Immersives Lernen mit Virtual Reality

05.10.2022, Text: Karin Kulmer (seit 05/2023: Karin Lamprecht), Redaktion/CONEDU
Aktuelle Publikationen und Praxisbeispiele zeigen, wie Virtual Reality (VR) in der Erwachsenenbildung eingesetzt werden kann.
Frau mit VR-Brille
Die Möglichkeiten von VR in der (Erwachsenen-)Bildung werden in den nächsten Jahren wohl noch zunehmen.
Foto: Unsplash Lizenz, Maxim Hopman, https://unsplash.com
Virtual Reality (VR) gewinnt im Bildungsbereich zunehmend an Bedeutung. Der Einsatz der Technologie bietet sich vor allem dann an, wenn eine Präsenzveranstaltung sehr kostspielig oder potentiell mit Gefahren verbunden wäre – etwa im medizinischen Bereich oder bei technischen Trainings an komplexen Maschinen. Darüber hinaus bieten immersive Lernerfahrungen auch Potentiale für die allgemeine Erwachsenenbildung.

Was ist Virtual Reality?

Der Begriff Virtual Reality (VR) bezeichnet eine künstlich beeinflussbare Umgebung, die parallel zur wahrnehmbaren Realität existiert (vgl. Zobel et al. 2018). Im Unterschied zu Technologien wie Augmented Reality (AR) und Mixed Reality, bei denen die Wirklichkeit um virtuelle Informationen angereichert wird, existieren VR-Umgebungen ausschließlich virtuell.

 

Das Gefühl des Eintauchens in eine virtuelle Welt wird als Immersion bezeichnet (vgl. Sherman und Craig 2003). Nutzer/innen können ihren Standpunkt und Blickwinkel in der virtuellen Welt üblicherweise frei wählen und erhalten sensorisches (visuelles, auditives und/oder haptisches) Feedback über ihre virtuelle Position. Fortgeschrittene VR-Technologien beinhalten neben einer VR-Brille auch Sensoren an Händen, Füßen, Rumpf und Kopf, was ein sogenanntes "Full Body Tracking" und damit ein realitätsgetreues Bewegen im virtuellen Raum ermöglichen soll.

Beispiele guter Praxis: VR in der beruflichen Bildung

Eine aktuelle Abschlussarbeit an der Universität Graz (pdf) kommt zum Ergebnis, dass VR im Kontext der Erwachsenenbildung derzeit vor allem für den Erwerb von Fertigkeiten und Soft Skills im Rahmen der beruflichen Erwachsenen- und Weiterbildung eingesetzt wird.

 

Ein Beispiel dafür ist das Projekt "Netzwerk Q 4.0". Dabei wird VR in der Aus- und Weiterbildung von Fachtrainer/innen in der Elektrobranche eingesetzt, um ein gefahrloses Erproben von Live-Situationen – beispielsweise beim Umgang mit Starkstrom – zu ermöglichen.

 

Im Leitfaden aus dem Projekt COPLAR – Community of Practice zum Lernen mit AR und VR – finden sich weitere Praxisbeispiele zum Einsatz von VR in der beruflichen Bildung – etwa eine VR-Lackierwerkstatt oder eine VR-Simulation für angehende Notfallsanitäter/innen.

Potenziale für die allgemeine Erwachsenenbildung

Während VR in der beruflichen Bildung bereits zum Alltag gehört, steht die Technologie in der allgemeinen Erwachsenenbildung noch am Anfang. Ein Beitrag im Magazin erwachsenenbildung.at zeigt, welche Möglichkeiten sich hier in den nächsten Jahren ergeben könnten. Demnach bietet vor allem die soziale Interaktion mit realen Personen und Avataren viele Möglichkeiten – auch über große Entfernungen hinweg und auch in Situationen mit eingeschränkten physischen Kontaktmöglichkeiten. Hierzu existieren bereits zahlreiche immersive Lernumgebungen wie z.B. Arthur, Altspace, GLUE oder RAUM. Die VR-Trainerin Susanne Drdla hat einige dieser Räume live getestet und zu ihren Erfahrungen gebloggt.

Immersion "light" – Lernumgebungen ohne VR

In vielen Bildungskontexten ist das Budget knapp und die Anschaffung von VR-Brillen bzw. entsprechender Softwarelizenzen daher nicht möglich. Alternativ gibt es Lernumgebungen ("VR light-Plattformen"), die auch ohne Brille ein Bewegen im virtuellen Raum und damit ein immersives Lernerlebnis ermöglichen. Dazu zählen Softwarelösungen wie Wonder, Spatial.io oder Gather Town, die beispielsweise für den informellen Online-Austausch verwendet werden können.

Herausforderungen von VR

Neben den hohen Kosten, die mit dem Einsatz von VR-Technologien verbunden sein können, gilt es noch weitere Herausforderungen zu beachten. Dazu gehört die didaktisch begründete Medienwahl: Wie andere digitale Technologien sollte auch VR nicht um ihrer selbst willen eingesetzt werden, bloß um einen "Wow-Effekt" zu erreichen. Erwachsenenbildner/innen sind vielmehr gefordert, Medien so auszuwählen und einzusetzen, dass die Lernenden möglichst gut lernen können.

 

Auch die Zugänglichkeit der Bildungsangebote sollte im Blick behalten werden – neben Kosten und Software-Erfordernissen ist auch die Barrierefreiheit zu beachten. Lernende mit visuellen Einschränkungen könnten in virtuellen Lernwelten Schwierigkeiten haben, die Lerninhalte vollständig wahrzunehmen. Auch bei Lernenden ohne gesundheitliche Einschränkungen können Begleiterscheinungen wie Übelkeit und Schwindel ("motion sickness") auftreten.

 

Nicht zuletzt sollten Lehrende in Zeiten von Energieknappheit überlegen, für welche Lernanlässe eine VR-Umgebung notwendig ist und in welchen Fällen diese durch energiesparendere Lernformen – wie z.B. Online-Seminare mit (teilweise) ausgeschalteter Webcam – ersetzt werden könnte.

Was die Zukunft bringt

Virtual Reality ist gekommen um zu bleiben: Die Möglichkeiten im Bildungsbereich werden in den nächsten Jahren wohl noch zunehmen, die Technologien noch erschwinglicher und zugänglicher werden. Für Erwachsenenbildner/innen gilt es, an dem neuen Trend dranzubleiben, selbst virtuelle Lernräume auszuprobieren und dabei Kompetenzen für die Zukunft aufzubauen. Eine Möglichkeit dafür bietet das Trainingsprogramm für Bildungspersonal, das im Rahmen des Viral Skills Projekts entwickelt wurde.

Weitere Informationen und Quellen:
Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

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