KI und Zielgruppenorientierung: neue Potenziale
In der Erwachsenenbildung ist eine zielgruppenorientierte Angebotsplanung besonders wichtig. Nur wenn die Bedürfnisse, Erwartungen und Vorkenntnisse der Lernenden berücksichtigt werden, können passgenaue und effektive Bildungsangebote entwickelt werden. KI-gestützte Tools können viele Schritte in diesem Prozess merklich erleichtern.
Effiziente Datenauswertung mit KI
Das Kernstück jeder Zielgruppenanalyse ist eine solide Datenbasis. Wissenschaftliche Studien, Kursevaluationen oder Befragungen liefern die nötigen Informationen über die relevanten Personengruppen. Dabei sind nicht nur Alter, Geschlecht und Bildungsstand von Bedeutung, sondern beispielsweise auch die Offenheit gegenüber digitalen Medien, die technische Ausstattung, Nutzungsgewohnheiten und motivationale Aspekte – besonders wenn es um digital gestützte Bildungsangebote geht.
Hochwertige KI-Modelle enthalten so eine Datenbasis bereits in Form ihrer Trainingsdaten. Daher erhält man schon nützliche Ergebnisse, wenn man ein solches Modell direkt nach den Zielgruppencharakteristika fragt, z.B. so: „Was charakterisiert Wiedereinsteigerinnen als Zielgruppe in der Erwachsenenbildung?“. Bei einem Prompt wie diesem wird eine erste Typisierung vorgenommen, die dann weiter differenziert werden muss.
Will man die Auswertung selbst vornehmen, kann man bspw. auf Open Data zurückgreifen. Auch hier erweist sich KI als wertvolle Hilfe: KI-Systeme können die Kategorisierung und Analyse von Daten erleichtern, indem sie Muster und Zusammenhänge erkennen, die sonst schwer zu erfassen wären.
Werden Interviews selbst durchgeführt, bieten sich KI-gestützte Speech-to-Text-Tools an, um mühelos Transkripte zu erstellen. Sprachmodelle können zur Aufbereitung von Interviewdaten genutzt werden. Gibt man dem Modell Beispieltexte und Kategorien vor, kann es ähnliche Textabschnitte automatisch kategorisieren oder passende Kategorien vorschlagen. Besonders für kleinere Datenmengen ist das ein praktischer Ansatz.
Im Fall von Interviewdaten ist vor der Arbeit mit KI auf eine vollständige Anonymisierung zu achten, besonders wenn keine lokale KI zur Verfügung steht.
Learner Personas: Zielgruppen greifbar machen
Ein bewährter Ansatz, um Bildungsangebote an den Bedürfnissen der Zielgruppe auszurichten, ist die Arbeit mit Learner Personas. Personas sind fiktive Profile, die typische Vertreter*innen einer Zielgruppe abbilden. Besonders bei heterogenen Gruppen bietet diese Methode eine wertvolle Hilfe. Um die Vielfalt der Lernenden abzubilden, werden mehrere unterschiedliche Personas erstellt.
Bei der systematischen Erstellung verschiedener Persönlichkeitsprofile kann das Custom GPT "Learner Persona Architect" eine wertvolle Unterstützung bieten. Custom GPTs sind spezielle KI-Chatbots, die über ChatGPT auffindbar und nutzbar sind, in begrenztem Umfang auch gratis. Der Learner Persona Architect kann dabei helfen, gesammelte Daten zu Persönlichkeitsprofilen zu verdichten. Darüber hinaus kann er Bilder generieren, die die jeweilige Persona visualisieren und so greifbarer machen.
Für die Strukturierung und grafische Darstellung der erstellten Personas ist die Online-Plattform Miro besonders nützlich. Miro bietet nicht nur Vorlagen zur Persona-Erstellung, sondern ermöglicht auch die gleichzeitige Zusammenarbeit mehrerer Nutzer*innen. Einige KI-Funktionen – wie das automatische Erstellen von Mindmaps oder Flussdiagrammen – bieten zudem gezielte Unterstützung bei der Strukturierung von Ideen.
Spezifische KI-Chatbots erleichtern den Perspektivwechsel
Ein weiterer zentraler Schritt bei der Planung von Bildungsinhalten ist es schließlich, die Perspektive der Zielgruppe einzunehmen. Der gezielte Einsatz von KI-Chatbots kann diesen Perspektivenwechsel unterstützen.
Auch bei dieser Aufgabe unterstüzt der Learner Persona Architect . Das GPT ermöglicht es, mit den erstellten Personas weiterzuarbeiten und deren Perspektiven einzunehmen. Auf spezifische Eingaben hin generiert das GPT begründete Ergebnisse, die auf den eingegebenen Daten basieren und einen Denkprozess in Bezug auf die Kursarchitektur initiieren können.
Zusätzlich bietet die Erstellung von CustomGPTs die Möglichkeit, ein KI-Modell spezifisch auf eine einzelne Persona zuzuschneiden. Für jede Persona wird ein eigenes GPT entwickelt, das sich ausschließlich auf die relevanten Informationen stützt. Jedes GPT wird dann so programmiert, dass es die Perspektive der jeweiligen Persona einnimmt und auf dieser Grundlage spezifische Antworten generiert. Diese liefern hilfreiche Impulse, um die Bedürfnisse und Vorlieben der jeweiligen Persona besser zu erfassen. Je genauer die Persona beim Erstellen des GPT definiert wird, desto präziser und nützlicher werden die generierten Antworten.
Disclaimer: was KI nicht leisten kann
KI-Tools können in Bezug auf die Zielgruppenorientierung viele Abläufe vereinfachen. Aber:
Profile, die mit KI-Unterstützung erstellt wurden, sollten stets kritisch hinterfragt und mit realen Vertreter*innen der Zielgruppe abgeglichen werden, um Verzerrungen und Stereotype zu vermeiden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Personas zu einseitig oder ungenau ausfallen, denn gerade der bekannte Algorithmen-Bias kann die Stereotypisierung von Personengruppen befördern.
Es ist außerdem wichtig zu verstehen, dass KI zwar bei der Analyse und Strukturierung von Daten unterstützen kann, jedoch nicht wirklich empathisch ist. Der menschliche Blick bleibt entscheidend, um wirklich bedarfsorientierte Bildungsangebote zu entwickeln.
- Zielgruppen von Online-Bildungsangeboten identifizieren und ansprechen
- Die Persona-Methode zur Entwicklung von digitalen Bildungsangeboten
- KI-Tools in der Erwachsenenbildung: anwenden und reflektieren
- Generative KI: Der Unterschied zwischen Mensch und Maschine
- Handlungsanleitung: So finden Sie Ihre Zielgruppe (wb-web)
- Personas: Eine Methode zur Illustrierung von Bildungsbedarfen (PDF)
- Gedanken zur Persona-Methode in der Erwachsenen- und Weiterbildung (EPALE)
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