Bring your own desaster? Tipps für Workshops mit persönlichen Geräten
Seit der Corona-Pandemie ist der Anteil an Online-Formaten stetig gestiegen – so der deutsche Bildungsbericht 2024. War vor der Pandemie noch eher selten vom Grundsatz BYOD (Bring Your Own Device) die Rede, so ist es jetzt üblich, dass Teilnehmende in Workshops vor den eigenen Geräten sitzen. Und das gilt auch für Präsenzworkshops.
Wo liegt die Chance – und wo das Problem?
Gerade bei Präsenzworkshops zu digitalen Kompetenzen ist BYOD ein enormer Vorteil: Wer etwas am eigenen Gerät kann, hat den Transfer in den Alltag schon fast geschafft. Gleichzeitig lauert hier die größte Herausforderung: Personen mit digitalem Lernbedarf haben vielleicht gar nicht das nötige Bedienungswissen für ihr Gerät, machen keine Software-Updates usw. Dann sind Lehrende in Workshops mit Anforderungen von allen Seiten konfrontiert und kämpfen mit nicht funktionierenden Geräten und zahlreichen Supportwünschen. Mit anderen Worten: dort, wo BYOD didaktisch am wichtigsten wäre, ist das Setting am schwierigsten umzusetzen. Dem kann man schrittweise vorbeugen.
Schritt 1: Die lokale Infrastruktur vorbereiten
Für einen erfolgreichen Bring-Your-Own-Device-Workshop muss vor allem das WLAN stabil und das Breitband-Internet leistungsfähig sein. Das erfordert Simulationen mit der tatsächlichen Gruppengröße bei voller Auslastung und eine Ersatzlösung für den Notfall (die ebenfalls zu testen ist). Bei der Vorabschätzung hilft ein unabhängiger Speedtest.
Außerdem ist es wichtig, genügend Verteilerstecker und Verlängerungskabel vorzubereiten. Teilnehmer*innen sollten vorab an das Mitbringen von Ladegeräten oder Powerbanks erinnert werden, da ältere Geräte oft schnell den Akku leeren. Für die Geräte-Haftung braucht es einen Haftungsausschluss oder eine sichere Aufbewahrung bei längeren Pausen.
Je nach Voraussetzungen und Zielen macht es auch Sinn, weitere Geräte (digitales Whiteboard, Drucker,...) mit den entsprechenden Verbindungen zur Verfügung zu stellen. Der Zugriff auf ein lokales Netzwerk wird üblicherweise nicht nötig – falls doch, sind die Zugriffsrechte und Firewall-Einstellungen anzupassen.
Schritt 2: Die Teilnehmenden informieren
Für einen effektiven BYOD-Workshop brauchen die Teilnehmenden eine klare Vorab-Information. Jede*r Teilnehmende sollte ein aktuell gewartetes Gerät mit einem aktiven Virenscanner und den neuesten Updates mitbringen. Dafür kann man im Vorfeld Tutorials verlinken – für alle Betriebssysteme zur Auswahl.
Je nach Inhalt und Zielgruppe kann es nützlich sein, nötige Apps schon im Vorfeld zu installieren. Oft wird empfohlen, eine Liste der Minimalanforderungen zu versenden, sodass sich jede*r vorbereiten kann. Die Verantwortung für die eigenen Geräte bleibt immer bei den Teilnehmenden.
Schritt 3: Tools und Sozialformen klug wählen
Bei der Auswahl digitaler Werkzeuge für BYOD-Workshops ist es essenziell, plattformübergreifende Software zu nutzen, die auf allen handelsüblichen Geräten und Betriebssystemen läuft. Auch hier heißt es: vorab testen. Im Idealfall ist die Software kostenlos, rasch installiert und im Workshop ohne wiederholte Passworteingabe nutzbar.
BYOD-Workshops rufen nach Austausch und gegenseitiger Unterstützung. Wenn Teilnehmende mit ähnlichen Geräten in Tandems oder Kleingruppen gezielt zusammenarbeiten, können sie Herausforderungen gemeinsam meistern. Diese Kooperation können Lehrende in BYOD-Workshops gezielt fördern.
Schritt 4: Zusatz-Ressourcen bereitstellen
BYOD-Workshops brauchen meist mehr Ressourcen als solche mit vorbereiteten Geräten. Zum einen betrifft das die Personalressourcen: Die erwartbaren Zusatzprobleme erfordern mehr Personal und auch mehr technisches Know-how der Unterrichtenden als üblich. Auch ein*e IT-Support-Mitarbeiter*in ist im Idealfall in Rufweite, um auf Probleme schnell zu reagieren.
Nicht alle Teilnehmenden verfügen über funktionierende Geräte, deshalb sollten immer auch einige gewartete Ersatzgeräte bereitstehen. Und weil manche Fragen nicht schnell oder nebenbei lösbar sind, ist auch eine Linkliste mit Tutorials sehr nützlich – und sei es für die Bewältigung im Nachhinein. Es ist keine Schande, wenn jemand vorübergehend auf "Lernen durch Zuschauen" wechselt und dafür jemandem mit einem ähnlichen Gerät über die Schulter schaut.
Schritt 5: Vor Ort einen kühlen Kopf bewahren
Am wichtigstes für Trainer*innen in BYOD-Workshops ist Gelassenheit. Bei einem schwächelnden WLAN bittet man als erstes darum, die Leitungen aktiv freizumachen - z.B. indem man laufende Updates oder Backups verschiebt und nicht benutzte Geräte (inkl. Smartphones) vorübergehend aus dem Netz nimmt.
Stößt eine Einzelperson auf ein interessantes Problem, kann man die Frage mit allen teilen und die Gruppe in die Lösungsfindung einbeziehen. Wichtig ist dagegen die Abgrenzung gegen Supportwünsche, die auf Kosten der restlichen Gruppe gehen.
Sachlichkeit und auch ein paar gut platzierte Internetwitze können zur guten Stimmung beitragen ("der kürzeste Internetwitz lautet: das haben wir gleich"). Dazu gehört auch, dass im Zweifelsfall eher die Software „schuld“ ist als ein*e User*in.
BYOD: ein vorsichtiges Fazit
BYOD ist vom Lernergebnis her sehr vielversprechend, aber für Unterrichtende eine Herausforderung, der man sich am besten in kleinen Gruppen und mit Ersatzgeräten annähert. Vor allem wenn eine Lerngruppe länger besteht, bietet es sich an, die Zeit für eine Anpassung der eigenen Geräte zu investieren. Wie üblich gilt auch bei BYOD-Settings: Erfahrung und Teilnehmer*innen-Feedback helfen dabei, besser zu werden. Aber BYOD bleibt immer auch eine Frage der Klarheit und Abgrenzung. Wenn sich die nötigen Rahmenbedingungen nicht herstellen lassen, heißt es, besser auf BYOD zu verzichten.
Die Redaktion dankt Renate Ömer für einen interessanten Know-how-Austausch zum Thema!
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