10 Jahre Ö-Cert: Auf dem Weg zur Bildungsqualität
Über 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der österreichischen Erwachsenenbildungs- und Ö-Cert-Community wurden in Vertretung des Herrn Bundesministers Martin Polaschek vom Generalsekretär des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung begrüßt: Martin Netzer, der an der Entstehung von Ö-Cert wesentlich beteiligt war, brachte mit seinen Geburtstagswünschen die Freude über die gelungene Etablierung von Ö-Cert zum Ausdruck. Für die musikalische Umrahmung sorgte die multikulturelle Band Tsatsiki Connection, moderiert wurde die Enquete von Ani Gülgün-Mayr.
Ein europaweites Erfolgsmodell
Viele waren an der Entwicklung und erfolgreichen Etablierung des Qualitätsrahmens Ö-Cert beteiligt; Bund und Länder sowie Sozialpartner haben zusammen mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Forschung ebenso wie aus Bildungsmanagement und Praxis zum Gelingen dieses Prozesses beigetragen. Ö-Cert hat auch aus europäischer Perspektive nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal.
Mit der 15a-Vereinbarung zu Ö-Cert wurden erstmals österreichweit einheitliche Qualitätsstandards für Bildungsanbieter geschaffen; die mit Ö-Cert verbundenen Ziele wie Verwaltungsvereinfachungen für Fördergeber und Erwachsenenbildungsanbieter oder Transparenz für Bildungsinteressierte wurden erreicht. Anhand der festgelegten Ö-Cert-Grundvoraussetzungen kann eine Beurteilung, ob es sich bei einer Einrichtung um einen Anbieter von Erwachsenenbildung handelt, der unter erwachsenenpädagogischen Gesichtspunkten qualitätsvolle Arbeit leistet, vorgenommen werden. Ö-Cert leistet damit durchaus auch einen Beitrag zu einer Definition des Begriffs Erwachsenenbildung und zu gelingender Bildungspraxis.
Festvortrag: Qualitätsprüfungen in der Bildungspraxis als Optimierungsfalle
Wichtig ist es, sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen, sondern nach 10 Jahren Ö-Cert kritisch zu reflektieren, inwieweit solche Instrumente nicht nur Qualifizierung, Professionalisierung und Homogenisierung fördern, sondern zugleich eine Vielfalt der Zugänge ermöglichen bzw. wie und ob es möglich ist, zwischen diesen Gewichten eine gute Balance zu finden und zu halten.
Der deutsche Philosoph Julian Nida-Rümelin knüpfte in seinem Festvortrag an diese Überlegungen nahtlos an. Es sei wichtig und keineswegs selbstverständlich, eine kritische Reflexion nicht nur zuzulassen, sondern sogar einzufordern. Drei Aspekte seines thematisch breit angelegten Vortrages seien hervorgehoben:
Anhand von Assessments im Bildungsbereich wie PISA zeigt er die Gefahr auf, dass Bereiche wie musische Bildung oder jene, die ganz allgemein der Persönlichkeitsentwicklung dienen, nicht gemessen werden bzw. kaum messbar sind und damit an Relevanz verlieren, oder gänzlich irrelevant werden. Das würde aber dem Sinne einer humanistischen Bildungspolitik mit den Säulen Eigenverantwortung, Vielfalt, Integrität und Kooperation widersprechen.
Mit Bezug auf eines seiner Hauptwerke "Die Optimierungsfalle" weist er darauf hin, dass Selbstoptimierung, d.h. die eigenen Ziele zu optimieren, weder kooperativ noch rational ist und schädliche Auswirkungen auf die Gesellschaft hat.
Die Einheit des Wissens (neben den von ihm genannten Prinzipien der Einheit der Person und der Einheit der Gesellschaft, auf die nicht näher eingegangen werden kann) bedeutet, dass nicht isoliertes Detailwissen wichtig ist, sondern eine Vermittlung davon, wie die Dinge zusammenhängen, um sich in der Welt orientieren zu können. Es geht also um die Gesamtheit der Bildungspraxis, um Interdisziplinarität und ein entwickeltes Orientierungswissen. Beispielsweise hat die Politik ihr Handeln während der Pandemie unter weitgehender Vernachlässigung psychologischer, ökonomischer, rechtlicher und anderer Aspekte von virologischen Expertisen leiten lassen.
Mit einem Qualitätssiegel allein ist es nicht getan
Elke Gruber und Robert Kramreither, hier in ihren Funktionen als Vorsitzende bzw. Vorsitzender der Ö-Cert-Akkreditierungs- und Lenkungsgruppe, sprachen von einem damaligen "window of opportunity" und skizzierten die Intentionen, Gründe und Entwicklungsprozesse, die schließlich zur Implementierung von Ö-Cert geführt haben. Sie betonten aber auch, dass einheitliche Qualitätsstandards allein freilich nicht ausreichend sind. Im Qualitätsmanagement soll es auch nicht um das Abhaken von Listen gehen, sondern um Aushandlungsprozesse und Weiterentwicklung; nicht nur um Steuerung, sondern in erster Linie um die Lernenden und immer wieder um eine kritische Reflexion des eigenen Handelns. Und die Erkenntnis, dass manche Prozesse ihre Grenzen und auch die unmessbaren Dinge ihre Bedeutung haben.
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