Macht KI uns dumm? – Was wir beim Lernen gewinnen und verlieren
Mit dem zunehmenden Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz stellt sich die Frage, wie sich diese Technologie auf unser Denken und Lernen auswirkt. Zwei aktuelle Beispiele beleuchten das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven und liefern erste Erkenntnisse darüber, inwieweit die Nutzung von KI-Tools kognitive Prozesse unterstützen oder auch hemmen kann.
KI statt Kopfarbeit – Was Kognitives Offloading für unser Denken bedeutet
Eine im Jänner veröffentlichte Studie des Center for Strategic Corporate Foresight and Sustainability der Swiss Business School befasste sich mit dem Einfluss von KI auf das kritische Denkvermögen. Dafür wurden 666 Personen unterschiedlicher Bildungsniveaus und Altersklassen mithilfe standardisierter Umfragen und Interviews befragt und ihre Antworten analysiert. Die Ergebnisse zeigten, dass eine häufige Nutzung von KI-Tools mit einer geringeren Fähigkeit kritisch zu denken einhergeht. Laut Studie hängt dies mit Kognitivem Offloading zusammen, also dem Vorgang, das eigene Gehirn mit Hilfsmitteln zu entlasten – so wie z.B. die Übertragung von Denkaufgaben an generative KI.
Jüngere Teilnehmer*innen wiesen eine höhere Abhängigkeit von KI-Tools und geringere Leistungen im kritischen Denken als ältere Teilnehmer*innen auf. Zudem zeigte sich, dass Personen mit höherem Bildungsniveau über mehr Kompetenzen im kritischen Denken verfügen – und zwar unabhängig von der Nutzung von KI. Laut Studienautor unterstreiche dies die Rolle der Bildung bei der Abschwächung der potenziell negativen Auswirkungen der Nutzung von KI-Tools.
Virtueller Tutor: Wie generative KI Schüler*innen beim Lernen unterstützt
Ebenfalls im Jänner veröffentlichte die Weltbank erste Ergebnisse eines Pilotprojekts im nigerianischen Staat Edo, bei dem generative KI eingesetzt wurde. Sechs Wochen lang nahmen dort 800 zufällig ausgewählte Oberstufenschüler*innen nach der Schule zweimal wöchentlich an Englischunterricht in Computerräumen teil. Unterstützt wurden sie dabei von Microsoft Copilot, einem generativen KI-Tool, das von ChatGPT unterstützt wird. Unter der Anleitung von Lehrkräften nutzten die Schüler*innen die KI, um ausgewählte Themen, Grammatik- und Schreibaufgaben zu bearbeiten. Am Ende jeder Einheit stand außerdem eine Reflexionsübung.
Die Leistungen der Teilnehmer*innen in den drei Bereichen Englischkenntnisse, KI-Kenntnisse und digitale Fähigkeiten wurden abschließend mit denen der Schüler*innen verglichen, die nicht am Programm teilnahmen. Erstere erzielten in sämtlichen Bereichen höhere Leistungen und schnitten sogar bei den regulären Prüfungen am Ende des Schuljahres besser ab. Das deute laut den Autor*innen darauf hin, dass die Schüler*innen im Programm erlernt haben, effektiv mit KI zu arbeiten und sie diese Fähigkeiten nutzen konnten, um sich eigenständig neues Wissen anzueignen.
Die Ergebnisse des Pilotprogramms weisen laut den Autor*innen darauf hin, dass generative KI, wenn sie mit Unterstützung von Lehrkräften gezielt eingesetzt wird, effektiv als virtueller Tutor genutzt werden kann. Besonders zugute kam es Mädchen, deren Ergebnisse anfangs hinter denen der Jungen lagen. Dies würde das Potenzial des Programms unterstreichen, geschlechtsspezifische Unterschiede beim Lernen zu überbrücken.
KI-Tools zum Lernen oder statt des Lernens nutzen
Beide Studien liefern Hinweise darauf, wie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz das Lernen beeinflussen kann – allerdings aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Ob künstliche Intelligenz uns nun klüger oder dümmer macht, hängt davon ab, wie wir sie verwenden. Der Knackpunkt ist dabei, ob wir KI-Tools als Unterstützung beim Lernen oder als Ersatz dafür nutzen.
So unterstreicht die erste Studie die Notwendigkeit von Bildungsmaßnahmen, die eine kritische Auseinandersetzung mit KI-Technologien fördern und sicherstellen, dass der Komfort und die Effizienz, die uns die Arbeit mit KI bieten kann, nicht auf Kosten des kritischen Denkvermögens geht. Möglichkeiten hierfür können laut dem Autor Bildungsprogramme oder Schulungen zur effektiven Nutzung von KI-Tools sein. Das Pilotprojekt in Nigeria bestätigt, welche positiven Auswirkungen ebensolche Maßnahmen bei jungen Lernenden haben können. Nicht zuletzt auch deswegen, weil dafür ausgebildete Lehrkräfte den Prozess begleiten und gezielt zur Reflexion anregen. Entscheidend ist also nicht KI als Werkzeug, sondern wie wir sie in Lernprozesse integrieren und didaktisch begleiten.
- AI Tools in Society: Impacts on Cognitive Offloading and the Future of Critical Thinking (Englisch)
- From chalkboards to chatbots: Transforming learning in Nigeria, one prompt at a time (Englisch)
- From chalkboards to chatbots in Nigeria: 7 lessons to pioneer generative AI for education (Englisch)
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