren sie meist selbst. 58% der befragten Frauen geben an, an dieser Art von Erwachsenenbildung teilzunehmen. Bei den Männern sind es 42%.
Diese Tatsache bringe Männern Vorteile am Arbeitsmarkt, weil berufsspezifische Weiterbildung die im Job gefragten Qualifikationen fördern würde, schlussfolgern die Autor*innen der Analyse. Dieser Unterschied führe zu einer geringeren Wettbewerbsfähigkeit der Frauen.
Auch in Österreich: Weiterbildung für die Karriere ist Männersache
Dieses Phänomen lässt sich auch in Österreich beobachten. Laut Adult Education Survey 2024 geben Männer häufiger als Frauen an, nicht-formale Weiterbildung zu technischen, praktischen oder arbeitsplatzspezifischen Fähigkeiten besucht zu haben (Männer: 27,5%; Frauen: 12,8%). Sie nehmen auch häufiger an Weiterbildungen zu IT-Kompetenzen (Männer: 10,3%; Frauen: 5,9%) und Führungskompetenzen (Männer: 7,8%; Frauen: 3,5%) teil.
Frauen geben hingegen häufiger an, Weiterbildungen zur Entwicklung von Gesundheits- und Sicherheitskompetenz (Frauen: 14,5%; Männer: 6,6%) und zur mentalen Stärke bzw. Persönlichkeitsentwicklung (Frauen: 7,5%; Männer: 2,3%) besucht zu haben.
Insgesamt geben rund mehr als drei Viertel der Männer in Österreich an, an nicht-formaler Bildung teilgenommen zu haben, um ihren Beruf besser ausüben zu können bzw. ihre Karrierechancen zu verbessern. Bei den Frauen sind es nur rund 67%.
Teilzeitbeschäftigte nehmen seltener an Erwachsenenbildung teil
Arbeitslosigkeit oder Unterbrechungen der beruflichen Laufbahn würden die Möglichkeiten von Frauen ausbremsen, ihre Skills zu aktualisieren und sich langfristig an Arbeitgeber zu binden, so die Wissenschaftler*innen.
Auch die Arbeitszeitmodelle spielen eine Rolle: In Teilzeit arbeitende Mitarbeiter*innen und Selbstständige nehmen seltener an non-formaler Erwachsenenbildung teil als Vollzeitbeschäftigte. So geben rund 56% der Vollzeitbeschäftigten an, an non-formaler Erwachsenenbildung teilzunehmen. Bei Teilzeitbeschäftigten mit halber Stelle und bei Selbstständigen sind es rund 20%, bei anderem Beschäftigungsstatus 24%.
Hierzu bietet der Adult Education Survey für Österreich keine Daten.
In Großbritannien nehmen die meisten Frauen an Erwachsenenbildung teil
Im Vier-Ländervergleich des tschechischen Forschungsteams nehmen die meisten Frauen in Großbritannien (55%) an non-formaler Erwachsenenbildung teil, dicht gefolgt von Schweden (51%). In Deutschland nehmen 47% der Frauen an Erwachsenenbildung teil, in Tschechien 46%. Laut den Studienautor*innen ist die Wahrscheinlichkeit, dass deutsche Frauen an arbeitgeberfinanzierter Weiterbildung teilnehmen, jedoch etwa doppelt so hoch wie bei tschechischen Frauen.
Betrachtet man Österreich und zieht man die Daten des Adult Education Survey heran, so zeigt sich, dass in Österreich noch mehr Frauen an non-formaler Weiterbildung teilgenommen haben, nämlich 56%. Hier gibt es kaum einen Unterschied zu den Männern, von denen 55% angeben, an non-formaler Weiterbildung teilgenommen zu haben.
Größere Unternehmen bieten Chancen für Frauen
Die Analyse zeigt, dass Frauen in mittleren Unternehmen - mit 50 bis 250 Mitarbeiter*innen – häufiger an berufsbezogener Weiterbildung teilnehmen als in kleineren Unternehmen. In mittleren und großen Unternehmen ist es auch wahrscheinlicher, dass Frauen von ihrem Arbeitgeber finanziell unterstützt werden. Ob das in Österreich auch zutrifft, bleibt offen – der Adult Education Survey bietet dazu keine Daten.
Empfehlung: Zielgerichtet fördern und Anreize für Arbeitgeber schaffen
Das tschechische Forschungsteam liefert mit seiner Analyse Anregungen, um geschlechtsspezifischen Ungleichheiten in der Erwachsenenbildung entgegenzuwirken und Barrieren abzubauen. Die Empfehlungen:
- Vor allem kleine Unternehmen brauchen Unterstützung - sowohl finanziell als auch fachlich, wie sie Frauen gezielt in der Aus- und Weiterbildung fördern können.
- Verpflichtende Weiterbildungszeiten während der Arbeitszeit würden auch Chancen für Frauen in befristeten oder Zeitarbeitsverhältnissen schaffen. Damit könnten geschlechtsspezifische Unterschiede ausgeglichen werden. Denn teilzeitbeschäftigte oder befristet beschäftigte Frauen nehmen seltener an berufsbezogenen oder vom Arbeitgeber geförderten Weiterbildungen teil.
- Gegen die Ungleichheit würden Bildungsförderungen helfen, die Mitarbeiter*innen für berufliche Weiterbildung investieren können - etwa in Form von Gutscheinen oder freien Tagen.
Rahmen der Analyse
Das tschechische Team aus Forscher*innen – bestehend aus Jan Kalenda, Jitka Vaculíková und Ilona Kočvarová – führte die Analyse mit dem Titel „Geschlechterungleichheit in der Erwachsenenbildung: eine vergleichende Studie von vier Erwachsenenbildungssystemen“ durch. Für die Analyse zogen die Wissenschaftler*innen Daten aus einer internationalen Umfrage aus dem Jahr 2022 heran. An dieser Umfrage nahmen insgesamt 4.000 Erwachsene teil - jeweils 1.000 aus jedem Land. Die Wissenschaftler*innen nutzten die Daten für eine Analyse der Teilnahme an Erwachsenenbildung und verglichen die Daten zwischen den Ländern.
Der aktuelle Adult Education Survey 2024 gibt einen Überblick über die Bildungs- und Lernaktivitäten der letzten 12 Monate von Personen im Alter von 18 bis 69 Jahren in Österreich. Insgesamt liegen Befragungsdaten von 7.826 Personen vor, die die Befragung vollständig abgeschlossen haben.
Verwandte Artikel
Erwachsenenbildung und Armut: Möglichkeiten und Grenzen
In der Bildung gilt: Wer hat, dem wird gegeben. Dennoch kann sie Teilhabe fördern und Chancen eröffnen. Wie Bildung wirkt, und was sie nicht kann.Nachhaltigkeit ist für Unternehmen ein wichtiges Zukunftsthema
So lautet ein Ergebnis des WIFI-Weiterbildungsbarometer. Insgesamt bleibt Weiterbildung für Unternehmen relevant.Was kann Erwachsenenbildung gegen Armut tun und wo liegen die Grenzen?
Gute Erwachsenenbildung brauche Kopf, Hand, Fuß und Herz, und müsse insgesamt das Leben in seiner Fülle im Blick haben. Martin Schenk, Mitbegründer der Armutskonferenz und Sozialexperte, im Gespräch über Bildung und Armut.Erwachsene in reichen Ländern nehmen häufiger an Weiterbildung teil
Außerdem nehmen die digitalen Skills in den meisten Ländern zu. Dies geht aus dem aktuellen Weltbildungsbericht der UNESCO hervor.Humor: das trojanische Pferd, in dem man die Wissenschaft verstecken kann
Neben Humor braucht gelingende Wissenschaftskommunikation auch Dialog, Resilienz und kreative Ideen. Das war ein Ergebnis aus dem wEBtalk anlässlich der Ausgabe 52 des Magazin erwachsenenbildung.at.Fürchtet euch nicht: Zukunft mit KI in der EB
Der Tag der Weiterbildung 2024 des Bildungsnetzwerks Steiermark beleuchtete den Einsatz von KI aus verschiedenen Perspektiven und ermutigte zu einer positiven Haltung für die Zukunft.