
Stefan Müller
Verständnisse und Missverständnisse des Kritik-Begriffs
Reflexive Kritik als Modus einer mündigkeitsorientierten politischen Bildung
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Müller, Stefan (2022): Verständnisse und Missverständnisse des Kritik-Begriffs. Reflexive Kritik als Modus einer mündigkeitsorientierten politischen Bildung. In: Magazin erwachsenenbildung.at. Das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs. Ausgabe 46, 2022. Online: https://erwachsenenbildung.at/magazin/ausgabe-46.
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Kritik gilt als Ausgangspunkt von Veränderung und ist damit sowohl Voraussetzung als auch ein Ziel politischer Bildung. Gleichzeitig dient Kritik als Bezugspunkt für allerhand: Man spricht von sog. „Asylkritik“ statt von Rassismus, von sog. „Israelkritik“ statt von Antisemitismus und schließlich versprechen Verschwörungserzählungen einen „kritischen Blick“ hinter die Kulissen. Während Kritik einerseits die Ressentiments aufklären kann, gibt es andererseits auch Ressentiments, die als „Kritik“ erscheinen. Die Sozialforscher der Kritischen Theorie Theodor W. Adorno und Max Horkheimer entwickelten ein erweitertes, dialektisches Konzept von Kritik: die reflexive Kritik bzw. kritische Reflexivität. Kritik in diesem Verständnis dient nicht dazu zu zeigen, was einem nicht passt, sondern ist ein Modus der Reflexivität, der auch Distanz ermöglicht. Dabei geht die reflexive Befragung so weit, dass auch unbeabsichtigte, den eigenen Annahmen diametral widersprechende Annahmen und Folgen diskutierbar werden. Einbezogen werden zudem Reflexionen auf normative Annahmen. Ein derartiges Kritikverständnis ist die Grundlage für eine mündigkeitsorientierte politische Bildung, in der dichotome Standpunkte und normative Annahmen reflektiert werden, den Lernenden Wissen um gesellschaftlich kursierende Ressentiments reflexiv zur Verfügung gestellt wird und Effekte für die strukturelle und soziale Legitimierung von Ein- und Ausschlussmechanismen diskutiert werden. (Red.)
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