Buchvorstellung: Didaktik der Erwachsenen- und Weiterbildung

26.06.2023, Text: Sarah-Maria Rotschnig, Universität Klagenfurt, Redaktion: Lucia Paar und Marion Kirbis, Redaktion/CONEDU
Im Rahmen des aktuellen Diskurses in der Erwachsenenbildung über das Lehren lohnt sich ein Blick in die zweite Auflage des Standardwerks „Didaktik der Erwachsenen- und Weiterbildung“.
Professionelles didaktisches Handeln steht im Zentrum der formalen Erwachsenen- und Weiterbildung.
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Das lehrende Personal in der Erwachsenen- und Weiterbildung gerät zunehmend in den Fokus der fachlichen Aufmerksamkeit. In diesem Kontext lässt sich auch das Lehrbuch „Didaktik der Erwachsenen- und Weiterbildung“ von Aiga von Hippel, Claudia Kulmus und Maria Stimm verorten, das 2022 in der zweiten Auflage erschienen ist. Die Autorinnen arbeiten an deutschen Universitäten und gelten als Expertinnen im Bereich der Erwachsenen- und Weiterbildung.

Didaktik als Begriff und Thema erwachsenenpädagogischer Forschung

Die Autorinnen beginnen mit einer fachlichen Verortung der Didaktik im Bereich von Erwachsenen- und Weiterbildung. Sie skizzieren die Vielzahl an Tätigkeiten und Rollenprofilen, die von Erwachsenen- und Weiterbildner:innen ausgeübt sowie eingenommen werden.

 

Daran anschließend erfolgt eine Benennung relevanter Forschungsstränge, die sich mit didaktischen Fragestellungen befassen. Dazu zählen die Lehr- und Lernforschung, die (Weiter-)Bildungsberatungsforschung, die Adressat:innen-, Teilnehmenden- und Zielgruppenforschung, die Programm(planungs)forschung, die Organisationsforschung sowie die Professionsforschung.

Verknüpfung von Lerntheorien, didaktischen Prinzipien, Modellen und Methodenwahl

Den Autorinnen zufolge ist das Ziel des vorliegenden Lehrbuches, Diskussionen zu Lerntheorien, didaktischen Prinzipien, didaktischen Modellen und zu der Methodenwahl miteinander zu verknüpfen und damit ein ganzheitliches Bild zu zeichnen.

 

Besonders hervorgehoben wird darüber hinaus, dass Didaktik in der Erwachsenen- und Weiterbildung ein „Kernthema und professionelle Kernaufgabe der Erwachsenen- und Weiterbildung“ ist (Seite 16), aber zu wenig Aufmerksamkeit im Diskurs erfährt. Das möchten die Autorinnen mit der kompakten Zusammenschau wesentlicher Aspekte in diesem Lehrbuch ändern.

 

Zu Beginn werden Begriffe zur Didaktik der Erwachsenen- und Weiterbildung erläutert. In diesem Zusammenhang rücken Spannungsfelder in den Fokus und eine Beschreibung der unterschiedlichen didaktischen Handlungsebenen wird relevant. Mesoebene und Mikroebene werden definiert und unter Berücksichtigung der speziellen Aufgaben dargelegt – Programmplanungshandeln einerseits und Lehre andererseits. Um diese didaktischen Handlungsebenen besser nachvollziehen zu können, wird ein Verständnis des Lernens Erwachsener vorausgesetzt.

 

Theoretische Grundlagen zum Lernen bilden folglich das nächste Kapitel des Lehrbuches. Das Spezifikum erwachsenenpädagogischer Lerntheorien wird herausgearbeitet und damit thematisiert, welche Akzente die Erwachsenen- und Weiterbildung diesbezüglich setzt. Didaktische Modelle und Prinzipien schließen daran an und werden im Überblick, aber doch detailliert, beschrieben.

Didaktische Prinzipien als inhaltlicher Kern des Lehrbuches

Die Herausarbeitung von Adressat:innen- und Zielgruppenorientierung, Teilnehmendenorientierung, Sach- oder Inhaltsorientierung sowie Situationsorientierung als zentrale Reflexionsfolien erwachsenenpädagogischen Handelns, bildet den Kern des Lehrbuches.

 

Diese Prinzipien werden nicht isoliert voneinander betrachtet, sondern zusammengeführt und unter Berücksichtigung professioneller Antinomien im Kontext der Erwachsenen- und Weiterbildung diskutiert.

Modell zur mikrodidaktischen Feinplanung

Alle Ausführungen münden am Schluss in ein ganzheitliches Modell, das die „mikrodidaktische Feinplanung“ (Seite 105) abbildet. Hier werden theoretische Ansätze, didaktische Prinzipien und die Methodenauswahl in Verbindung gebracht. Auf diese Weise wird der Zusammenhang aller Aspekte sichtbar und gleichsam die Reflexion von didaktischem Handeln in unterschiedlichen Facetten forciert.

 

Die Autorinnen schließen mit der Betonung des hohen Anspruches an erwachsenenpädagogische Tätigkeit, wenn darauf abgezielt wird, „Erwachsene bei der Aneignung von für sie relevanten Inhalten zu unterstützen und dafür geeignete Lerngelegenheiten zu schaffen sowie angemessene didaktische Entscheidungen zu treffen“ (Seite 113).

Aktualität und Praxisrelevanz

Lehre in der Erwachsenen- und Weiterbildung ist ein anspruchsvolles Handlungsfeld, das durch Komplexität gekennzeichnet ist. Fertige Rezepte für professionelles Handeln gibt es nicht. Daher ist die Beschäftigung mit Professionalität und die fortwährende Professionalisierung als Erwachsenen- und Weiterbildner:in von großer Bedeutung. Das Zusammendenken von Theorien, didaktischen Modellen und didaktischen Prinzipien, wie es die Autorinnen in ihrem Modell vorschlagen, kann bei der Auswahl und Begründung von didaktischen Entscheidungen in Bezug auf Inhalte, Methoden, Ziele, Material, Medien, Raum, Zeit u.v.m. relevant sein.

 

Lange Zeit stand das Programmplanungshandeln als zentrales Handlungsfeld der Erwachsenen- und Weiterbildung im Vordergrund. Die Auseinandersetzung mit der Professionalität sowie damit einhergehende Professionalisierungsbestrebungen der erwachsenenpädagogischen Disziplin, führten zu einem Perspektivenwechsel.

 

Dieser bringt Jörg Dinkelaker zufolge eine Thematisierung von Kompetenzen und Praktiken des lehrenden Personals mit sich. Angesprochene Kompetenzen, Praktiken und Handlungslogiken werden stets im Kontext des jeweiligen erwachsenenpädagogischen Tätigkeitsfeldes betrachtet (z.B. dritte Phase der Lehrer:innenbildung, politische Erwachsenenbildung, Basisbildung etc.).

 

Diesbezüglich werden didaktische Prinzipien in der Gestaltung von Lehr-Lernsettings für Erwachsene relevant. Aktuelle fachliche Beiträge holen beispielsweise das Kernprinzip erwachsenenpädagogischen Handelns – die Teilnehmendenorientierung – nach Jahren wieder vor den Vorhang. Beleuchtet wird u.a. von Tim Stanik und Lisa Marie Fritsch, wie sich Teilnehmendenorientierung empirisch fassen lässt  oder auch von Dennis Walter, welchen Implikationsgehalt dieses Leitprinzip für E-Learning-Settings in der Erwachsenenbildung bietet.

 

In diesem Kontext leistet die aktuelle Auflage des Lehrbuches „Didaktik der Erwachsenen- und Weiterbildung“ einen Beitrag zur erwachsenenpädagogischen Professionalisierung des lehrenden Personals und ist für alle Praktiker:innen zu empfehlen, um sich reflektiert mit der eigenen Tätigkeit im je spezifischen erwachsenenpädagogischen Handlungsfeld auseinanderzusetzen.

 

 

von Hippel, A./Kulmus, C./Stimm, M. (2022): Didaktik der Erwachsenen- und Weiterbildung. 2. Auflage. Paderborn: Brill | Schöningh, EUR 22,00, ISBN: 9783825259563, E-Book ISBN: 9783838559568.

 

Über die Autorin

Sarah-Maria Rotschnig, BA BA MA, ist Universitätsassistentin am Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung der Universität Klagenfurt. Sie studierte Angewandte Kulturwissenschaft und Erziehungs- und Bildungswissenschaft im Bachelor sowie Erwachsenen- und Berufsbildung im Master. Aktuell verfasst sie ihre Dissertation zum Thema „Dimensionen erwachsenenpädagogischen Handelns von Lehrkräftefortbildner:innen“.

E-Mail: Sarah-Maria.Rotschnig@aau.at

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