Blick ins Buch: Refugees Welcome in der Erwachsenenbildung
Typische Geflüchtete gibt es nicht
Publizist Silvester Popescu-Willigman und Soziologe Bernd Remmele halten als Herausgeber des Werks fest, dass es typische Geflüchtete genauso wenig gibt wie typische Lernende. Bei pauschalen Zuschreibungen wie "Für Geflüchtete ist in Österreich alles neu" sollte man somit beachten, dass geflüchtete Menschen keine homogene Gruppe bilden. Menschen mit Fluchthintergrund weisen in Bezug auf ihre Lernvoraussetzungen ein sehr breites Spektrum an Bedürfnissen, Wünschen, Begabungen und Interessen auf, die sich auf das Lernen auswirken, so die Herausgeber.
Fluchterfahrung als potenzielle Ressource sehen
Die Herausgeber betonen, dass Menschen mit Fluchterfahrungen in der Bildungsarbeit häufig unterstellt wird, sich schwer anpassen zu können oder besonders schutzbedürftig zu sein. Sie plädieren dafür, Erfahrungen mit Flucht trotz Bemühungen um einen sensiblen und verständnisvollen Umgang auch als potenzielle Ressource anzusehen. Nach Popescu-Willigman und Remmele können Geflüchtete wertvolle Handlungs- und Lösungskompetenzen sowie Kreativität und Zielorientierung entwickeln, die ihnen im Zuge des Lernens zugutekommen. Der Fokus darauf sei wichtig um das Potenzial der Personen anzuerkennen und nicht nur auf Defizite zu schauen. Kenntnisse über die jeweiligen Fluchtgründe können ErwachsenenbildnerInnen und auch Bildungsinstitutionen dabei helfen, den Einfluss der Fluchterfahrung auf psychische und physische Fähigkeiten der Zielgruppe in die Planung von Bildungsmaßnahmen miteinzubeziehen.
Wenige Daten zu Ermittlung des Sprachniveaus
Die Bildungsforscherinnen Ewelina Mania und Monika Tröster betonen die Bedeutung von Spracherwerb für die gesellschaftliche Partizipation. Die Autorinnen halten fest, dass es nach wie vor kaum Befunde zu den Sprachkenntnissen von geflüchteten Personen gibt, da diese häufig erst bei Beginn eines Sprachkurses ermittelt werden. Als Beispiele für Anlaufstellen für die Sprachstandermittlung führen sie den Europäischen Referenzrahmen für Sprachen, und einen Selbsttest des Goethe-Instituts an.
Literalität umfasst mehr als nur Fertigkeiten
In Bezug auf die Entwicklung von angemessenen Angeboten verweisen die Autorinnen Mania und Tröster auf den Begriff der Literalität, der nicht nur die Vermittlung bloßer Lese- und Schriftfertigkeiten beinhaltet. Er berücksichtige auch konkrete Alltagssituationen und Anwendungsgebiete wie z.B. den Arbeitsplatz, in denen Sprachkenntnisse eine maßgebliche Rolle für die Teilhabe spielen. Die Autorinnen präsentieren eine Checkliste, die ErwachsenenbildnerInnen Unterstützung bei der Entwicklung von angemessenen Angeboten bieten soll. Die Checkliste bezieht sich u.a. auf Ressourcen- und Lebensweltorientierung (wie z.B. Alltagsrelevantes) und räumliche Bedingungen (wie z.B. Angebote in der Nähe des Wohnortes).
Sensibel mit heterogenen Gruppen umgehen können
Der Professionalisierung von ErwachsenenbildnerInnen, die mit Geflüchteten arbeiten, widmet sich Bildungswissenschaftler Moritz Petzi. Eine wichtige Kompetenz von ErwachsenenbildnerInnen sei es, mit heterogenen Gruppen umgehen zu können. Denn sie arbeiten oft mit Menschen, die unterschiedlich fortgeschrittene Deutschkenntnisse und vielfältige Bildungshintergründe aufweisen, so der Autor. Auch personale Kompetenzen, die für psychosoziale Aspekte der Arbeit mit Geflüchteten von Bedeutung sind wie z.B. der Umgang mit Traumata, zählen laut dem Autor als wichtige Kompetenz. In Bezug auf pädagogische Professionalität hebt Petzi hervor, dass ein sensibler Umgang mit dem jeweiligen kulturellen Hintergrund sowie den Sprachkenntnissen höchste Priorität hat, um bei individuellen Lebensverhältnissen der Geflüchteten ansetzen zu können.
Popescu-Willigmann, Silvester/Remmele, Bernd (2019): ‚Refugees Welcome' in der Erwachsenenbildung. Adressatengerechte Programmgestaltung in der Grundbildung. Bielefeld: wbv Verlag. 196 Seiten. 34,90 €. ISBN: 978-3-7639-5979-2. DOI: 10.3278/43/0056W.
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