Milieutheorien als Selbsteinschätzungs-Angebot für BildungsberaterInnen

02.11.2017, Text: Astrid Leonhartsberger-Ledl, AK Oberösterreich, Redaktion: Mira Nausner, Initiative Bildungsberatung - ÖSB Studien & Beratung
Wie „anschlussfähig“ sind die BeraterInnen mit ihren Haltungen, Lebenswelten und Milieuzugehörigkeiten an ihre KlientInnen? Angebot einer Verortung/Einordnung mittels Selbsteinschätzungsbogen und Reflexionsfragen.
Frau vor Laptop
Selbsteinschätzungsbogen für BildungsberaterInnen
Foto: Alle Rechte vorbehalten, Anna Rauchenberger, auf erwachsenenbildung.at
Dieser Artikel erschien ursprünglich in Ausgabe 1/2017 des Fachmediums „Bildungsberatung im Fokus", die sich dem Thema „'Anschlussfähigkeit' der Bildungsberatung" widmet.

 

Wie „anschlussfähig" ist die Bildungsberatung?

In diesem Artikel soll anhand von Milieutheorien der Frage nach der „Anschlussfähigkeit" der Bildungsberatung nachgegangen werden. Die BeraterInnen selbst können sich mittels eines Selbsteinschätzungsbogens sowie Reflexionsfragen einordnen bzw. verorten. Wie „anschlussfähig" sind die BeraterInnen mit ihren Haltungen, Lebenswelten und Milieuzugehörigkeiten an Ihre KlientInnen?

 

Wie „anschlussfähig" sind die BildungsberaterInnen?

Die Frage nach der „Anschlussfähigkeit" der BildungsberaterInnen an ihre KlientInnen stellt sich auf vielfältige Weise. BeraterInnen sind gefordert, auf unterschiedliche Menschen und deren Anliegen einzugehen, fachlich am aktuellen Stand zu sein, sich mit neuen Medien (Soziale Medien, Onlineberatung, Chatberatung etc.) zu beschäftigen und sich auf eine zunehmend diversifizierte Gesellschaft einzustellen (Multikulturalität, verschiedenste Werthaltungen).

 

Wie kompatibel sind die Lebenswelten BeraterIn – KlientIn?

Der Umgang mit verschiedensten Personen und deren Lebenswelten ist tägliche Arbeit der Bildungsberatung; Anpassungsfähigkeit und Empathie gehören somit zur Grundausstattung. Wie kompatibel sind jedoch die Lebenswelten der BeraterInnen mit denen der KlientInnen? Wie „anschlussfähig" sind BildungsberaterInnen an ihre KlientInnen (die z. B. nicht so bildungsaffin, -erfahren sind)?

 

Was bedeutet Habitussensibilität?

„Anschlussfähigkeit" entsteht durch Erkennen der Lebenswelt des/der Anderen und v. a. durch Habitussensibilität. Der Habitus eines Menschen ist die Grundhaltung eines Menschen zur Welt und zu sich selbst; seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe und die „Prägung", die er (oder sie) durch diese Zugehörigkeit erfahren hat (Bourdieu).
Habitussensibilität bedeutet, dass sich immer mehr Berufsgruppen bemühen, sensibel gegenüber dem Habitus ihrer KlientInnen zu handeln. Es geht auch um die Erwartung, dass Professionelle in ihrem Handeln alltagskulturelle Unterschiedlichkeiten berücksichtigen. Habitussensibles Vorgehen ist aber auch beeinflusst vom Habitus der Professionellen, also der BeraterInnen.

 

Hier kommt das Milieu ins Spiel,...

das sich durch Ähnlichkeit des Habitus definiert – ähnliche Lebensführung und Vorlieben und v. a. Haltungen zu Arbeit und Bildung. Die Lebenswelten sind durch die Milieus, aus denen wir stammen und in denen wir uns bewegen, geprägt und geformt. Milieus sind Gruppen von Menschen mit ähnlicher Lebensführung, ähnlichen Vorlieben und v. a. Haltungen zu Arbeit und Bildung.

 

Angebot der Selbsteinschätzung/Selbstreflexion

Nachstehend können BeraterInnen sich selbst anhand eines Selbsteinschätzungsbogens und Reflexionsfragen einordnen. Welches Milieu, welcher Habitus hat mich geprägt – aus welcher Herkunftsfamilie stamme ich, was habe ich an Haltungen und Werten mitbekommen? Eine solche Selbstreflexion ist wesentlich zur Förderung der Habitussensibilität und damit auch zur „Anschlussfähigkeit".

 

Es wird zwischen dem Herkunftsmilieu und dem „aktuellen" Milieu unterschieden. Das Milieubild macht deutlich, dass Bildung ganz unterschiedlich in Lebenszusammenhänge eingebunden ist und jeweils eine spezifische Funktion für den Alltag und die Lebensführung hat (Bremer, Blog, S. 12).

 

Milieubeschreibungen stehen in der Tradition großer Studien (z. B. Bourdieu) – für diesen Artikel wurden die Sinus-Milieus und die Milieutheorie nach Bremer bzw. Vester herangezogen und bearbeitet.

 

Die Beschreibung der Milieus für den Selbsteinschätzungsbogen erfolgt in kurzer und plakativer Form, um eine Einordnung zu erleichtern, eine ausführlichere Beschreibung findet sich bei den Autoren.

 

Darstellung: Soziales Milieu

Milieus nach Bremer, Vester – Grafik eigene Darstellung

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Selbsteinschätzungsbogen

Wie bzw. wo sehe/verorte ich mich als BildungsberaterIn?
Empfohlen wird eine Prozentangabe, da die Zuordnung zu einem Milieu oft nicht möglich/sinnvoll ist.

 

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Selbsteinschätzungsbogen: Reflexionsfragen

  • Aus welchem Herkunftsmilieu stamme ich? (Einordnung im obigen Bogen)

  • Welchem Milieu würde ich mich derzeit einordnen? (Einordnung im obigen Bogen)

  • Welche Werte waren meinen Eltern wichtig?

 

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  • Welche Werte sind mir JETZT wichtig?

  • Wie hat mein Herkunftsmilieu meine Bildungslaufbahn beeinflusst? Wie war die
    Einstellung meiner Eltern zum Thema Bildung? Wie würde ich meine Einstellung
    zum Thema Bildung beschreiben?

  • Mit KlientInnen aus welchen Milieus komme ich gut zurecht, mit welchen weniger?
    Welche Haltungen und Werte gehen konform mit meinen eigenen?

  • Wie hat sich meine eigene Einstellung zum Thema Bildung in Auseinandersetzung
    mit anderen Bildungsmilieus verändert?

 

Literatur

 

 
Weitere Informationen:
 
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