Kunst und Kultur für alle

30.07.2015, Text: Eva-Maria Speta, Redaktion: Renate Ömer, BhW Niederösterreich/Ring ÖBW
Kunst und Kultur allen Menschen zugänglich zu machen, ist eine Frage der Gleichstellung. Von den Gleichstellungsmaßnahmen profitieren wird ein großer Teil der österreichischen Bevölkerung. (Serie: Kunst und Kultur)
KHM Tastführung (Foto: ©KHM-Museumsverband )
Tastführung am KHM in Wien
Foto: KHM-Museumsverband
Österreich befindet sich auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft. Das bringt große gesellschaftliche Herausforderungen mit sich – auch für die Bereiche Kunst und Kultur. Inklusion vertritt die Idee, dass niemand ausgegrenzt werden soll. Die Umsetzung von Barrierefreiheit stellt ein wichtiges Fundament für eine inklusive Gesellschaft dar.

Barrierefreiheit – gesetzlich geboten und ein Wettbewerbsvorteil


Für die Auseinandersetzung mit der Barrierefreiheit gibt es wichtige Gründe. Sie ist einerseits gesetzlich geboten. Artikel 7, Absatz 1 der österreichischen Bundes-Verfassung besagt unter anderem: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“. Auch das Bundes-Behinderten-Gleichstellungs-Gesetz, das 2006 in Kraft trat, schreibt die Umsetzung von Barrierefreiheit als ein Mittel gegen Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen vor. Durch die Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2008, hat sich Österreich ein weiteres Mal dazu verpflichtet, alles zu tun, um Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen abzubauen bzw. zukünftig zu verhindern.


Andererseits gibt es auch wirtschaftliche Gründe, sich mit dem Thema Barrierefreiheit zu beschäftigen. Menschen mit Behinderungen stellen etwa 20,5% der österreichischen Gesamtgesellschaft dar. Es handelt sich also um einen sehr großen Kreis potenzieller Kunden und Kundinnen.


Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang auch die demografische Entwicklung. Die Menschen in Österreich werden immer älter und der Anteil der älteren Personen an der Gesamtgesellschaft wird in den nächsten Jahren drastisch steigen. Das Älter-Werden bringt ebenfalls körperliche Einschränkungen und Einschränkungen der Sinne mit sich. Insofern profitiert auch diese Personengruppe von Maßnahmen im Sinne der Barrierefreiheit. Berücksichtigt man diese zusätzliche Zielgruppe, so kommt man auf etwa 40% der österreichischen Gesellschaft, die von Maßnahmen im Sinne der Barrierefreiheit profitieren - 40% potenzielle Kunden und Kundinnen.


Barrierefreiheit ist mehr als rollstuhlgerecht


Viele Menschen denken bei dem Begriff „Barrierefreiheit“ nach wie vor in erster Linie an den Rollstuhl und an die Notwendigkeiten von Rollstuhlfahrern und -fahrerinnen. Der Begriff meint aber viel mehr – es geht beispielsweise auch darum, wie Informationen barrierefrei zugänglich gemacht werden können. Es ist wichtig, die gesamte Bandbreite des Themas zu kennen, bevor man entscheidet, was man tut.

Hervorragende Beispiele


Zur Umsetzung von Barrierefreiheit im Bereich Kunst und Kultur gibt es bereits hervorragende Beispiele.


Da blinde Menschen Informationen nicht sehen können, müssen sie für sie hörbar und/oder tastbar zur Verfügung gestellt werden. Das Kunsthistorische Museum in Wien hat schon vor Jahren ein Projekt gestartet, um auch blinden Menschen den eigenständigen Genuss von Kunstwerken zugänglich zu machen. Dort wurden unter anderem zu verschiedenen Gemälden, Tast-Reliefs nachgebildet, so dass blinde Personen das Gemälde begreifen und erspüren können.


Im Schloss Schönbrunn gibt es so genannte Audio-Guides. Diese Audio-Guides kann man auf unterschiedliche Sprachen einstellen, unter anderem gibt es auch Videos in der österreichischen Gebärdensprache. Viele Menschen wissen nicht, dass für gehörlose Menschen, die mit der Gebärdensprache aufwachsen, diese ihre Muttersprache und die österreichische Lautsprache die erste Fremdsprache darstellt. Wenn man das weiß, versteht man, warum für diese Zielgruppe Informationen in Gebärdensprache so wichtig sind.


Im Archäologischen Park Carnuntum wurde eine Informations-Broschüre in Leichte Sprache übersetzt. „Leichte Sprache/Leicht Lesen“ bezeichnet eine Gestaltungsart von Informationen hinsichtlich Text und Layout, die es Menschen, die sich mit dem Lesen schwer tun, erleichtert, den Text zu verstehen. Diese Gestaltungsform hilft nicht nur Menschen mit Lernschwierigkeiten, sondern beispielsweise auch Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen oder Personen mit einem geringen Bildungsniveau.


Bei den Sommerfestspielen in Melk wurde eine induktive Höranlage eingebaut, die auch hörbeeinträchtigten Menschen uneingeschränkten Kulturgenuss ermöglicht.


Diese Beispiele zeigen die große Bandbreite der Umsetzungsmöglichkeiten - abseits der baulichen Barrierefreiheit - auf. Sie zeigen aber auch, dass große Anbieter natürlich ganz andere Möglichkeiten haben, als kleine – möglicherweise ehrenamtliche geführte – Museen oder andere Kulturstätten. Aber jeder und jede kann etwas tun – immer in Abstimmung mit seinen bzw. ihren Möglichkeiten!

Barrieren in den Köpfen beseitigen


Barrieren, die wirklich jeder und jede beseitigen kann, sind jene in unseren Köpfen. Nicht-betroffene Menschen haben häufig noch ein völlig falsches Bild von Menschen mit Behinderungen. Sie können sich die Möglichkeiten, Wünsche und Bedarfe von Menschen mit Behinderungen häufig einfach nicht vorstellen. Oder hätten Sie gedacht, dass auch blinde Menschen gerne eine Ausstellung besuchen möchten? Diese Barrieren in den Köpfen zu beseitigen, ist ein wesentlicher Punkt bei der Umsetzung von Barrierefreiheit.


„Wir wollen allen Menschen den Zugang zu Bildung und Kultur ermöglichen“, so steht es im Leitbild der BHW Niederösterreich GmbH. Diese Formulierung bringt es mit sich, dass dabei selbstverständlich auch Menschen mit Behinderungen mitgedacht werden. Deswegen beschäftigt sich das BHW seit mittlerweile über 10 Jahren mit den Themen Behinderung, Barrierefreiheit und Inklusion. Im Projekt BEN – Barrierefreie Erwachsenenbildung in Niederösterreich - leistet es Informations- und Sensibilisierungsarbeit in ganz Niederösterreich.


Die BHW Niederösterreich GmbH kann aufgrund ihrer langjährigen Beschäftigung mit dem Thema Barrierefreiheit auf ein umfassendes Wissen zum Thema zurückgreifen. Dem Slogan der Selbstvertretungs-Initiativen von Menschen mit Behinderungen „Nichts über uns, ohne uns“ folgend, wurde ein Fachbeirat gegründeten, der aus Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen besteht. Dieser unterstützt sie bei ihrer täglichen Arbeit. Ein ExpertInnen-Pool bestehend aus über 160 Kontakten zu ExpertInnen der unterschiedlichen Bereiche der Barrierefreiheit, rundet die Expertise ab.

 

Serie "Kunst und Kultur in der Erwachsenenbildung"
In einer Serie von Berichten, Interviews, Essays und programmatischen Beiträgen berichten Korrespondentinnen und Korrespondenten aus Verbänden, Netzwerken und Einrichtungen 2015 über die künstlerischen und kulturellen Aspekte von Erwachsenenbildung. In dieser Gemeinschaftsinitiative soll sichtbar werden, wie wichtig kreative Zugänge zur Welt und deren Aneignung sind. Bildung fungiert hier ebenso sehr als Kulturträger wie auch Innovator. Sie eröffnet Freiräume im Denken und Handeln, schafft Verständigung zwischen den Menschen und Kulturen und hilft uns Identität im Wandel zu begreifen und immer neu zu entwickeln. Alle Beiträge zur Serie finden Sie hier.

Weiterführende Informationen:

 

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