Poesie in der Basisbildung

09.01.2024, Text: Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
Mit kreativen Methoden Lese- und Schreibkompetenzen fördern und dabei Raum für ein "Anders-Denken" öffnen: Wie das geht, zeigt das Projekt POETA.
Zeichnung: Person sitzt auf großem fliegendem Stift, rundherum Papier, das an Vögel erinnert.
Poesie-basierte Bildungsarbeit kann ein Lernen des Abstrakten und Abstrahierens fördern.
Grafik: Pixabay Lizenz, Mohamed_hassan, https://pixabay.com

Das Projekt „Poetry-based approaches in basic education for adults“ (POETA) will einen Beitrag zum Empowerment von Menschen leisten, die sich „auf dem Weg zur Schrift“ befinden. Entstanden ist unter anderem ein Konzept, das die Hintergründe und die professionelle Haltung hinter poesie-basierter Bildungsarbeit beschreibt und erprobte Methoden für die Bildungspraxis vorstellt.

Als Grundlage dient dabei die Definition von „Alphabetisierung“ der UNESCO, die den Aspekt der persönlichen Entfaltung durch den Umgang mit Schrift hervorhebt. Das Projekt verfolgt ein ganzheitliches Konzept, das kreative und künstlerische Ansätze einbezieht und Lernende dabei unterstützt, im Alltag selbstbestimmter und selbstwirksamer zu handeln. POETA will damit eine Alternative zu Konzepten bieten, die Alphabetisierung überwiegend in den Kontext von Integration in wirtschaftliche Prozesse stellen. 

Worum geht es also in der poesie-pädagogischen Arbeit und wie können Erwachsenenbildner*innen sie konkret umsetzen? Ein Einblick: 

Abstrahieren, imaginieren, emanzipieren: Darum geht es in der poesie-basierten Bildungsarbeit

Poesie-basierte Bildungsarbeit kann ein Lernen des Abstrakten und Abstrahierens fördern, schreibt das Autor*innen-Kollektiv über POETA. Dabei können utopische und imaginative Fähigkeiten unterstützt werden. Die Utopie bewegt sich dabei laut den Autor*innen immer im Spannungsfeld von Poesie und Politik, indem sie den Blick vom Realen auf das Mögliche lenkt und auf emanzipatorische und poetische Strategien der Selbstermächtigung zurückgreift.

Fiktion, Poesie und Imagination verstehen die Projektpartner*innen dabei nicht als Kehrseite der Realität, sondern als eine Art (un-)mögliche Entfaltung der Realität. Damit wird eine utopische Imagination zum Leitmotiv einer kritisch-poetisch-emanzipatorischen pädagogischen Praxis. Diese kann es ermöglichen, Angst, Unterdrückung oder Gewalt in der Realität aufzudecken und den Wunsch nach Veränderung zu wecken.

Mit poetischen Ansätzen den Spracherwerb fördern und Diskussionsräume öffnen

Darüber hinaus kann ein poetischer Ansatz helfen, sich mit der gesprochenen Sprache auseinanderzusetzen und diese weiterzuentwickeln, z.B. durch Sprachmelodie oder Rhythmus. Zudem hat der Ansatz das Potenzial, den Wortschatzerwerb zu fördern, das Schreiben und die Aussprache zu verbessern.

Die Autor*innen betonen weiters, dass die Auseinandersetzung mit spezifischer Auswahl von Literatur Räume für die Diskussion gesellschaftlich relevanter Themen wie Feminismus und Queerness, Klimawandel oder Rassismus öffnet, die zu einem aktiven Engagement als Weltbürger*innen beitragen kann. Der Ansatz biete auch die Möglichkeit, Bildung als Experimentier- und Gestaltungsfeld zu begreifen. 

Über Schauspiel, Gefühle oder Farben: Viele Ausdrucksformen führen zur Sprache

Die Partner*innen stellen im Projekt verschiedene Methoden und Ideen für poesie-basierte Bildungsarbeit vor. Der Zugang zum Schreiben und Lesen wird dafür in unterschiedlicher Form geschaffen: Über das geschriebene Wort, über Bilder oder andere Ausdrucksformen. Zum Beispiel stellen die Autor*innen die Idee vor, gemeinsam mit Lernenden ein Gedicht zu inszenieren - mit Schauspielerei, Bewegung, Gestik, Mimik und mit Dialogen. 

Die Autor*innen berichten auch über ihre verschiedenen Erprobungen zum poesie-basierten Arbeiten und leiten daraus Beispiele für die Gestaltung von Bildungssettings ab. Ein Beispiel: Lehrende wählen ein Gedicht aus, dass sie gut sichtbar in der Bildungseinrichtung platzieren. Gemeinsam spricht die Gruppe in ihrer Erstsprache über Gedichte. Es folgt eine Vorstellung der jeweiligen Dichter*innen des ausgewählten Gedichts, es wird gemeinsam recherchiert. Die Gruppe liest den Text und notiert Assoziationen und relevante Wörter. 

Dann kann die Gruppe unterschiedlich weiterarbeiten: Z.B. können die aufgeschriebenen Wörter für Schreib- und Leseübungen genutzt werden. Es ist auch möglich, mit einzelnen bedeutsamen Wörtern weiter zu arbeiten (z.B. mit Wörtern wie Angst, Liebe oder Mut). Hier kann die Gruppe etwa über Gefühle diskutieren, den Gefühlen Farben zuordnen oder kreative Plakate zu den Wörtern gestalten.

Über das Projekt POETA

Im Rahmen des Projekts POETA haben sich Projektpartner*innen aus fünf europäischen Ländern mit poesie-basierten Ansätzen für die Basisbildung auseinandergesetzt. Im Projekt sind u.a. ein Konzept zu poesie-basierten Ansätzen in der Basisbildung sowie ein MOOC für Lehrende entstanden. Im E-Book zum Projekt finden sich weitere Methoden und Beispiele für poesie-basiertes Arbeiten. 

Die Autor*innen laden darin alle Interessierten ein, poesie-pädagogische Ansätze auszuprobieren, und betonen, dass auch Lehrende mit Hilfe von Poesie beginnen können, ihre Handlungsfähigkeit zu erweitern und poetische Vorstellungskraft zu stärken.

Fünf europäische Organisationen haben das Projekt umgesetzt:

  • Katholische Erwachsenenbildung Rheinland-Pfalz - Landesarbeitsgemeinschaft e.V. , Deutschland
  • Verein „das kollektiv. kritische bildungs-, beratungs- und kulturarbeit von und für migrantinnen“, Österreich
  • European Learning Centre, Spanien
  • Kalamata Second Chance School, Griechenland
  • Synthesis Center for Research and Education Limited, Zypern
Weitere Informationen:
Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

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