Wo Bildung draufsteht, soll Bildung drin sein
Am Wort waren beim Symposium neben den VertreterInnen des Ö-Cert Akkreditierungskreises, Elke Gruber, Dieter Gnahs und Erich Ribolits, auch weitere ExpertInnen aus Medizin, Recht und Esoterik. Deren Vorträge sind auszugweise auch im Podcast des Retzhof nachzuhören.
Mini-Sekten und andere Problemfelder
Der steirische Sekten- und Esoterikbeauftragte, Roman Schweidlenka, fasst die Herausforderung der Esoterik im (Bildungs-)Alltag zusammen. Das Bedürfnis nach esoterischen Angeboten sei da und damit müsse man entsprechend umgehen.
Schweidlenka definiert die Problemfelder der modernen Esoterik von Mini-Sekten über die "Volksverblödung" (Schweidlenka) bis hin zu rechter Esoterik. Besonders schwierig sei es dann, wenn sich die Esoterik mit Bildung vermischt oder gar als Wissenschaft dargestellt wird, das verwirre die Menschen, so Schweidlenka.
Esoterik und Bildung im rechtsleeren Raum
"Worüber wir uns heute den Kopf zerbrechen, zerbricht ihn sich die Rechtsordnung nicht." Bildung und Esoterik bewegen sich mehr oder weniger in einem rechtsfreien Bereich, meinte Wolfgang Stock vom Büro für Freizeitrecht in Graz. Es sei rechtlich nicht geregelt, wer welches Wissen vermitteln darf. Die Erwachsenenbildung ist wohl der größte und ausdifferenzierteste Bildungsbereich. Es suchen sehr unterschiedliche AnbieterInnen von Kursen und Produkten hier gerne ihren Platz und erfahren dabei bislang wenig Begrenzung, zumindest nicht von Rechts wegen.
Heilen oder Bilden?
Mit Ö-Cert wurden 2011 erstmals einheitliche Qualitätsstandards für die österreichische Erwachsenenbildung geschaffen. Ausgearbeitet wurde dieser Qualitätsrahmen gemeinsam von den Ländern und dem Bundesministerium für Bildung und Frauen (BMBF). Bildungsanbieter haben seither die Möglichkeit sich im Rahmen eines Anerkennungsverfahrens zu akkreditieren und mit Ö-Cert einen österreichweit anerkannten Qualitätsnachweis zu erhalten.
Bis Dezember 2014 wurden bei Ö-Cert bereits über 1.000 Aufnahmen in den Qualitätsrahmen gezählt. 28 Institutionen mussten abgelehnt werden, weil sie den Kriterien nicht entsprochen haben. Elke Gruber, Leiterin des Arbeitsbereiches Weiterbildung/Lebenslanges Lernen an der Universität Graz, hat Ö-Cert wissenschaftlich mitentwickelt und ist ein Mitglied der Ö-Cert Akkreditierungsgruppe, welche die Bewerbungen für Ö-Cert begutachtet und über Aufnahme bzw. Nichtaufnahme in den Qualitätsrahmen entscheidet. "Bei manchen AnbieterInnen hat sich die Akkreditierungsgruppe von Beginn an die Frage gestellt, was das noch mit Erwachsenenbildung zu tun hat", erzählt Elke Gruber. Ein plakatives Beispiel hierfür seien als Bildungsangebot getarnte therapeutische Versprechen, Krebs binnen zwei Wochen zu heilen.
Im Zentrum stehe die Frage: Welche Angebote entsprechen dem Bildungsverständnis von Ö-Cert und welche nicht? Eine erweiterte Antwort zur Frage wurde mit dem "Beurteilungsraster zur Abgrenzung von Erwachsenenbildung im Unterschied zu Therapie/Freizeit/Gesundheit/Esoterik" gegeben, der in den Ö-Cert Qualitätsrahmen mit aufgenommen wurde.
Wahrsagen nein
Unterteilt wird dabei in zwei Gruppen. In Gruppe 1 fallen all jene Angebote, die eindeutig der Intention der Ö-Cert-Grundvoraussetzungen wiedersprechen und Ö-Cert somit nicht erhalten. Dazu gehört Übersinnliches, Dämonenkult, Vorhersagetechniken oder Wahrsagen.
Yoga vielleicht
Schwieriger ist die Zuordnung von Gruppe 2. Diese behandelt jene Angebote, die auf den ersten Blick nicht eindeutig in den Rahmen von Ö-Cert passen. Sie und das Bildungsprogramm, in das sie gebettet sind, werden im Rahmen der Akkreditierung noch einmal genauer begutachtet. Inhaltlich werden dieser Gruppe zum Beispiel Angebote der Körperarbeit, der alternativen Medizin oder der Selbstfindung zugeordnet. Kritisch betrachtet heißt das auch, ein bisschen Esoterik & Co darf sein. Vor allem bei den großen Anbietern, da macht ein derartiger Kurs nur einen geringen Prozentsatz am gesamten Angebot aus.
Esoterik raus, Beurteilungsraster rein
Mit dem Beurteilungsraster wurde ein grundlegendes Papier geschaffen, eine Orientierungshilfe, woran auch zukünftig weitergearbeitet wird, so der Tenor der Ö-Cert VertreterInnen. Es werde wohl nicht gelingen eine eindeutige Liste zu machen. Wichtig sei es im Diskurs zu bleiben und den Beurteilungsraster entsprechend zu revidieren, beschreibt Dieter Gnahs aus der Akkreditierungsgruppe dessen Weiterentwicklung. Zudem betonen Gnahs und KollegInnen, dass die Entscheidungen der Gruppe keine generelle Bewertung für ein richtiges oder falsches Bildungsangebot darstellen. Der Raster sei ein Instrument explizit für Ö-Cert und dessen Bildungsverständnis.
Es kommt auch nicht von ungefähr, dass dieser Diskurs gerade im steirischen Retzhof aufgegriffen wurde. Joachim Gruber hat den Ö-Cert Beurteilungsraster bereits als fixen Bestandteil in das Qualitätsmanagement des Bildungshauses implementiert. Nicht zuletzt, weil er als Leiter des Retzhofs in punkto dubioser Veranstaltungsangebote bereits selber unangenehme Erfahrungen machen musste, wie er im Rahmen der Veranstaltung berichtete.
Genau hinschauen heißt es für Bildungshäuser vor allem bei Gastveranstaltungen, die sie in ihren Schulungsräumen oder in ihrem Programm beherbergen. In der Diskussion dazu wurde auf die Problematik hingewiesen, dass die herangetragene Kursbeschreibung nicht immer zeige, was und wer dahinter stecke. Einzelne Bildungsanbieter haben sich dieser Problematik bereits in den letzten Jahren angenommen. Vorreiter waren unter anderem die Wiener Volkshochschulen (bereits 1999) und der Verband Österreichischer Volkshochschulen (VÖV), die bereits Richtlinien zum Umgang mit Esoterikangeboten beschlossen haben.
Bisher habe es auf den Beurteilungsraster sehr viele positive Rückmeldungen von Seiten der Erwachsenenbildungsanbieter gegeben, dass es endlich klare Richtlinien und eine Diskussion dazu gäbe, erzählt Elke Gruber. In diesen Diskurs will sie neben den ExpertInnen vor allem die BildungsanbieterInnen und deren MitarbeiterInnen holen. Sie sollen dadurch genauer hinschauen, was ins Programm aufgenommen wird. "Wünschenswert wäre es jedenfalls, wenn auch andere Bildungshäuser den Raster in ihr Qualitätsmanagement integrieren würden", ergänzt die Bildungsexpertin.
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