"Demokratie im Wandel" ist Schwerpunktthema der ÖGPB-Projektförderung
Schwerpunktthema "Demokratie im Wandel"
Um die Bedeutung der politischen Bildung zu betonen, wird immer wieder gerne ein Ausspruch von Oskar Negt zitiert: "Demokratie ist die einzige Staatsform, die gelernt werden muss." Der Satz zielt zu Recht auf die Aufwertung der Demokratie als eine wohldurchdachte und modellhafte Gesellschaftsordnung ab. Allerdings wird damit auch angenommen, der "Inhalt" dieser Ordnung sei etwas Feststehendes. Demokratie wird zwar weltweit und durch das gesamte politische Spektrum hindurch gelobt, unter dem Wort versteht jede*r Handelnde, jede Partei oder soziale Gruppe allerdings etwas anderes. Dieses im Inhalt vage, in der Wertung überhöhte Selbstverständnis gefährdet die Demokratie, in eine Leerformel auszuarten.
In den letzten Jahrzehnten kamen neue Probleme hinzu, die das Erkennen der charakteristischen Eigenschaft(en) und somit eine verbindliche Definition der Demokratie weiter erschweren. Insbesondere drei aktuelle Entwicklungen fordern Demokratien – neben anhaltenden Fragen wie der Kontrolle, der Partizipation oder der Rolle der Zivilgesellschaft – heute zunehmend heraus: Autoritarismus, Digitalisierung und Polarisierung.
Autoritäre Tendenzen gipfelten in der Geschichte der Demokratie nicht selten in Regierungsformen wie Bonapartismus, Cäsarismus oder Korporatismus, die allesamt formaldemokratische Kriterien des Machtwechsels erfüllten. In der Gegenwart sind wir mit einer globalen Zunahme von sogenannten illiberalen Demokratien konfrontiert, in denen gewählte populistisch-charismatische Führerpersönlichkeiten "mit eiserner Hand" regieren. Die klassische Trennung zwischen Diktatur und Demokratie greift bei solchen autoritaristischen Regierungsformen zu kurz, wodurch auch politische Bildung gefordert wird.
Tiefgreifende Auswirkungen auf die Demokratie bringt auch die Digitalisierung mit sich. Das vergangene Jahrzehnt war von einem verbreiteten Zugang zu (mobilem) Internet geprägt; heute durchdringen digitale Medien immer mehr Bereiche des Alltags. Auf die Veränderungen von Kultur und Gesellschaft, die durch den Medienwandel hervorgebracht werden, verweist der Begriff "Mediatisierung". Die veränderte Mediennutzung durch Soziale Medien und damit zusammenhängende Phänomene wie Fake News, Filterblasen und Hasspostings machen einen kritischen Umgang mit Medien zu einer zentralen Herausforderung für die Demokratie – und damit für die politische Bildung.
Die Polarisierung der Gesellschaft entstand nicht erst mit der Covid-Pandemie. Sie durchkreuzt allerdings fast alle Linien, welche die Gesellschaft in zwei Hälften aufspalten, und hat eine neue Trennlinie zur Folge. Diese "pandemische Verwerfung" ist wirkmächtig: Sie durchläuft alle sozialen Gruppen, Gender- oder Alterslinien, Herkunft und Bildungsstand – kurz: Sie verdeckt nicht nur soziale und ökonomische Interessengegensätze, sondern erschwert auch deren fortlaufende Verhandlung im demokratiepolitischen Rahmen. Konflikte werden entlang der Frage "Impfung oder gesundes Immunsystem?" artikuliert, und deren Austragung findet in einem aufgeheizten Klima statt, das die politische Kultur gefährdet. Somit wird auch die populistische Tendenz verstärkt, die Lösung komplexer Probleme auf Ja-Nein-Antworten zu reduzieren.
Fazit: Demokratie steht vor aktuellen Problemen, die nicht nur ihre Existenz und Legitimation zu bedrohen scheinen, sondern sie auch einem wohl noch nie dagewesenen Wandlungsprozess unterziehen. Die Auswirkungen dieses Prozesses auf die (politische) Erwachsenenbildung sind noch nicht zur Genüge untersucht und eingeschätzt worden.
Das diesjährige Schwerpunktthema der ÖGPB lädt ein, Projekte politischer Bildung über den gegenwärtigen Wandlungsprozess der Demokratie zu entwickeln und diese der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Bei der Projektförderung werden etwa 50 % der gesamten Fördermittel an Projektvorhaben vergeben, die sich mit diesem thematischen Schwerpunkt auseinandersetzen. Mit den übrigen 50 % der Mittel werden auch Projekte zu anderen, frei wählbaren Themen der politischen Erwachsenenbildung gefördert, um die Kontinuität der Bildungsarbeit zu gewährleisten.
Info und Beratung für Wiener Bildungseinrichtungen und NGOs
Ab Jänner 2022 wird das Bundesland Wien als Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung beitreten. Somit sind alle neun Bundesländer in der ÖGPB vertreten.
Dadurch wird nicht nur die Bildungsarbeit der ÖGPB, sondern die gesamte politische Erwachsenenbildung in Österreich aufgewertet und gestärkt. Das bedeutet zudem, dass ab 2022 Erwachsenenbildungseinrichtungen und weitere Organisationen mit Bildungsangeboten auch mit Sitz in Wien an der jährlichen Ausschreibung teilnehmen und für die Förderung ihrer Projekte im Bereich der politischen Erwachsenenbildung ansuchen können.
Angesichts dieser Entwicklung bietet die ÖGPB am 1. und 15. Dezember einen Info- und Beratungs-Termin an. Im Rahmen der dreistündigen Online-Veranstaltung haben Vertreter*innen der interessierten Einrichtungen die Möglichkeit, sich über politische Erwachsenenbildung, Projektentwicklung und vor allem die formalen und inhaltlichen Auflagen der Projektförderung mit dem Bildungsteam der ÖGPB auszutauschen. Die Info- und Beratungsveranstaltung wird Inputs und gemeinsame Aktivitäten ebenso umfassen wie die Beantwortung von allfälligen Fragen.
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