Sag's vielen ... vielen
Die Projektidee
Sprache des Friedens beginnt dort, wo Leute in Echtzeit miteinander sprechen, physisch zusammensitzen und sich Zeit nehmen, aufeinander zu hören. Oft sind dies Gespräche bei – oder nach – Veranstaltungen. Gemeinsam Gesehenes und Gehörtes wird diskutiert, eigene Erfahrungen werden eingebracht, oder man bringt etwas zur Sprache, was man eigentlich immer schon sagen wollte. Denn allzu oft werden Themen in der öffentlichen Diskussion nur unzureichend angesprochen.
Insbesondere gilt dies für Sprachgebrauch an sich, einen Themenkomplex, der ja alle betrifft, die sprachlich kommunizieren. Grund genug, um die Verwendung von Sprache - sei es in befriedender, sachlicher oder konfrontativer Form - unter die Lupe zu nehmen.
Für die Künstlergruppe gecko art, bestehend aus Evelyn Blumenau und Walter Kreuz, waren diese Überlegungen Anlass, den Wechselwirkungen zwischen Sprache und Frieden nachzuspüren und ein längerfristiges Projekt entstehen zu lassen: „SAG'S VIELEN ... VIELEN! Die Ahnungen der Bertha von S." hat neun Workshops mit Gesprächsrunden und Audiostationen in sieben Wiener Bezirken (April bis Juni 2018) als Grundlage und wird nun von September bis Oktober 2018 mit einem Live-Hörspiel-Zyklus an sieben Spielorten in Wien fortgesetzt.
Die dritte Projektkomponente ist die Vernetzung von Institutionen, Initiativen und Personen in den Projektbezirken.
„S" wie Suttner, das „D" im Wort WorDshop und politische Bildung
Beim Themenkomplex Sprache & Frieden führt kein Weg an der tschechisch-österreichischen Schriftstellerin und Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner vorbei. Diese Frau wusste um die Bedeutung von Sprache und um die Gefährlichkeit deren Missbrauchs. Sie versuchte ihr Leben lang via Sprache (Reden, Vorträge, Aufrufe, Briefe, Bücher, Zeitungsartikel,...) die Friedensidee stets neu zu formulieren. Diese „Neuformulierung" ist zu allen Zeiten nötig, denn auch Destruktivität zeigt sich immer wieder in neuem Gewand. Wo kann sich Frieden im Sprachgebrauch manifestieren, wo im politischen, öffentlichen oder privaten Leben, wo in der Stadt, im Dorf, im Grätzel?
Im Rahmen der Workshops in sieben Wiener Bezirken von April bis Juni 2018 wurde auf Werk und Wirken der „Bertha von S." einleitend Bezug genommen und aus Originaltexten zitiert, um aufzuzeigen, wie hochaktuell historische, teilweise 130 Jahre alte Dokumente sein können. Da auch politische Auseinandersetzung und mediale Berichterstattung im ersten Halbjahr 2018 immer wieder Fallbeispiele für Sprachmissbrauch produziert bzw. abgebildet hatten, waren die Workshop-Veranstaltungen sehr fruchtbar.
WorDshops
Die Workshops wurden zu „WorDshops", da Wort, Sprache und Kommunikation die zentralen Themen waren. Danach konnten die Teilnehmenden textlich vorbereitete oder spontane Stellungnahmen und Gespräche an Audiogeräten aufnehmen. Interessant war, dass alle Gespräche von Konstruktivität getragen waren und dass die Teilnehmenden über politischen Sprachgebrauch, Sprachkonventionen und Sprachmanipulation bereits kritisch nachgedacht hatten.
Fünf dieser Workshops fanden im Rahmen von KULTUR.VOR.ORT, einer Initiative von Basis.Kultur.Wien, in den Wiener Bezirken Leopoldstadt, Simmering, Penzing, Rudolfsheim-Fünfhaus sowie Brigittenau statt und wurden von insgesamt 55 Personen im Alter von 18 - 76 Jahren besucht. An den weiteren vier Workshops nahmen 63 Lehrlinge im Alter von 16-19 Jahren aus Berufsschulen in Margareten, Rudolfsheim-Fünfhaus und Ottakring teil. Diese vier Lehrlingsveranstaltungen wurden in Kooperation mit „Go for Culture", einer Förderinitiative von Basis.Kultur.Wien und dem „K3-Programm" von KulturKontakt Austria durchgeführt und hatten das Ziel, Radiobeiträge zu produzieren.
Insgesamt zeigte sich, dass Beobachtung und Analyse von politischen Sprachbildern und Sprachmanipulation einen fixen Stellenwert in der Zivilgesellschaft brauchen, da sie im Fach Politische Bildung mitunter zu wenig Beachtung finden. Wenn gewisse Finessen, Untergriffigkeiten, Seitenhiebe und Codes in politischen Reden aufmerksamen Personen auffallen, fehlt diesen oft die Möglichkeit, sich auszutauschen und eigene Wahrnehmungen in Gesprächskreisen weiterzudenken. Auch ist hier Medienpädagogik gefordert, speziell Medienkritik stärker zu fokussieren und Medienberichte zu prüfen – wie es Teilnehmende an den Workshops sehr wohl getan hatten.
Live-Hörspiel als Audiofeature on stage
In Auszügen hörbar sind Audiobeiträge aus den Workshops jeweils an Audiostationen bei den Live-Hörspiel-Veranstaltungen. Das Publikum des Live-Hörspiels hat damit die Möglichkeit, ein vielfältiges und vor allem altersspezifisch diverses Hörbild vorzufinden. In einer 60-Minuten- Audiocollage aus informativ-experimentellen Sprechteilen, Echtzeit-Sounds sowie aus klassischen Hörspielsettings begibt sich das gecko art-Duo auf die Suche nach einer Sprache des Friedens. Der Audio-Streifzug umfasst einen Zeitraum von 130 Jahren. Präsentiert werden biografische Notizen von Suttner, Informationstexte zur Friedensidee, zu internationalen Vereinbarungen und zu europäischen Friedensprojekten. Mit Sprechtexten und Einspielungen wechselt gecko art zwischen den Zeitebenen und thematisiert Sprachgebrauch, Sprachmissbrauch und manipulative Sprachbilder in Politik und Medien der Gegenwart.
Veranstaltungsstart des Performance-Teils „SAG'S VIELEN ... VIELEN! Die Ahnungen der Bertha von S." war Anfang September in der Hauptbücherei am Urban-Loritz-Platz, 1070 Wien. Bis Ende Oktober sind sechs weitere Spielorte in Wien vorgesehen.
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