Basisbildung für Erwachsene: Mehr als das Nachholen von Grundkompetenzen
Basisbildung, was ist das eigentlich?
Basisbildung gehört gemeinsam mit dem Nachholen eines Pflichtschulabschlusses derzeit zu den bestdotierten Bereichen der Erwachsenenbildung in Österreich, mit einem Budget von 75 Mio. Euro allein in den vergangenen drei Kalenderjahren. Man könnte meinen, dass daher auch breite Bevölkerungsschichten längst Bescheid wissen sollten, was darunter zu verstehen ist. Fragt man Menschen außerhalb der Erwachsenenbildung, was sie mit Basisbildung verbinden, erhält man ein uneinheitliches Bild. Da denken manche an Lesen, Schreiben und Rechnen lernen in der Volksschule, oder zumindest das, was jede/r von uns nach der Pflichtschule können sollte. Andere wiederum sehen Basisbildung als Voraussetzung um alleine in einem Haushalt und im täglichen Leben zurechtzukommen. Schon weitreichender ist der Gedanke an Basisbildung als eine allgemeine grundlegende Bildung, auf die man in der Ausbildung oder im Studium aufbauen kann. Wieder andere assoziieren Deutschkurse mit dem Begriff.
Auch unter Fachleuten in der Erwachsenenbildung gibt es unterschiedliche Interpretationen des Basisbildungsbegriffs und unterschiedliche Grundhaltungen dazu. Das machen Julia Schindler und Sonja Muckenhuber, die Herausgeberinnen der aktuellen Ausgabe 33 des Magazin erwachsenenbildung.at (Meb), im Editorial deutlich. "Raus aus der Bubble!" fordern sie - und wollen damit zur Diskussion mit Andersdenkenden anregen. Denn nur so könne eine gemeinsame Idee von Basisbildung entstehen.
Die vorliegende Ausgabe der Online-Zeitschrift "Meb" eröffnet in insgesamt dreizehn Beiträgen zahlreiche Perspektiven auf Basisbildung. Die AutorInnen zeichnen damit ein facettenreiches Bild von dem, was Basisbildung sein kann. Werfen wir einige Schlaglichter darauf.
Basisbildung ist mehr als Alphabetisierung
"Die Basisbildung in Österreich grenzt sich von einem autoritären Verständnis von Alphabetisierung im Sinne von lesen, schreiben oder rechnen lernen ab und fokussiert auf soziale, demokratische, teilhabende, selbstkritische und kritisch handlungsorientierte Dimensionen des Lebens" - so steht es in den österreichischen Prinzipien und Richtlinien für Basisbildungsangebote. Die LernerInnenzentrierung steht dabei im Mittelpunkt und ist mit ein Grund, warum die Basisbildung so vielfältig und facettenreich ist.
Dass Basisbildung mehr ist als Alphabetisierung und Deutsch als Zweitsprache, bestätigen auch die BasisbildnerInnen Kathrin Fleckl und Verena Sperk vom Verein Frauen aus allen Ländern. Eine fehlende Bekanntheit und Sensibilisierung in der Öffentlichkeit kann ihnen zufolge dazu führen, dass Lernende auf Unverständnis stoßen, Lerndruck ausgesetzt oder sogar von existenziellen Folgen wie der Kürzung der Mindestsicherung bedroht sind.
Basisbildung ist groß
Sicher ist, dass Basisbildung kein vernachlässigbares Segment ist. Der Tiroler Bildungshausdirektor Franz Jenewein zeigt in seinem Beitrag die Umsetzungszahlen von Basisbildung im Rahmen der Initiative Erwachsenenbildung (IEB) auf. Zwischen 2012 und 2017 gab es demnach mehr als 37.200 Teilnahmen an Basisbildungsangeboten im Rahmen der IEB. 58,3% der Teilnehmenden sind Frauen, 43% sind unter 25 Jahre alt und 87,4% haben einen Migrationshintergrund.
Für den Zeitraum 2018-2021 ist eine Fortführung der Initiative geplant. Im Basisbildungsbereich ist dafür ein Budget von 62 Mio vorgesehen, für das Nachholen des Pflichtschulabschlusses rund 49 Mio. Insgesamt sollen knapp 17.000 Personen von den Angeboten profitieren.
Basisbildung ist facettenreich
Die Vielfalt der Basisbildung zeigt sich in ihren Angeboten. "Es gibt keine zwei gleichen Kurse und doch ist alles Basisbildung", schreiben die TrainerInnen Christine Weiss, Barbara Andree, Alfred Berndl, und Melanie Wiedner. Sie bieten beim steirischen Basisbildungsanbieter ISOP flexible Basisbildungskurse an, die sich an den Bedürfnissen der TeilnehmerInnen orientieren. Jeweils sechs Personen nehmen an einem Kurs teil, es gibt dabei kein fixes Start- und Enddatum. Wer sich bereit fühlt, verlässt den Kurs und jemand Neues rückt nach.
Die Zielgruppe ist bunt und reicht von Geflüchteten über ältere Arbeitslose bis zu jungen Menschen, die den Pflichtschulabschluss nachholen möchten. "Personen, die sich in keinem anderen Bildungssetting jemals treffen würden, lernen hier zusammen." Für die Lernenden ergeben sich dadurch enorm positive Effekte - Selbstwert und Selbstwirksamkeit werden gestärkt.
Die AutorInnen bemerken jedoch auch den zunehmenden Ruf nach Verwertbarkeit und Abschlussorientierung von Basisbildung. Kann und will sich die Gesellschaft das Nischenangebot einer heterogenen Basisbildung weiterhin leisten? Das Plädoyer der AutorInnen ist klar: Basisbildung soll auch in Zukunft offen, vielfältig und inhomogen bleiben.
Basisbildung ist kritisch
Ist Basisbildung nur (mehr) eine Voraussetzung von Employability oder doch mehr? Ist Bildungsverweigerung zu einem kriminellen Delikt geworden oder essenziell, um über sich selbst noch frei verfügen zu können? Thomas Fritz, Leiter des Lernraum Wien an den Wiener Volkshochschulen stellt in seinem Beitrag zum Meb unbequeme Fragen. Ein kritischer Zugang zu Basisbildung im Sinne einer Critical Literacy ist ihm zufolge dringend notwendig. Dieser stellt einen Gegenpol zu Basisbildungsprogrammen dar, die sehr normativ ausgerichtet sind und sich auf Kulturtechniken beschränken, wichtige Aspekte wie kritisches Denken, politisches Engagement und solidarisches Handeln aber aussparen. Critical Literacy betrachtet TeilnehmerInnen an Basisbildungsangeboten als fähige Subjekte, die ihre vorhandenen Handlungsmöglichkeiten ausbauen möchten.
Basisbildung ist aber auch prekär
"Die hohe Bedeutung der Basisbildung in bildungspolitischen Deklarationen steht im auffallenden Widerspruch zum prekären Leben der BasisbildnerInnen." Birgit Aschemann beforscht das Berufsfeld seit vielen Jahren und widmet sich in ihrem Beitrag einem Thema, das oft ausgeblendet oder nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert wird. Obwohl BasisbildnerInnen zumeist hochqualifiziert sind, arbeiten sie unter schwierigen Bedingungen: Mehrfache Berufstätigkeit und Arbeit in der Freizeit stehen an der Tagesordnung. Die Autorin plädiert für eine stärkere Vernetzung der AkteurInnen, appelliert aber auch an die Politik, sich der Verantwortung für eine Verbesserung der Situation nicht zu entziehen.
Fachmedium und aktuelle Online-Information
Magazin erwachsenenbildung.at (Meb) ist das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs der österreichischen Erwachsenenbildung. Es wird vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb) dreimal jährlich herausgegeben und vom Verein CONEDU redaktionell koordiniert. Alle eingereichten Artikel durchlaufen ein Review von ExpertInnen des Fachbeirats. Das aktuelle Magazin erscheint parallel zur kostenlosen auf https://erwachsenenbildung.at/magazin erhältlichen Online-Ausgabe auch im BoD-Verlag und ist als Druckausgabe zum Selbstkostenpreis von € 10,80 oder als preiswertes E-Book erhältlich.
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