Tagungsrückblick: Krieg und Frieden – Politische Bildung im Spannungsfeld

Einfluss von Krieg auf die Gesellschaft nachvollziehbar machen
Nach der Eröffnung durch IGPB-Obmann Philipp Mittnik (PH Wien) und Boris Ginner (AK Wien, IGPB) thematisierte Daniela Ingruber (UWK, Krems) in ihrem Vortrag die Vor-, Nach- und Nebengeschichten von Kriegen. Dabei brachte sie auch persönliche Erzählungen aus der Arbeit in Kriegs- und Krisengebieten ein und schilderte Ansätze zur Friedensbildung auf der Mikroebene.
Heidrun Zettelbauer (Universität Graz) zeigte im Anschluss am Beispiel des 1. Weltkriegs, wie sehr in Kriegen Geschlechterordnungen Thema öffentlicher Diskurse sind. Während die Front als männlich und die Heimatfront als weiblich galt, wurden diese normativen Ordnungen in der Kriegsrealität immer wieder von Frauen überschritten. Die historische Perspektive könne in politischen Bildungsprozessen helfen, solche Schwarz-Weiß-Bilder zu dekonstruieren und die Wirkweise von Krieg auf Kultur und Gesellschaft nachvollziehbar zu machen.
Ursachen und Wirkungen von Kriegen analysieren
Gerade weil Kinder und Jugendliche unter anderem über mediale Berichte von Krieg erfahren, müsse es schulische Räume geben, damit diese ihre Fragehaltungen, Sichtweisen, aber auch Ängste und Gefühle äußern können, so die Referent*innen der Tagung. In praxisbezogenen Beiträgen beleuchteten Christian Fischer (Universität Erfurt), Georg Lauss (PH Wien) und Wolfgang Buchberger (PH Salzburg) unterschiedliche relevante Aspekte, Chancen, Herausforderungen und Fallstricke bei der Analyse von Krieg und zur Förderung von Frieden.
IGPB-Nachwuchspreis für Politische Bildung
Im Rahmen der Tagung wurde zum ersten Mal der IGPB-Nachwuchspreis verliehen, der künftig alle zwei Jahre für hervorragende Masterarbeiten und Dissertationen zur Politischen Bildung vergeben wird. Dieser Preis ging an Anna-Maria Kerschbaumer für ihre an der Universität Salzburg verfasste Masterarbeit mit dem Titel „Digital Natives und Fake News. Eine qualitative Untersuchung der Handlungskompetenzen Jugendlicher zu Falschmeldungen aus dem Netz“.
Der erste Tag endete mit einem Beitrag von Stefan Huber (Filmmuseum), der dem Publikum Ausschnitte aus Dokumentarfilmen präsentierte, die auf die Thematik bezogenes politisches Lernen mit Kindern und Jugendlichen anregen können.
Fachperspektiven zu Krieg und Frieden
Dass spezifische Fachperspektiven zum Verständnis von Krieg und Frieden beitragen, indem sie blinde Flecken sichtbar machen, wurde am Beispiel der Vorträge von Saskia Stachowitsch (Central European University) und Florian Wenninger (Institut für historische Sozialforschung) deutlich. Stachowitsch erweiterte den Blick auf die Thematik, indem sie auf die Bedeutung verwies, Sicherheitspolitik künftig als Geschlechterpolitik zu analysieren. Beispielsweise richten Feminist Security Studies ihren Fokus auf die (Un)Sicherheit von Bevölkerungsgruppen, deren Bedürfnisse häufig übersehen werden.
Wenninger thematisierte in seinem Vortrag das Wirken der „Kleinen“, durch innere politische Heterogenität gekennzeichneten österreichischen Friedensbewegung der Vor-, Zwischen- und Nachkriegszeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es insbesondere der einflussreiche Österreichische Kameradschaftsbund, der in der Öffentlichkeit sehr aktiv war, um pazifistisches Engagement zu diffamieren.
Podiumsdiskussion zu praktischen Zugängen für politische Bildung
Eine abschließende Podiumsdiskussion widmete sich verstärkt praktischen Zugängen für die politische Bildung. Hierzu gab es zunächst Inputvorträge von Simon Mörwald (PH Salzburg) zu einem Unterrichtsbeispiel zum konzeptuellen Lernen über Krieg, von Georg Marschnig (Universität Wien) zur Darstellung von Kriegen in Schulbüchern und von Hans Peter Grass (Friedensbüro Salzburg) zum Projekt „whywar.at“, das an der Schnittstelle zwischen Friedensbildung und Politischer Bildung angesiedelt ist.
Dabei wurden nochmals Kernaspekte zur Auseinandersetzung mit Krieg und Frieden in der politischen Bildung angesprochen: Die Bedeutung des Kontroversitätgebots, das vorgibt, dass wissenschaftliche und politische Kontroversen auch im Lehr-/Lernsetting kontrovers erscheinen müssen; weiters die Herausforderung subjektiver Betroffenheit (insbesondere der Lernenden) und die Wichtigkeit eines reflektierten Umgangs mit Begriffen. Beispielsweise macht es einen Unterschied, ob man vom Ukrainekrieg oder vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine spricht und somit den Aggressor benennt.
Über den Autor: Thomas Stornig lehrt und forscht zur Politischen Bildung an der PH Tirol und ist Vorstandsmitglied der IGPB.

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